Neue Simulationen enthüllen ungewöhnliche Sternsysteme

Neue Simulationen enthüllen ungewöhnliche Sternsysteme

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Neue Simulationen enthüllen eine unerwartete Klasse von Sternsystemen

Hochaufgelöste kosmologische Simulationen, durchgeführt von der University of Surrey und Kooperationspartnern, haben eine bisher unbekannte Kategorie alter Sternsysteme identifiziert, die bereits in der Milchstraße verborgen sein könnten. Die in Nature veröffentlichte Studie nutzt die EDGE-Simulationssuite, um 13,8 Milliarden Jahre kosmischer Geschichte mit einer Auflösung nachzuzeichnen, die ausreicht, die Auswirkungen einzelner Supernovae zu erfassen. Die Ergebnisse bieten eine einheitliche Sicht darauf, wie Kugelsternhaufen entstehen, und sagen eine Übergangs­population voraus — „kugelsternhaufenähnliche Zwerggalaxien“ — die Eigenschaften klassischer Kugelsternhaufen und Zwerggalaxien vereint.

Ein Kugelsternhaufen (weiße Sternkonzentration) entsteht in den hochaufgelösten EDGE-Simulationen auf natürliche Weise. Diese Simulationen sagen auch die Existenz einer neuen Objektklasse voraus: kugelsternhaufenähnliche Zwerggalaxien. Diese neuen Objekte entstehen ähnlich wie Kugelsternhaufen, jedoch in ihrem eigenen Dunkelmateriehalo. Die nahegelegene Zwerggalaxie Reticulum II könnte ein solches Objekt sein, das in unserer kosmischen Nachbarschaft offen sichtbar verborgen war. Falls dem so ist, bietet sie beispiellose Einschränkungen für die Natur der Dunklen Materie und einen neuen Ort, um nach den ersten metallfreien Sternen zu suchen. 

Wissenschaftlicher Hintergrund und Simulationsansatz

Kugelsternhaufen sind kompakte, gravitativ gebundene Ansammlungen von Hunderttausenden bis zu Millionen Sternen, die um größere Galaxien kreisen. Sie gehören zu den ältesten bekannten Sternsystemen und zeichnen sich durch dichte Sternaufreihung, nahezu einheitliche Sternalter und geringe chemische Vielfalt aus. Diese Eigenschaften machen ihren Ursprung zu einem langjährigen Rätsel der Astrophysik, zum Teil weil Kugelsternhaufen im Gegensatz zu Zwerggalaxien meist wenig oder keine Hinweise auf umgebende Dunkle Materie zeigen — Zwerggalaxien hingegen sind stark von Dunkler Materie dominiert.

Um Entstehungswege zu untersuchen, modellieren die EDGE-Simulationen die Galaxienbildung über kosmische Zeit mit ultrahoher Auflösung auf dem UK DiRAC National Supercomputer. Das Team arbeitete mit Kooperationspartnern mehrerer Institutionen weltweit zusammen und führte Simulationen durch, die auf normaler Consumer-Hardware Jahrzehnte dauern würden. Durch das Auflösen von Skalen von etwa 10 Lichtjahren erfassen EDGE lokale Rückkopplungseffekte einzelner Supernovae und die Dynamik, die zur Bildung kompakter Sternsysteme in unterschiedlichen Dunkelmaterieumgebungen führen kann.

Wesentliche Ergebnisse: mehrere Entstehungswege und eine neue Hybridklasse

EDGE zeigt, dass Kugelsternhaufen über mindestens zwei Entstehungskanäle entstehen können. Einige Haufen bilden sich in dichten Gasregionen, die selbstgebunden werden und jegliche umgebende Dunkle Materie verlieren, wodurch die klassischen, dunkelmateriearmen Kugelsternhaufen entstehen, die wir beobachten. Andere kompakte Systeme entstehen innerhalb ihrer eigenen kleinen Dunkle-Materie-Halos, teilen jedoch die stellare Kompaktheit und das hohe Alter, das für Kugelsternhaufen typisch ist. Diese letzteren sind die vorhergesagten „kugelsternhaufenähnlichen Zwerggalaxien“: beobachtungsbedingt kompakt und haufenähnlich, aber in ein signifikantes Dunkle-Materie-Halo eingebettet.

Dieser subtile strukturelle Unterschied ist wichtig. Wenn solche Hybridobjekte im realen Universum existieren, könnten sie von Teleskopen als gewöhnliche Kugelsternhaufen katalogisiert worden sein, wodurch ihr Dunkle-Materie-Gehalt verschleiert bleibt. Mehrere Satelliten der Milchstraße — namentlich das ultraschwache Reticulum II — werden als Kandidaten für kugelsternhaufenähnliche Zwerggalaxien hervorgehoben. Die Bestätigung ihres Dunkle-Materie-Gehalts würde ein seltenes Labor bieten, um Dunkle-Materie-Modelle zu testen und extrem metallarme (oder metallfreie) Sterne der ersten Sternengenerationen zu suchen.

Beobachtungs­aussichten und Implikationen

Die nächsten Schritte sind gezielte Beobachtungen mit Einrichtungen wie dem James-Webb-Weltraumteleskop und kommenden tiefen spektroskopischen Durchmusterungen. Hochpräzise kinematische Daten und aufgelöste stellare Spektroskopie können zwischen einem dunkelmateriedominierten System und einem rein stellaren Haufen unterscheiden. Der Nachweis einer Population kugelsternhaufenähnlicher Zwerggalaxien würde Theorien zur Sternhaufenentstehung, die Rolle von Feedback in kleinen Halos und Strategien zur Suche nach primordialen Sternen beeinflussen.

Experteneinsicht

Dr. Ethan Taylor (University of Surrey) betont, dass EDGE diese Systeme erzeugte, ohne spezielle Vorgaben zur erzwungenen Bildung einzubauen, was das Vertrauen stärkt, dass die Objekte eine natürliche Folge der Physik der Galaxienbildung sind. Professor Justin Read ergänzt, dass die 10-Lichtjahre-Auflösung der Simulationen entscheidend war, um die physikalischen Prozesse aufzulösen, die die unterschiedlichen Entstehungskanäle von Haufen unterscheiden.

Schlussfolgerung

Die EDGE-Simulationen liefern ein umfassenderes Bild davon, wie kompakte Sternsysteme entstehen, und sagen eine Übergangsklasse — kugelsternhaufenähnliche Zwerggalaxien — voraus, die bereits unter den Satelliten der Milchstraße vorhanden sein könnte. Die beobachtliche Bestätigung dieser Objekte würde neue Prüfungen der Dunklen Materie eröffnen und neue Suchfelder für die frühesten Sterne des Universums schaffen und damit Aspekte eines jahrhundertealten astronomischen Rätsels klären.

Quelle: scitechdaily

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