Lamborghini setzt vorerst auf Hybride statt E-Autos

Lamborghini setzt weiterhin auf Plug-in-Hybride und behält Verbrennungsmotoren als Kernbestandteil seiner Identität. Der Artikel beleuchtet Modelle, Technik, Zeitpläne und den Vergleich mit Wettbewerbern in der Elektrifizierungsdebatte.

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Lamborghini setzt vorerst auf Hybride statt E-Autos

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Lamborghini bleibt vorerst den Verbrennungsmotoren treu

Der CEO von Lamborghini erklärt, dass die Marke aus Sant'Agata Bolognese weiterhin an Benzin-Plug-in-Hybriden forschen und Verbrennungsmotoren (ICE) auf Sicht behalten werde. Auf der Automobilausstellung in London sagte Stephan Winkelmann gegenüber der BBC, dass Kundinnen und Kunden nach wie vor "den Klang und den Nervenkitzel" von Verbrennungsmotoren suchen. Diese Antriebsarten würden für die Identität von Lamborghini mindestens im nächsten Jahrzehnt entscheidend bleiben.

Winkelmann betonte, dass das markentypische Erlebnis — Leistung, Akustik und unmittelbare Rückmeldung des Motors — weiterhin einen hohen Stellenwert bei der Zielgruppe hat. Für viele Lamborghini-Kunden ist nicht nur die Beschleunigung wichtig, sondern das kombinierte Erlebnis aus Sounddesign, mechatronischer Abstimmung und wahrnehmbarer Leistungsentfaltung. Genau diese Faktoren erklärt das Management als zentrale Argumente für die weitere Nutzung von Hochleistungs-Verbrennungsmotoren in Kombination mit elektrischer Unterstützung.

Warum Hybride, nicht sofort vollelektrisch

Winkelmann beobachtete eine Verschiebung im öffentlichen Interesse: Der anfängliche Enthusiasmus für reine Elektroautos habe sich abgekühlt, sodass sich strategische Möglichkeiten ergeben, auf Hybridtechnologie zu setzen. Lamborghini plant, kurzfristig endgültige Entscheidungen für seine Flaggschiff-Modelle zu treffen — darunter, ob der nächste Lanzador rein elektrisch oder als Plug-in-Hybrid angeboten wird.

„Wir müssen entscheiden, ob wir voll elektrisch gehen oder — angesichts veränderter Rahmenbedingungen — den hybriden Weg wählen“, sagte er. „Den Einsatz von Verbrennungsmotoren in den nächsten zehn Jahren fortzusetzen, ist für unseren Erfolg wesentlich.“ Das Unternehmen unterstreicht zugleich seine unternehmerische Verantwortung und weist darauf hin, dass Lamborghinis geringe Produktionszahlen seinen absoluten Umwelteinfluss im Vergleich zu Volumenherstellern begrenzen.

Technisch gesehen bieten Plug-in-Hybride eine flexible Brücke: Sie kombinieren leistungsfähige Verbrenner mit elektrischer Unterstützung für besseren Ansprechverhalten, kurzfristige elektrische Fahrten und reduzierte Verbrauchs- und Emissionswerte im urbanen Betrieb. Gleichzeitig erlauben sie Hochleistungs-Performance auf Strecken, bei der hohe thermische Belastungen und Ladezyklen an Batterien eine Herausforderung darstellen würden. Aus Sicht von Ingenieuren und Produktstrategen bedeutet das, dass Hybride derzeit ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Sportwagen-Performance und CO2-Reduktion liefern können.

Auf regulatorischer Ebene betrachtet Lamborghini die unterschiedlichen Fristen und Ausnahmeregelungen in verschiedenen Märkten. Während einige Staaten ehrgeizige Klima- und Flottengrenzwerte setzen, sind Horeca- und Premiummärkte mit geringen Stückzahlen oft flexibler reguliert. Dieser Mix aus Marktanforderungen und Kundenwünschen prägt die aktuelle Produktplanung.

Modellpalette, Leistung und Marktpositionierung

Als Teil des Volkswagen-Konzerns vertreibt Lamborghini aktuell ein kompaktes Portfolio, das traditionelle Supersportwagen-Dramaturgie mit schrittweiser Elektrifizierung verbindet. Die Modellpalette ist bewusst überschaubar, um Exklusivität, technische Differenzierung und hohe Margen zu erhalten.

  • Revuelto (Hybrid-Supersportwagen) — ein V12-Motor kombiniert mit elektrischer Unterstützung; kurzfristig rein elektrisches Fahren ist möglich, die elektrische Reichweite im EV-Modus ist jedoch begrenzt.
  • Weitere Hybrid-Flaggschiffe — Kombinationen aus Benzin- und Elektroantrieb, die Performance mit reduzierten Emissionswerten verbinden.
  • Urus SUV — erhältlich in klassischen Antriebsvarianten und als Hybrid; der Urus macht mehr als die Hälfte der Verkäufe von Lamborghini aus und sichert die wirtschaftliche Basis der Marke.

Die technische Strategie zeigt sich in konkreten Entscheidungen: Der Revuelto nutzt eine V12-Architektur mit elektromotorischer Unterstützung, die zusätzliche Leistung, sofortiges Drehmoment und elektrische Boost-Funktionen bereitstellt. Solche Systeme erfordern komplexe thermische Managementlösungen, Hochvolt-Elektrik und speziell abgestimmte Getriebesteuerungen, um die für Lamborghinis Anspruch nötige Schalt- und Fahrdynamik zu liefern.

Marktpositionierend spielt Lamborghini auf Exklusivität, Design und maximalen Fahrspaß, wobei der Fokus auf Leistungskennzahlen wie Beschleunigung, Spitzengeschwindigkeit und Längs-/Querdynamik liegt. Die Produktstrategie ist darauf ausgerichtet, Kundenerwartungen an Klang, Gewichtsdosierung und Fahrzeugcharakter zu erfüllen, während gleichzeitig moderne Emissions- und Verbrauchsanforderungen adressiert werden.

Vor Kurzem präsentierte die Marke zudem ein extrem exklusives Modell, den Fenomeno, limitiert auf nur 30 Einheiten, mit einer angegebenen Höchstgeschwindigkeit von über 345 km/h und einem Startpreis von rund 3,5 Millionen US-Dollar — ein klares Signal für Lamborghinis Fokus auf extreme Leistung und Exklusivität. Solche Ultra-Limited-Modelle dienen nicht primär dem Absatzvolumen, sondern der Markenbildung, technologischen Demonstration und Wertstabilität für Sammler.

Elektrische Pläne verschoben, aber nicht aufgegeben

Lamborghini hatte zuvor einen vollelektrischen Nachfolger des Urus ab 2029 angekündigt, doch dieses Projekt wurde verschoben. Branchenkenner gehen nun davon aus, dass ein rein elektrischer Urus wahrscheinlich nicht vor 2035 auf den Markt kommen wird. Die elektrische Zukunft des Lanzador-Supersportwagens ist ebenfalls ungewiss, während das Unternehmen weiterhin Kundennachfrage, regulatorischen Druck und technologische Abwägungen bewertet.

Die Verzögerungen haben mehrere Gründe: Batteriedichte und -gewicht, Ladeinfrastruktur für Hochleistungsanwendungen, thermisches Management bei hoher Belastung sowie die für Supersportwagen erforderlichen Leistungsspitzen stellen noch Herausforderungen dar. Zusätzlich beeinflussen wirtschaftliche Faktoren wie Investitionsvolumen, Return-on-Investment und Skaleneffekte die Entscheidung zwischen vollständiger Elektrifizierung und hybriden Lösungen.

Dennoch bleibt Elektromobilität Teil der mittelfristigen Roadmap: Forschung in Hochleistungs-Batterietechnologien, Leistungselektronik und schneller Ladeinfrastruktur wird fortgesetzt. Parallel dazu investiert Lamborghini in Materialforschung und Leichtbau, um die negativen Effekte hoher Batteriemassen zu minimieren. Die Kombination aus verbesserten Batteriezellen, optimierten Fahrzeugarchitekturen und hybriden Systemen soll langfristig den Übergang zu voller Elektrifizierung erleichtern.

Wie Lamborghini im Vergleich zu Wettbewerbern dasteht

Lamborghinis vorsichtiger Ansatz steht im Kontrast zu Ferrari, das plant, nächstes Jahr sein erstes vollelektrisches Modell, die "Elettrica", auf den Markt zu bringen, während gleichzeitig weiterhin Benzin- und Hybridfahrzeuge angeboten werden. Jaguar, Porsche und andere Hersteller verfolgen ebenfalls differenzierte Pfade: Einige setzen früh auf vollelektrische Supersportwagen, andere bevorzugen hybride Übergangslösungen.

Das größere regulatorische Umfeld spielt ebenfalls eine Rolle: EU und Großbritannien planen, den Verkauf neuer Benzin- und Diesel-Pkw, einschließlich vieler Hybridvarianten, ab 2035 zu verbieten — eine Frist, die Hochleistungsmarken zwingt, ihre Elektrifizierungsfahrpläne zu beschleunigen oder Ausnahmeregelungen und Nischenstrategien zu suchen. Diese politische Zielsetzung beeinflusst Zulieferketten, CO2-Flottenziele und die langfristige Produktplanung von Premium- und Luxusherstellern.

Aus Sicht der Wettbewerbspositionierung hat Lamborghini mehrere Stärken: eine starke Markenidentität, technische Kompetenz bei Hochleistungsantrieben, Zugang zu Konzernressourcen im Volkswagen-Konzern sowie eine treue, zahlungsbereite Kundschaft. Gleichzeitig steht die Marke vor der Herausforderung, technologischen Wandel so zu managen, dass Performance, Klang und Gewichtserlebnis nicht verloren gehen.

Zudem unterscheiden sich Kundensegmente: Käufer hochpreisiger Supersportwagen legen oft mehr Wert auf emotionale Faktoren als durchschnittliche Pkw-Käufer. Das eröffnet Lamborghinis Management die Möglichkeit, Hybride als Kompromiss zu positionieren, der sowohl Fahrspaß als auch reduzierte lokale Emissionen bietet.

Zitat: „Für unsere Kunden zählen Klang und Emotion — darum werden Hybride eine zentrale Rolle spielen,“ sagte Winkelmann. Diese Aussage fasst die derzeitige Philosophie zusammen: Hybride sollen das Markenerlebnis erhalten, während schrittweise technische Fortschritte in Richtung Null-Emissionen verfolgt werden.

Ob Lamborghinis Strategie sowohl Puristen als auch Regulierungsbehörden zufriedenstellen kann, bleibt abzuwarten. Vorrangig setzt die Marke derzeit auf einen hybriden Übergang, der die lärmende Vergangenheit mit einer elektifizierten Zukunft verbindet.

Aus technischer Perspektive bedeutet das: gezielte Weiterentwicklung von Hybrid-Topologien, Investitionen in leichtere Batteriegehäuse, Integration von 800-Volt-Systemen für höhere Leistungsdichten und Forschungsprojekte zu Festkörperzellen, die künftig eine höhere Energiedichte bei geringerem Gewicht ermöglichen könnten. Diese technologischen Baustellen sind zentral, um den Charakter von Supersportwagen trotz zunehmender Elektrifizierung zu erhalten.

Auch die Infrastrukturseite darf nicht vernachlässigt werden: Für Kunden, die hohe Leistungsreserven benötigen, sind schnelle Ladeoptionen und zuverlässige Batteriemanagementsysteme essenziell. Lamborghini betrachtet deshalb die Zusammenarbeit mit Ladeinfrastruktur-Anbietern, Energieversorgern und dem Mutterkonzern als wichtigen Faktor für die nächste Dekade.

Schließlich spielt die Nachhaltigkeitskommunikation eine Rolle: Obwohl Lamborghini aufgrund niedriger Stückzahlen einen vergleichsweise kleinen absoluten CO2-Fußabdruck hat, stellt sich das Unternehmen der öffentlichen Erwartung an transparente Emissions- und Lebenszyklus-Analysen. Maßnahmen wie CO2-Kompensation, nachhaltige Materialwahl und Kreislaufwirtschaft werden verstärkt in Produkt- und Marketingstrategien integriert, um langfristig Akzeptanz bei Kunden und Regulatoren zu sichern.

In der Summe bleibt Lamborghini eine Premiummarke, die versucht, die Balance zwischen Tradition und Innovation zu halten: Hybride als Brücke, Forschung und Entwicklung als Vorbereitung auf vollelektrische Optionen und eine Produktpolitik, die Leistung, Klang und Exklusivität bewahrt.

Quelle: smarti

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