Verborgene Gletscher auf dem Mars: Eine neue globale Übersicht

Verborgene Gletscher auf dem Mars: Eine neue globale Übersicht

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Verborgene Gletscher des Mars: Ein neues globales Bild

Unter den staubigen Hängen des Mars verbergen sich Gletscher, die an gefrorenen Honig erinnern, doch neue Forschung zeigt, dass sie weitaus reiner sind als bisher angenommen. Credit: Shutterstock

Jahrzehntelang diskutierten Planetenwissenschaftler über die Zusammensetzung der lappenförmigen, staubbedeckten Fließformen, die an den Flanken marsianischer Berge und in Kratern auftreten. Diese Merkmale wirken wie eingefrorene, zähflüssige Ströme, und bis vor Kurzem gingen viele Forscher davon aus, dass sie überwiegend aus Gestein bestanden und nur einen geringen Eisanteil aufwiesen. Eine neue, standardisierte Auswertung von Radar-Daten zeigt nun ein anderes Bild: Schuttbedeckte Gletscher auf dem Mars enthalten im Untergrund zu mehr als 80 Prozent Wassereis nach Volumen. Diese hohe Reinheit scheint an weit auseinanderliegenden Standorten konsistent zu sein, was auf gemeinsame Bildungs- und Erhaltungsprozesse im globalen Maßstab hindeutet.

Die in Icarus veröffentlichte Studie wurde von Yuval Steinberg (kürzlich promoviert, Weizmann Institute of Science) geleitet; die Koautoren sind Oded Aharonson und Isaac Smith (senior scientists am Planetary Science Institute mit Zugehörigkeiten zum Weizmann Institute und zur York University). Durch die Neubewertung mehrerer Orte mit derselben Methodik konnten die Autoren frühere Inkonsistenzen verringern und eine einheitliche, planetenweite Schätzung der Gletscherreinheit liefern.

Methoden und Daten: Radar, dielektrische Eigenschaften und SHARAD

Die Fernerkundung auf dem Mars kann die Zusammensetzung des Untergrunds nicht allein aus dem Oberflächenbild direkt ablesen. Staub- und Gesteinsschichten verdecken das darunter liegende Eis. Um den Eisanteil zu quantifizieren, verwendete das Team einen einheitlichen Ansatz, der zwei radarbasierte Materialeigenschaften kombinierte: die Dielektrizitätskonstante und den Verlustwinkel (loss tangent). Die Dielektrizitätskonstante steuert, wie schnell Radarwellen durch ein Material laufen; der Verlustwinkel beschreibt, wie viel der Radarenergie absorbiert und in Wärme umgewandelt wird. Zusammen ermöglichen diese Parameter Inversionsmodelle, das Verhältnis von Eis zu Gestein abzuschätzen, selbst wenn das Eis von einer dünnen Schuttschicht bedeckt ist.

Das für die meisten Analysen verwendete Radarinstrument war SHARAD (SHAllow RADar) an Bord des Mars Reconnaissance Orbiter der NASA. SHARAD sendet Mikrowellen in den Untergrund und misst Reflexionen an Grenzflächen zwischen Materialien mit unterschiedlichen elektrischen Eigenschaften. Steinberg und Kollegen identifizierten fünf Standorte mit schuttbedeckten Gletschern in beiden Hemisphären, bei denen SHARAD-Rückgaben konsistente Messungen der dielektrischen und dämpfenden Eigenschaften erlaubten. Zwei dieser Orte waren zuvor nur teilweise analysiert worden, einer überhaupt nicht; durch die Anwendung derselben Technik auf alle fünf Orte wurden direkte Vergleiche möglich.

Indem die Dielektrizitäts- und Verlustmessungen einheitlich behandelt wurden, fanden die Forschenden bemerkenswert ähnliche Eis-zu-Gestein-Verhältnisse an allen Standorten. Selbst Gletscher, die hemisphärisch und geografisch weit voneinander getrennt liegen, zeigten Mindest-Eisanteile von etwa 80 Prozent. Die Gleichförmigkeit dieser Ergebnisse spricht entweder für eine einzige, planetenweite Gletscherperiode oder für mehrere Vergletscherungen unter ähnlichen klimatischen und sedimentären Bedingungen.

Folgen für Marsklima, Wasserbilanz und Erforschung

Die Entdeckung, dass viele marsianische Gletscher außergewöhnlich eisreich sind, verändert die Einschätzung des nahe der Oberfläche verfügbaren Wassers auf dem Planeten. Teilen schuttbedeckte Gletscher auf dem Mars eine hohe Reinheit, dann ist das insgesamt zugängliche Wasserreservoir größer als in Modellen angenommen, die von dickeren Gesteinsanteilen ausgingen. Das hat zwei wesentliche Implikationen:

  • Planetare Klima-Historie: Reine Eislager, die unter dünnen Schuttschichten erhalten sind, deuten auf kalte Bedingungen hin, die Eisakkumulation und langfristige Stabilität begünstigen. Die Konsistenz über verschiedene Regionen hilft, vergangene atmosphärische und orbitalbedingte Parameter einzuschränken, die Vergletscherung begünstigten, und verbessert Modelle zum Mars-Paläoklima und zur obliquitätsbedingten Umschichtung von Eis.
  • In-situ-Ressourcennutzung (ISRU): Für zukünftige bemannte Missionen ist die lokale Wassergewinnung missionskritisch. Eis mit hoher Reinheit erfordert weniger Aufbereitung, um nutzbares Wasser, Sauerstoff und Raketentreibstoffvorläuferstoffe zu gewinnen. Kenntnis über ungefähre Reinheit und Verteilung hilft Missionsplanern, Landeplätze zu priorisieren und effiziente Extraktionssysteme in Bezug auf Masse und Energie zu entwerfen.

Die Autoren betonen die Bedeutung der Standardisierung von Analysen, damit verschiedene Datensätze vergleichbar werden. Wie Isaac Smith in der Publikation anmerkte, verwendeten frühere Studien unterschiedliche Techniken, was eine standortübergreifende Synthese erschwerte. Durch die Übernahme eines einheitlichen, radarbasierten Rahmens liefert die neue Studie eine Basis für zukünftige Untersuchungen und für die Auswahl von Kandidatenstandorten für detailliertere Orbital- oder In-situ-Untersuchungen.

Experteneinschätzung

Dr. Lila Moreno, Planeten-Geophysikerin (fiktiv, aber repräsentativ), kommentierte: Das Ergebnis, dass schuttbedeckte Gletscher an mehreren Standorten mehr als 80 Prozent Eis enthalten, ist ein großer Fortschritt. Es verringert die Unsicherheit über das marsnahe Wasser und eröffnet praktische Wege für ISRU bei bemannten Missionen. Die Konsistenz über die Hemisphären hinweg vereinfacht außerdem Klimarekonstruktionen, da sie eher auf wiederkehrende Prozesse als auf isolierte, einmalige Ereignisse hindeutet.

Sie fügte hinzu, dass die Kombination aus Dielektrizitätskonstante und Verlustwinkel ein robustes Parameterpaar zur Charakterisierung des Untergrunds sei, betonte aber den Wert ergänzender Beobachtungen: hochauflösende Bilddaten, Karten der thermischen Trägheit und, wo möglich, flache Radarmessungen von Landerplattformen oder zukünftigen Orbiter-Missionen, um Dicken- und Reinheitsschätzungen zu verfeinern.

Nächste Schritte und zukünftige Perspektiven

Das Forscherteam plant, die Untersuchung zu erweitern, indem es zusätzliche schuttbedeckte Gletscher lokalisiert, die in SHARADs Empfindlichkeitsbereich liegen, und dieselbe standardisierte Methode anwendet. Zukünftige Arbeiten könnten Daten von anderen Instrumenten integrieren (z. B. MROs HiRISE- und CTX-Kameras, THEMIS-Thermaldaten) und numerische Modelle zu Eisdynamik und Sublimation einbeziehen, um Alter, Dicke und Dynamik der Gletscher besser einzugrenzen.

Technologisch könnten verbesserte Radar-Sounder auf künftigen Orbiter-Missionen mit höherer vertikaler Auflösung und niedrigerem Rauschboden dünnere Schuttschichten kartieren und kleinere Vorkommen nachweisen. Ein Lander oder Rover mit bodendurchdringendem Radar, Bohrern oder Thermosonden könnte orbitale Rückschlüsse validieren und die Machbarkeit einer direkten Wasserentnahme prüfen.

Fazit

Eine koordinierte Neu-Auswertung der SHARAD-Radardaten zeigt, dass schuttbedeckte Gletscher auf dem Mars deutlich eisreicher sind, als frühere, standortbezogene Untersuchungen vermuten ließen. Mit Mindest-Eisanteilen von etwa 80 Prozent an mehreren, geografisch unterschiedlichen Orten stellen diese Lagerstätten ein unerwartet großes und reines naheoberflächiges Wasserreservoir dar. Die Ergebnisse verfeinern Modelle zur marsianischen Klima-Geschichte, verbessern Abschätzungen des planetaren Wasserhaushalts und haben praktische Bedeutung für künftige bemannte Explorationen und die In-situ-Ressourcennutzung. Fortgesetzte Radarsurveys, ergänzende Beobachtungen und gezielte In-situ-Missionen werden entscheidend sein, um diese eisreichen Merkmale auf dem Roten Planeten umfassend zu kartieren und zu charakterisieren.

Quelle: scitechdaily

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