Ungewöhnlich große DNA-Ringe im Mundmikrobiom

Ungewöhnlich große DNA-Ringe im Mundmikrobiom

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Ungewöhnlich große DNA-Ringe im Mundmikrobiom

Forscher haben außergewöhnlich große DNA-Schleifen identifiziert, die von Bakterien im menschlichen Mund getragen werden, und die die Mundgesundheit, Immuninteraktionen und möglicherweise geringere Raten bestimmter Krebsarten beeinflussen könnten. Die kreisförmigen genetischen Elemente, als "Inocles" bezeichnet, scheinen eine neue Klasse sehr großer plasmidähnlicher extrachromosomaler DNA zu sein, die in Streptococcus-Arten vorkommt, welche die Mundhöhle besiedeln.

Forscher der Universität Tokio leiteten die Studie, die Inocles erstmals beschrieb. Laut dem Team wirken diese Ringe wie modulare Genpakete, die Bakterien helfen, sich an die stressreiche und schwankende Umgebung des Mundes anzupassen — praktisch zusätzliche Überlebenswerkzeuge neben dem bakteriellen Chromosom. Wie die leitende Mikrobiologin des Projekts erklärt, offenbaren Untersuchungen des Mundmikrobioms viele genetische Mechanismen, die bislang wenig verstanden sind; Inocles fügen dieser Komplexität eine bisher ungesehene Ebene hinzu.

Inocles wurden in Streptococcus-Bakterien nachgewiesen. (Kiguchi et al., Nat. Commun., 2025)

Wie die Elemente entdeckt wurden und wie verbreitet sie sind

Der Fund begann mit einer gezielten Sequenzanalyse von Speichelproben von 56 Freiwilligen. Um zu prüfen, wie weit verbreitet diese Strukturen sind, sichtet das Team anschließend eine erweiterte Sammlung von 476 Speichelproben. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass etwa drei Viertel der untersuchten Personen Inocles in ihren oralen Bakterien tragen, was darauf hindeutet, dass diese Elemente häufige Bestandteile des Mundmikrobioms sind.

Eine Herausforderung, die die Entdeckung von Inocles verzögerte, ist ihre große Größe. Standardverfahren mit Short-Read-Sequenzierung fragmentieren DNA vor der Assemblierung in kleine Stücke, wodurch sehr große zirkuläre Elemente schwer rekonstruierbar sind. Um dem zu begegnen, entwickelten die Forscher eine angepasste Pipeline namens preNuc, die menschliche DNA aus Speichelproben entfernt, bevor sequenziert wird, und so die Assemblierung bakterieller Genome sowie großer extrachromosomaler Elemente deutlich vereinfacht. Mit diesem Ansatz bestimmten sie eine durchschnittliche Länge von Inocles von etwa 350 Kilobasenpaaren — eine Größenordnung größer als viele typische Plasmide, die normalerweise nur einige zehn Kilobasenpaare umfassen.

Gene, Funktionen und mögliche schützende Effekte

Funktionaler Gehalt

Die erweiterte Länge der Inocles trägt Gene, die plausibel zur bakteriellen Überlebensfähigkeit im Mund beitragen: Systeme zur Resistenz gegen oxidativen Stress, Wege zur Reparatur von DNA-Schäden sowie Gene im Zusammenhang mit der Zellwand, die Reaktionen auf extrazellulären Stress modulieren könnten. Diese Funktionen legen nahe, dass Inocles Streptococcus-Stämme unterstützen könnten, unter Immunangriffen, häufigen pH-Schwankungen und der Exposition gegenüber reaktiven Molekülen in der Mundhöhle zu persistieren.

Assoziation mit Krebs

In einem unerwarteten Muster enthielten Speichelproben von Personen mit Kopf‑ und Halskrebs deutlich weniger Inocles als Proben von krebsfreien Individuen. Diese Korrelation deutet auf eine mögliche schützende Rolle der Elemente hin — entweder durch direkten Einfluss auf das lokale Tumorrisiko oder indirekt als Spiegel breiterer Veränderungen der oralen Ökologie, die mit Krebs einhergehen. Kausalität ist jedoch nicht nachgewiesen: Weniger Inocles könnten eine Folge von Krebs oder dessen Behandlung sein, oder ein dritter Faktor könnte sowohl das Krebsrisiko als auch das Vorkommen dieser DNA-Ringe beeinflussen.

Offene Fragen und zukünftige Forschung

Wesentliche nächste Schritte sind funktionelle Studien, um genau zu bestimmen, welche Rolle Inocle-Gene in der bakteriellen Physiologie spielen; Experimente, um zu prüfen, ob diese Elemente zwischen Bakterien oder zwischen Menschen übertragen werden können; und Längsschnittstudien, die testen, ob Inocles das Krebsrisiko, orale Entzündungen oder systemische Immunantworten beeinflussen. Das Team plant, zu untersuchen, wie sich Inocles unter oxidativem Stress verhalten, ob sie sich durch horizontalen Gentransfer ausbreiten können und wie stabil sie in verschiedenen Wirten sind.

Experteneinschätzung

Dr. Lena Morales, Mikrogenetikerin und Wissenschaftskommunikatorin: "Das Auffinden von Inocles ist wie das Entdecken zuvor verborgener Anhänge in einem Buch über das Mundmikrobiom. Ihre Größe ermöglicht es ihnen, komplette Module zu tragen, die das bakterielle Verhalten in klinisch relevanter Weise verändern könnten. Vorrang hat jetzt, von der Korrelation zur Mechanistik zu gelangen: kontrollierte Laborexperimente und sorgfältig designte longitudinale Kohorten werden zeigen, ob diese Ringe bloße Begleiter, Biomarker oder aktive Akteure in Gesundheit und Krankheit sind."

Fazit

Inocles erweitern unser Verständnis extrachromosomaler DNA im menschlichen Mikrobiom, indem sie ungewöhnlich große plasmidähnliche Ringe offenbaren, die bei mundassoziierten Streptococcus-Arten häufig vorkommen. Ihr Geninhalt legt Rollen bei Stressresistenz und DNA-Reparatur nahe, und vorläufige Populationsdaten zeigen weniger Inocles bei Menschen mit Kopf‑ und Halskrebs — eine Korrelation, die eine detaillierte mechanistische Folgeforschung rechtfertigt. Fortschritte in der Probenvorbereitung und Sequenzierung, wie der preNuc-Ansatz, waren entscheidend für diese Entdeckung und werden wahrscheinlich weitere großskalige genetische Elemente in anderen Mikrobiomen aufdecken. Fortgesetzte Forschung wird klären, ob Inocles als Biomarker oder therapeutische Zielstrukturen für orale und systemische Erkrankungen genutzt werden können.

Quelle: sciencealert

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