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Deutsche Bank: Gold und Bitcoin könnten gemeinsame Reservefunktionen übernehmen
Eine Analyse der Deutschen Bank von Marion Laboure und Camilla Siazon legt nahe, dass Zentralbanken bis 2030 damit beginnen könnten, Bitcoin neben Gold in ihren Bilanzen zu halten. Der Bericht argumentiert, dass beide Anlageklassen – das traditionelle Gold als bewährte Reserve und der digitale Wert Bitcoin – als komplementäre Positionen in einem diversifizierten Reservestrategie-Mix dienen können, insbesondere vor dem Hintergrund anhaltender geopolitischer Spannungen und makroökonomischer Unsicherheiten. Dabei betonen die Analystinnen, dass es weniger um einen vollständigen Austausch bestehender Reserven geht, sondern um eine behutsame Erweiterung des Instrumentspektrums zur Risikostreuung.
Die Untersuchung verbindet makroökonomische Beobachtungen mit Marktmechanik und institutionellen Trends: steigende Nachfrage nach Inflationsschutz, veränderte Technologie- und Regulierungslagen für Kryptoassets sowie die Zunahme von professionellen Verwahr- und Handelslösungen. All das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass digitale Assets schrittweise in die Entscheidungsprozesse von Notenbanken einfließen — sei es als Teil aktiver Portfoliosteuerung, als Sicherheits- oder Liquiditätsreserve in spezifischen Stress-Szenarien oder als ergänzende Anlage zur traditionellen Goldposition.
Warum Gold weiterhin führend ist
Gold bleibt für viele Zentralbanken der zentrale Reservewert. Die weltweiten Notenbanken halten in ihren Beständen nach wie vor einen erheblichen Anteil an physischem Gold, das als langfristiger Wertaufbewahrer fungiert. Im Jahr 2025 erreichte der Goldpreis laut der Analyse neue Höchststände nahe 3.703 US-Dollar pro Feinunze, was die Einschätzung untermauert, dass Gold seine Rolle als Inflationsschutz und Vertrauensanker behalten hat.
Mehrere Faktoren stützen diese Position: Erstens bieten die Tiefe und Liquidität der Goldmärkte eine hohe Handelbarkeit auch in Stressphasen. Zweitens entsprechen physische Goldreserven seit Jahrzehnten etablierten buchhalterischen und aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen für Devisenreserven, wodurch sie für Notenbanken vermeidlich geringere operationelle Hürden darstellen. Drittens spielen geopolitische Erwägungen eine Rolle: Länder mit erhöhten außenpolitischen Risiken neigen dazu, physische Werte aufzubauen, die weniger von Fremdwährungsschwankungen abhängig sind.
Hinzu kommt, dass offizielle Ankäufe durch Zentralbanken — etwa in Regionen wie Osteuropa, Zentralasien oder zunehmend auch in Teilen Afrikas und Asiens — weiterhin stattfinden. Solche Kaufprogramme, ergänzt durch die Erwartung zukünftiger geldpolitischer Lockerungen in einigen großen Volkswirtschaften, stützen die Nachfrage nach Gold. Nicht zuletzt ist Gold wegen seiner historischen Rolle als sicherer Hafen und wegen des Vertrauens, das es bei diversen Finanzakteuren genießt, in den strategischen Allokationsentscheidungen der Zentralbanken weiterhin prominent vertreten.
Die zunehmende Reserve-Argumentation für Bitcoin
Zeitgleich hat Bitcoin bemerkenswerte Stärke gezeigt. Nachdem die Kryptowährung in einem früheren Aufschwung Mitte des Jahrzehnts neue Höchststände anpeilte und kurzzeitig Niveaus oberhalb von 123.500 US-Dollar erreichte, verzeichnete sie eine Phase reduzierter kurzfristiger Volatilität im Vergleich zu früheren Zyklen. Die Deutsche Bank sieht hierin ein Signal für eine mögliche Rolle von Bitcoin in privaten und alternativen Reserveallokationen.
Mehrere Eigenschaften machen Bitcoin für einige Akteure attraktiv: die begrenzte Gesamtmenge (die durch das Protokoll auf 21 Millionen Einheiten begrenzt ist), eine historisch niedrige Korrelation mit vielen traditionellen Finanzanlagen in bestimmten Zeiträumen sowie die zunehmende Infrastruktur für institutionelle Investoren — dazu zählen regulierte Spot-ETFs, prime-broker-Services, Verwahrungslösungen mit Versicherungsdeckungen sowie geregelte Handelsplätze. Diese Entwicklungen verringern einige der früheren Hürden für den Einsatz von Bitcoin als Reservekomponente.
Die Analysten sehen Bitcoin primär als Diversifizierungsinstrument. In Kombination mit Gold und traditionellen Währungsreserven kann Bitcoin potenziell die Robustheit von Portfolios erhöhen, indem es alternative Korrelationsmuster beisteuert. Praktisch könnte dies bedeuten, dass Zentralbanken einen kleinen, kontrollierten Anteil ihrer liquiden Reserven oder alternativen Reserveposten in digitale Assets halten, um in Extremszenarien oder bei bestimmten Marktstress-Ereignissen zusätzliche Absicherungsmöglichkeiten zu haben.
Gleichwohl bestehen erhebliche Herausforderungen: operative Risiken wie Verwahrung und Schlüsselmanagement, regulatorische Unsicherheiten in verschiedenen Jurisdiktionen, Liquiditäts- und Marktstrukturfragen sowie die weiterhin vorhandene Volatilität. Trotz dieser Risiken hat sich das Umfeld deutlich verbessert — etwa durch institutionelle Custody-Lösungen, Audit-Standards für Krypto-Transaktionen und stärkere Marktregulierung —, sodass eine schrittweise Integration nicht mehr als rein hypothetisch gilt.

Praktische Auswirkungen für Zentralbankreserven
Die Deutsche Bank prognostiziert nicht, dass Gold oder Bitcoin den US-Dollar als dominierende Reservewährung verdrängen werden. Stattdessen erwartet das Institut eine vorsichtige Diversifikation: Reserveportfolios, die weiterhin auf Fiat-Währungen als Kern beruhen, könnten verstärkt Gold und ausgewählte digitale Assets ergänzen. Dieser Ansatz reflektiert eine Kombination aus Risiko- und Liquiditätsmanagement sowie strategischen Überlegungen zur Absicherung gegen unterschiedliche Schocks.
In der Praxis würde das bedeuten: Zentralbanken könnten spezielle Rahmenwerke entwickeln, in denen digitale Assets unter strengen Vorgaben und Limits gehalten werden. Solche Vorgaben würden Governance-Regeln, Verwahrungsanforderungen, Stress-Tests und transparente Berichtspflichten umfassen. Auf operativer Ebene sind sichere Verwahrungsmodelle (z. B. institutionelle Multi-Signature-Lösungen, regulierte Drittverwahrer mit Versicherungsdeckung oder sogar staatlich geprüfte Verwahrstellen) zentrale Voraussetzungen, damit digitale Assets als Reserve akzeptiert werden können.
Aus fiskal- und bilanzpolitischer Sicht sind Anpassungen nötig. Reservebewertungen, Bewertungs- und Abschreibungsregeln sowie Liquiditätskennzahlen müssten präzise definiert sein, damit digitale Assets in das bestehende System der Devisenreserven integriert werden können. Internationale Koordination, etwa über den IWF oder multilaterale Foren, könnte helfen, Standards zu etablieren, die grenzüberschreitende Klarheit und Vergleichbarkeit sicherstellen.
Ein weiterer praktischer Aspekt betrifft die Größe der Allokationen. Angesichts der noch verbleibenden Volatilität dürften initiale Positionen eher klein sein — testweise Allokationen oder Pilotprogramme mit klar definierten Exit-Kriterien sind plausibel. Solche Pilotprojekte erlauben es Zentralbanken, operative Prozesse zu validieren, die Marktliquidität zu prüfen und Stress-Szenarien zu simulieren, ohne die Gesamtstabilität der Reserven zu gefährden.
Auch die Frage der Marktliquidität und Marktstruktur ist zentral: Um als Reserve relevant zu sein, müssen digitale Asset-Märkte ausreichende Tiefe und Stabilität aufweisen, damit Notenbanken bei Bedarf größere Positionen kaufen oder verkaufen können, ohne unverhältnismäßige Marktverzerrungen zu verursachen. Die fortschreitende Entwicklung von Derivaten, institutionellen Handelsplattformen und Market-Making-Mechanismen trägt hierzu bei, reduziert aber nicht vollständig die Notwendigkeit für sorgfältige Risikogrenzen.
Ausblick
Für Entscheidungsträger in Notenbanken und institutionelle Investoren bedeutet der Bericht vor allem eines: ein sorgfältiges Abwägen von Bewährtem und Neuem. Gold behält seinen Platz als verlässlicher Wertspeicher, während Bitcoin und andere gut regulierte digitale Assets unter bestimmten Bedingungen als ergänzende Diversifikationsinstrumente in Betracht gezogen werden können. Der Übergang zu gemischten Reserveportfolios dürfte graduell verlaufen, begleitet von Pilotphasen, stärkerer Regulierung und Verbesserungen in Infrastruktur und Marktliquidität.
Kurz- bis mittelfristig empfiehlt sich ein pragmatischer Umgang: klare Governance für digitale Asset-Allokationen, robuste Verwahrungs- und Sicherheitsstandards, regelmäßige Stress-Tests sowie Zusammenarbeit auf internationaler Ebene, um Standards und Best Practices zu etablieren. Für einige Zentralbanken, insbesondere in Volkswirtschaften mit hohem Bedarf an Absicherung gegen Währungsrisiken oder eingeschränktem Zugang zu traditionellen Reservewährungen, können digitale Assets einen zusätzlichen, strategischen Nutzen bieten.
Langfristig bleibt vieles von der regulatorischen Entwicklung und der technologischen Weiterentwicklung abhängig. Sollte sich die Marktinfrastruktur weiter professionalisieren, die Liquidität nachhaltig wachsen und staatliche Aufsichten klare Rahmenbedingungen schaffen, könnte die Integration von Bitcoin in ausgewogene Reserveportfolios bis 2030 Realität werden — jedoch wahrscheinlich in begrenztem, experimentellem Umfang und stets daneben bleibt Gold als stabile Referenzreserve bestehen.
Insgesamt liefert der Bericht eine nüchterne, faktenbasierte Perspektive: Es geht nicht um ein abruptes Ersetzen von Anlagen, sondern um eine strategische Erweiterung, die traditionelle Stärken bewahrt und gleichzeitig neue Instrumente nutzt, um Reserven resilienter gegenüber einer zunehmend komplexen Weltwirtschaft zu machen.
Quelle: crypto
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