Protein: Hype oder echter Bedarf?

Protein: Hype oder echter Bedarf?

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Das Protein-Gespräch: Hype versus Bedarf

Hochprotein-Diäten und Proteinpulver bleiben in sozialen Medien und in den Regalen der Supermärkte beliebt. Marken heben Proteinangaben auf der Verpackung hervor und Influencer bewerben Shakes und Supplemente als schnellen Weg zu mehr Muskelmasse, besserer Erholung oder längerer Sättigung. Mehr Protein ist jedoch nicht immer besser. Dieser Artikel erklärt, wie viel Protein die meisten Erwachsenen tatsächlich benötigen, wann höhere Mengen sinnvoll sind und welche physiologischen sowie gesundheitlichen Folgen chronisch übermäßige Proteinzufuhr haben kann.

Wie viel Protein brauchen Menschen wirklich?

Protein ist essenziell: Seine Aminosäuren bauen und reparieren Muskeln, bilden Enzyme und Hormone, unterstützen Immunreaktionen und können als Energiequelle dienen. Ernährungsempfehlungen geben praktische Zielwerte statt exakter Vorschriften für jede einzelne Person. In Australien raten Leitlinien, dass Protein etwa 15–25 % der täglichen Energie liefern sollte. Für Erwachsene liegen die durchschnittlichen Referenzaufnahmewerte bei etwa 0,84 g/kg Körpergewicht pro Tag für Männer und 0,75 g/kg für Frauen.

Das entspricht ungefähr 76 g/Tag für einen 90 kg schweren Mann und etwa 53 g/Tag für eine 70 kg schwere Frau. Ältere Erwachsene und Kinder haben andere Bedürfnisse, und Sportler, die Krafttraining betreiben, können von höheren Aufnahmen — bis zu etwa 1,6 g/kg/Tag — profitieren, wenn sie strukturiertes Krafttraining absolvieren. Ein 90 kg schwerer Trainierender könnte etwa 144 g/Tag anstreben, während er aktiv Muskelmasse aufbaut. Jenseits dieses Bereichs zeigen randomisierte Studien und Metaanalysen kaum zusätzliche Zuwächse an Muskelgröße oder Kraft.

Was passiert, wenn man mehr Protein isst, als man braucht?

Überschüssiges Nahrungsprotein wird nicht einfach ausgeschieden. Der Körper verstoffwechselt überschüssige Aminosäuren: Die Stickstoffkomponente wird zu Harnstoff umgewandelt und über den Urin ausgeschieden, während die verbleibenden Kohlenstoffgerüste zur Energiegewinnung oxidiert oder zu Fett umgebaut werden können, wenn die gesamte Kalorienzufuhr den Bedarf übersteigt. Chronisch mehr Kalorien zu sich zu nehmen, als man verbrennt — unabhängig von der Makronährstoffquelle — führt über die Zeit tendenziell zu einer Zunahme des Körperfetts.

Bestimmte gesundheitliche Situationen erfordern eine sorgfältige Proteinanpassung. Menschen mit fortgeschrittener chronischer Nierenerkrankung benötigen oft individuelle Proteinziele, um eine zusätzliche Belastung der Nieren zu vermeiden; solche Anpassungen sollten von einer registrierten Diätassistentin oder einem registrierten Diätassistenten in Absprache mit der nephrologischen Betreuung vorgenommen werden. Ein anderes extremes Szenario, historisch als „Proteinvergiftung“ oder „rabbit starvation" bezeichnet, tritt auf, wenn die Ernährung fast ausschließlich aus magerem Protein ohne ausreichend Fette und Kohlenhydrate besteht und zu schwerer Krankheit führt. Frühere Berichte aus dem frühen 20. Jahrhundert, darunter die Beobachtungen des Entdeckers Vilhjalmur Stefansson, beschrieben einen raschen Verfall bei Personen, die sich fast ausschließlich von sehr magerem Fleisch ernährten.

Proteinquellen sind wichtig: pflanzlich versus tierisch

Nicht alle Proteinquellen bringen dieselben gesundheitlichen Vor- und Nachteile mit sich. Tierische Proteine — Fleisch, Vollfettmilchprodukte und einige verarbeitete Produkte — enthalten häufig mehr gesättigte Fette und wurden in Kohortenstudien bei sehr hoher Aufnahme älterer Erwachsener mit erhöhten Risiken für bestimmte Krebsarten und höherer Gesamtsterblichkeit in Verbindung gebracht. Diäten mit hohem Anteil an tierischem Protein wurden in einigen Populationen auch mit einer höheren Inzidenz von Typ-2-Diabetes assoziiert.

Dagegen liefern pflanzliche Proteine aus Hülsenfrüchten, Linsen, Vollkorn, Nüssen und Samen häufig Ballaststoffe, ungesättigte Fette und eine breitere Palette an sekundären Pflanzenstoffen. Ernährungsweisen, die pflanzliche Proteinquellen betonen, stehen im Zusammenhang mit verbesserten Cholesterinprofilen, einem geringeren Risiko für Typ-2-Diabetes und einem reduzierten Risiko für einige Krebsarten. Mehr pflanzenbasiertes Eiweiß aufzunehmen kann daher sowohl kardiovaskuläre als auch metabolische Vorteile bringen und gleichzeitig beim Erreichen des Proteinbedarfs helfen.

Makronährstoffe ausbalancieren

Protein wirkt im Zusammenspiel mit Fetten und Kohlenhydraten. Das Entfernen oder starke Einschränken anderer Makronährstoffe zugunsten sehr hoher Proteinmengen kann Nährstoffungleichgewichte erzeugen und die Ballaststoffzufuhr reduzieren — ein wichtiger Faktor für die Darmgesundheit und die Prävention chronischer Erkrankungen. Für die öffentliche Gesundheit und Langlebigkeit sind Ausgewogenheit und Lebensmittelqualität wichtiger als das blinde Streben nach hohen Proteinmengen.

Fachliche Einschätzung

Dr. Elena Morales, klinische Diätassistentin und Wissenschaftskommunikatorin, bemerkt: „Protein ist wichtig, aber der Kontext entscheidet. Für die meisten Erwachsenen reicht es aus, die Leitlinien einzuhalten und sich auf vielfältige, möglichst unverarbeitete Quellen — besonders pflanzliche — zu konzentrieren, um die Gesundheit zu fördern, ohne die Nachteile einer sehr hohen tierischen Proteinzufuhr zu riskieren. Wer intensiv trainiert, kann die Proteinzufuhr vorübergehend erhöhen, braucht aber selten die extremen Mengen, die durch Marketing beworben werden.“ Ihr pragmatischer Rat: „Achte auf die Gesamtkalorien und integriere gesunde Fette und Kohlenhydrate; bei Nierenerkrankungen oder anderen chronischen Erkrankungen solltest du vor größeren Änderungen der Proteinzufuhr mit deiner Ärztin oder deinem Arzt Rücksprache halten."

Folgen, Technologien und Ausblick

Das öffentliche Interesse an Protein hat Innovationen hervorgebracht: Präzisions-Ernährungs-Tools, Apps zur Abschätzung personalisierter Proteinbedarfe, pflanzenbasierte Fleischersatzprodukte, die Textur und Aminosäureprofile tierischer Produkte nachbilden, und im Labor gezüchtete Proteine, die darauf abzielen, gesättigte Fette und die Umweltauswirkungen der Tierhaltung zu reduzieren. Weitere Forschung wird die Proteinempfehlungen für verschiedene Gruppen — ältere Erwachsene, Schwangere, Athletinnen und Athleten sowie Menschen mit chronischen Erkrankungen — verfeinern, indem Biomarker und kontrollierte Studien genutzt werden, um über Populationsdurchschnitte hinauszugehen.

Fazit

Protein ist ein unverzichtbarer Makronährstoff, aber mehr ist nicht automatisch besser. Für die meisten Erwachsenen unterstützt eine Proteinzufuhr innerhalb der empfohlenen Bereiche — mit Betonung auf pflanzlichen Quellen und bei Wahrung des Makronährstoffgleichgewichts — die Gesundheit, verringert das Risiko chronischer Erkrankungen und vermeidet unnötige Kalorienüberschüsse. Höhere Proteinzufuhr kann Personen im gezielten Krafttraining zugutekommen, doch es gibt eine Grenze, ab der keine weiteren Muskelzuwächse beobachtet werden und potenzielle Risiken zunehmen können. Bei medizinischen Problemen wie chronischer Nierenerkrankung sollte vor einer Erhöhung der Proteinzufuhr eine individuelle Beratung durch Fachpersonen eingeholt werden.

Quelle: sciencealert

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