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Neue Hinweise aus der Toda-Höhle
Archäologische Ausgrabungen im Süden Usbekistans haben Pflanzen- und Werkzeugfunde zutage gefördert, die darauf hindeuten, dass Menschen in Zentralasien bereits vor mindestens 9.200 Jahren wild wachsende Gerste mit sichelähnlichen Werkzeugen geerntet haben. Dieser Befund erweitert die kulturellen und verhaltensbezogenen Vorläufer der Landwirtschaft weit über das traditionell genannte Fruchtbare Halbmond-Gebiet hinaus und legt nahe, dass frühe Schritte in Richtung Nahrungsmittelproduktion geografisch weiter verbreitet waren als bisher angenommen.

Blick ins Surkhandarya-Tal, in dem sich die Toda-Höhle im Süden Usbekistans befindet. Foto: Robert Spengler
Ausgrabungsmethoden und archäobotanische Analyse
Ein internationales Team unter Leitung von Xinying Zhou (Institute of Vertebrate Paleontology and Paleoanthropology, Peking) und lokal koordiniert von Farhad Maksudov (Institute of Archaeology, Samarkand) führte stratigraphische Ausgrabungen in der Toda-Höhle im Surkhandarya-Tal durch. Aus den ältesten Schichten der Höhle bargen Archäologen Steinwerkzeuge, Holzkohle und gut erhaltene makroskopische Pflanzenreste.
Die archäobotanische Untersuchung unter Robert Spengler (Max-Planck-Institut für Geoanthropologie) identifizierte zahlreiche Überreste von wild wachsender Gerste neben Pistazien- schalen und Apfelsamen. Mikroskopische Analysen und Gebrauchsspuren an Kalksteinklingen und -abschlägen zeigten Muster, die mit dem Schneiden von Gräsern und Getreide übereinstimmen und vergleichbar sind mit Abnutzungsbildern an Werkzeugen, die andernorts mit frühen Ernte- und proto‑landwirtschaftlichen Aktivitäten in Verbindung gebracht werden.

Ein heutiges Exemplar von wild wachsender Gerste, bei dem die einzelnen Körner beim Reifen natürlich ausfallen. Foto: Robert Spengler
Folgen für die Ursprünge der Landwirtschaft
Diese Ergebnisse stellen die vereinfachte Darstellung in Frage, dass die Domestizierung von Grundnahrungsmitteln wie Weizen und Gerste ausschließlich in einem einzigen Kerngebiet (dem Fruchtbaren Halbmond) als direkte Reaktion auf Klimawandel oder Bevölkerungsdruck entstanden sei. Stattdessen stützt die Evidenz aus der Toda-Höhle ein Modell, in dem Jäger‑Sammler in mehreren Regionen schrittweise Ernte-, Verarbeitungs- und andere kulturelle Praktiken entwickelten, die schließlich die Domestizierung von Pflanzen begünstigen konnten.
Die Projektleitenden mahnen zur Vorsicht: Gegenwärtig erscheinen die Gerstenreste morphologisch wild, und es ist noch nicht nachgewiesen, dass sie systematisch kultiviert wurden. Wiederholtes Ernten mit Sicheln und die Integration wildwachsender Pflanzenressourcen in saisonale Subsistenzstrategien sind jedoch Verhaltensweisen, die einer Kultivierung vorausgehen und diese fördern können. Wie Xinying Zhou anmerkt, «sollte der Fund die Art und Weise verändern, wie Wissenschaftler über den Übergang vom Sammeln zur Landwirtschaft denken, da er zeigt, wie weit verbreitet die Übergangsverhalten waren.» Robert Spengler ergänzt, dass «eine wachsende Forschungsbasis nahelegt, dass Domestizierung ohne bewusst geplante Züchtung verlaufen kann — wiederholte Mensch‑Pflanze‑Interaktionen genügen oft, um Veränderungen anzustoßen.»
Fortgesetzte Ausgrabungen, gezielte Flotationsproben, Radiokohlenstoffdatierungen und morphometrische Analysen der Körnerreste werden prüfen, ob diese Ensemble geerntete wilde Bestände, experimentelle Kultivierung von Wildgerste oder frühe Einführungen kultivierter Sorten aus anderen Regionen repräsentieren. Gelingt der Nachweis von Kultivierung, würde dies entweder auf ein unabhängiges Experiment der Landwirtschaft in Zentralasien oder auf eine deutlich frühere östliche Ausbreitung landwirtschaftlicher Traditionen hinweisen, als bisher angenommen.
Expertinneneinschätzung
Dr. Elena Rossi, eine fiktive Archäobotanikerin mit Erfahrung in neolithischer Pflanzenverwendung, kommentiert: «Die Daten aus der Toda‑Höhle sind wichtig, weil sie sowohl die Werkzeuge als auch die Pflanzen im Kontext dokumentieren. Selbst wenn die Gerste morphologisch wild ist, schaffen fortlaufende Sammlung und Verarbeitung durch Menschen Selektionsdruck, der letztlich zur Domestizierung führt. Dieser Fund schließt eine geographische und verhaltensbezogene Lücke in unseren Modellen früher Landwirtschaft.»
Fazit
Die Entdeckungen in der Toda‑Höhle relativieren einengende Ein‑Ursprungs‑Modelle früher Landwirtschaft, indem sie komplexes Pflanzen‑Nutzungsverhalten in Zentralasien vor 9.200 Jahren dokumentieren. Ob es sich bei den Funden um wiederholte Ernten wildwachsender Bestände, beginnende Kultivierung oder frühe kulturelle Übertragungen aus dem Fruchtbaren Halbmond handelt, bleibt zu klären. Künftige interdisziplinäre Arbeit — die Archäobotanik, lithische Gebrauchsspurenanalyse und gesicherte Radiokohlenstoffchronologien kombiniert — wird die Rolle der Region in der globalen Geschichte von Landwirtschaft und Domestizierung weiter erhellen.
Quelle: scitechdaily
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