Alltags-Phytochemikalien für Blutdruck und Gefäße

Dieser Artikel fasst aktuelle Studien zu Flavan‑3‑olen zusammen: Wie sie Blutdruck und Endothelfunktion verbessern, welche Lebensmittel reich an Flavan‑3‑olen sind und praktische Hinweise zur täglichen Aufnahme geben.

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Alltags-Phytochemikalien für Blutdruck und Gefäße

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Alltags-Phytochemikalien, die die Herzgesundheit unterstützen

Öffentliche Gesundheits‑Empfehlungen sagen oft „gesund essen“, doch die Umsetzung in konkrete, evidenzbasierte Lebensmittelentscheidungen fällt sowohl Klinikerinnen und Klinikern als auch der Bevölkerung nicht immer leicht. Jüngste systematische Auswertungen randomisierter Studien weisen nun auf eine klare und leicht zugängliche Strategie hin: Eine höhere Zufuhr von Flavan‑3‑olen, einer Gruppe pflanzlicher Inhaltsstoffe in alltäglichen Lebensmitteln, kann helfen, den Blutdruck zu senken und die Funktion der Blutgefäße zu verbessern.

Flavan‑3‑ole (auch Flavanole oder Catechine genannt) sind eine Untergruppe der Flavonoide, jene Sekundärstoffe, die Pflanzen zur eigenen Abwehr nutzen und die Früchten und Blättern Farbe und Geschmack verleihen. In der menschlichen Ernährung finden sich diese Verbindungen in Kakao und dunkler Schokolade, in grünem und schwarzem Tee, in Äpfeln, Trauben und vielen Beerenarten. Der leicht bittere oder adstringierende Geschmack von starkem Tee oder dunkler Schokolade ist häufig ein sensorisches Merkmal für einen höheren Flavan‑3‑ol‑Gehalt.

Wissenschaftlicher Hintergrund und Studiendaten

Das Interesse an Flavan‑3‑olen hat zugenommen, weil sowohl bevölkerungsbasierte Studien als auch randomisierte klinische Studien wiederholt Hinweise liefern, dass diese Verbindungen kardiovaskuläre Endpunkte beeinflussen können. Besonders hervorzuheben ist die COSMOS‑Studie (Cocoa Supplement and Multivitamin Outcomes Study) aus dem Jahr 2022, die mehr als 21.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer über mehrere Jahre verfolgte und in einem randomisierten Setting einen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Kakaoflavanolen und einer Reduktion der kardiovaskulären Mortalität um etwa 27 % berichtete.

Eine umfassende Metaanalyse fasste Daten aus 145 randomisierten kontrollierten Studien mit mehr als 5.200 Teilnehmenden zusammen, um speziell Effekte auf Blutdruck und Endothelfunktion zu bewerten. Die untersuchten Studien reichten von Einmalgaben bis hin zu Interventionen über Wochen oder Monate. Im Mittel nahmen die Teilnehmenden etwa 586 mg Flavan‑3‑ole pro Tag zu sich — das entspricht grob zwei bis drei Tassen Tee, ein bis zwei Portionen (ca. 56 g) dunkler Schokolade, zwei Esslöffeln Kakaopulver oder zwei bis drei Äpfeln täglich.

Die zusammengefassten Ergebnisse zeigten, dass regelmäßige Aufnahme von Flavan‑3‑olen den im Praxis‑Setting gemessenen systolischen Blutdruck im Mittel um 2,8 mmHg und den diastolischen Blutdruck um 2,0 mmHg senkte. Interessanterweise waren die Effekte bei Menschen mit erhöhtem Blutdruck oder diagnostizierter Hypertonie größer: Hier wurden systolische Reduktionen von 6–7 mmHg und diastolische Abnahmen bis zu 4 mmHg beobachtet. Solche Größenordnungen ähneln der Wirkung mancher erstlinigiger Antihypertensiva und bedeuten klinisch relevante Risikoreduktionen für Herzinfarkt und Schlaganfall, insbesondere wenn sie auf Populationsebene betrachtet werden.

Mechanismen: wie Flavan‑3‑ole auf Gefäße wirken

Labor‑ und Humanstudien deuten auf mehrere, sich ergänzende Wirkmechanismen hin. Flavan‑3‑ole scheinen die Endothelfunktion zu verbessern — gemessen als Flow‑Mediated Dilation (FMD), ein Indikator dafür, wie gut Blutgefäße auf erhöhten Blutfluss dilatieren — unter anderem durch die Förderung der Verfügbarkeit von Stickstoffmonoxid (NO) und durch Verringerung von oxidativem Stress sowie Entzündungsreaktionen in den Gefäßwänden. In den randomisierten Studien führte eine längerfristige Einnahme zu einer durchschnittlichen Verbesserung der FMD um etwa 1,7 %, eine Veränderung, die mit einem verringerten kardiovaskulären Risiko assoziiert ist.

Zusätzlich deuten experimentelle Daten darauf hin, dass Flavan‑3‑ole direkte Effekte auf glatte Gefäßmuskelzellen und Endothelzellen haben können, die Gefäßtonus und Gefäßremodeling beeinflussen. Antioxidative Eigenschaften, Modulation von Signalkaskaden und Hemmung proinflammatorischer Zytokine tragen wahrscheinlich zu den beobachteten hämodynamischen Effekten bei. Diese biologischen Mechanismen erklären, warum sowohl akute als auch chronische Zufuhr in Studien messbare Verbesserungen von Gefäßfunktionen hervorrufen kann.

Nahrungsquellen versus Nahrungsergänzung

In den untersuchten Studien wurden sowohl ganze Lebensmittel (Tee, Kakao, Trauben, Äpfel) als auch isolierte Verbindungen (zum Beispiel Epicatechin) verwendet. In der Summe zeigten die Studien mit ganzen Lebensmitteln tendenziell stärkere und konstantere Effekte als High‑Dose‑Präparate isolierter Flavan‑3‑ole. Dies lässt sich plausibel durch sogenannte Food‑Matrix‑Effekte erklären: Begleitende Pflanzenstoffe, Ballaststoffe und Mikronährstoffe in Vollwertkost können die Absorption verbessern und synergistisch mit Flavan‑3‑olen wirken.

Unerwünschte Wirkungen waren selten und meist mild, zum Beispiel vorübergehende gastrointestinale Beschwerden. Vor dem Hintergrund der aktuellen Evidenz erscheint die Aufnahme von Flavan‑3‑olen über eine abwechslungsreiche Ernährung sowohl sicherer als auch oft effektiver als die ausschließliche Verlass auf hochkonzentrierte Nahrungsergänzungsmittel — besonders bei Menschen, die bereits verschreibungspflichtige Medikamente einnehmen und bei denen mögliche Wechselwirkungen noch nicht vollständig untersucht sind.

Praktische Aufnahmeempfehlungen und Lebensmitteläquivalente

Die überprüften Studien deuten auf Nutzen bei einer täglichen Zufuhr von etwa 500–600 mg Flavan‑3‑olen hin. Realistische Kombinationen, um diese Mengen zu erreichen, können zum Beispiel so aussehen:

  • 2–3 Tassen grüner oder schwarzer Tee pro Tag
  • 1–2 Portionen (≈56 g) dunkle Schokolade (≥70 % Kakao) oder 2–3 Esslöffel ungesüßtes Kakaopulver
  • 2–3 Äpfel über den Tag verteilt plus Portionen Trauben, Birnen oder Beeren als Ergänzung

Kleine, dauerhaft umsetzbare Veränderungen — etwa ein zuckerhaltiger Snack wird durch einen Apfel und ein kleines Stück dunkle Schokolade ersetzt, oder eine zusätzliche Tasse Tee am Nachmittag — können die tägliche Flavan‑3‑ol‑Zufuhr in therapeutische Bereiche verschieben, ohne eine radikale Ernährungsumstellung zu erfordern. Da der Gehalt an Flavan‑3‑olen je nach Produkt, Sorte und Zubereitung stark variiert, ist regelmäßige Blutdruckselbstkontrolle zu Hause ein praktischer Weg, um individuell zu prüfen, ob die Anpassungen messbare Effekte bringen.

Limitationen, Sicherheit und Forschungslücken

Obwohl die Ergebnisse vielversprechend sind, bleiben wichtige Fragen offen. Die Evidenzlage bei Menschen mit Diabetes ist uneinheitlicher, und potenzielle Wechselwirkungen zwischen Flavan‑3‑ol‑Präparaten und verschreibungspflichtigen Medikamenten sind noch nicht umfassend charakterisiert. Langfristige Therapietreue, die optimale Dosierung für verschiedene Risikogruppen und die Frage, ob diätetische Flavan‑3‑ole zusätzliche Vorteile bringen, wenn sie mit körperlicher Aktivität oder anderen Lebensstilmaßnahmen kombiniert werden, sind relevante Themen für zukünftige randomisierte Studien.

Klinikerinnen und Kliniker sollten Lebensmittel mit hohem Flavan‑3‑ol‑Gehalt als ergänzende, evidenzbasierte Maßnahme zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos betrachten — nicht als generellen Ersatz für blutdrucksenkende Medikamente. Für viele Patientinnen und Patienten können jedoch moderate Ernährungsanpassungen eine kostengünstige, niedrigrisiko Ergänzung zu etablierten Präventions‑ und Behandlungsstrategien darstellen.

Expertinnen‑Einschätzung

„Die kumulierten Studiendaten sind überzeugend, wenn es darum geht, ernährungsbasierte Strategien zur Unterstützung der Gefäßgesundheit zu nutzen“, sagt Dr. Maria Alvarez, Kardiologin und klinische Forscherin. „Ein tägliches Muster, das Tee, Obst und moderate Mengen dunkler Schokolade einschließt, kann den Blutdruck ausreichend senken, um das kardiovaskuläre Risiko für viele Menschen messbar zu reduzieren. Es ist praktikabel, gut verträglich und passt zu breiteren Ernährungsempfehlungen.“

Dr. Alvarez betont außerdem, dass Blutdruckselbstmessung zu Hause und die Abstimmung mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt wichtig sind, wenn Personen ihre Ernährung ändern — insbesondere, wenn bereits blutdrucksenkende Medikamente eingenommen werden.

Folgen für die öffentliche Gesundheit

Bluthochdruck bleibt weltweit der führende vermeidbare Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen. Da bereits „erhöhte“ Werte (systolisch 120–139 mmHg) mit einem erhöhten Risiko verbunden sind, könnten gesundheitspolitische Strategien, die spezifische, evidenzbasierte Ernährungsempfehlungen enthalten, die Prävention auf Bevölkerungsebene verbessern. Flavan‑3‑ol‑reiche Lebensmittel sind in vielen Regionen weit verbreitet und oft preislich erschwinglich, weshalb sie realistische Bausteine für bevölkerungsweite Ernährungsempfehlungen zur Gefäß‑ und Herzgesundheit darstellen.

Fazit

Eine wachsende Evidenzbasis zeigt, dass die regelmäßige Zufuhr von flavan‑3‑ol‑reichen Lebensmitteln — wie Tee, Kakao, Äpfeln, Trauben und verwandten Früchten — den Blutdruck senken und die Endothelfunktion verbessern kann. Erreichbare Tagesdosen (etwa 500–600 mg) sind für viele Menschen durch einfache Ernährungsentscheidungen erreichbar. Obwohl diese Strategie nicht als genereller Ersatz für medizinische Therapien gedacht ist, sind flavan‑3‑ol‑reiche Lebensmittel eine praktikable, wissenschaftlich gestützte Ergänzung zu herzgesunden Ernährungsformen und zu umfassenden Maßnahmen zur Vorbeugung kardiovaskulärer Erkrankungen.

Quelle: sciencealert

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