Krypto-Marktstruktur: Bipartisaner Schwung im Senat

Coinbase-CEO Brian Armstrong sieht parteiübergreifende Unterstützung im Senat für ein Marktstrukturgesetz, das Rechtssicherheit, Stablecoin-Regeln und DeFi-Ausnahmen klären könnte. Ein Ausschussvotum ist für November möglich.

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Krypto-Marktstruktur: Bipartisaner Schwung im Senat

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Überblick: Bipartisaner Schwung im Senat

Coinbase-CEO Brian Armstrong sagte nach einer parteiübergreifenden Gesprächsrunde, dass das seit langem diskutierte Marktstrukturgesetz für Kryptowährungen im US-Senat über die Parteigrenzen hinweg beträchtliche Unterstützung gewonnen habe und dass Gesetzgeber innerhalb weniger Wochen den Text finalisieren und zur Abstimmung stellen könnten. Armstrong sprach mit Reportern nach einer Diskussion am 22. Oktober mit Senatoren der Demokraten sowie nach weiteren Treffen mit republikanischen Abgeordneten und teilte CNBC mit, dass die meisten wesentlichen Probleme offenbar geklärt seien und eine Ausschussabstimmung bereits im November möglich sei.

Die Aussage Armstrongs unterstreicht die aktuelle Dynamik in Washington in Bezug auf Krypto-Regulierung und Marktstruktur. In der Praxis würde ein solcher Zeitplan bedeuten, dass politische Entscheidungsträger sich gezielt auf definierte Standards für Handel, Verwahrung (Custody) und Listing von digitalen Vermögenswerten einigen müssten. Diese politische Bewegung ist für Unternehmen, Investoren und Dienstleister im Bereich digitale Vermögenswerte von großer Bedeutung, da sie regulatorische Unsicherheit reduzieren und die Grundlage für institutionelle Beteiligung schaffen kann.

Zeitplan und Vergleiche mit früheren Gesetzen

Nach Angaben von Armstrong strebt der zuständige Senatsausschuss an, das Marktstrukturgesetz noch vor der Thanksgiving-Pause voranzubringen, mit dem Ziel, Auswirkungen auf den Markt zu erzeugen, die mit dem durch den GENIUS Act im Juli 2025 geschaffenen Rahmen vergleichbar sind. Der GENIUS Act hatte zu einem unmittelbaren Anstieg bei der Nutzung von Stablecoins und einer breiteren Akzeptanz USD-gestützter Token im Krypto-Ökosystem geführt. Branchenbeobachter sehen in einem klaren Marktstrukturrahmen das Potenzial, die institutionelle Adoption und die Teilnahme der breiten Öffentlichkeit ähnlich zu beschleunigen.

Ein solches Vorhaben würde nicht nur innerhalb der USA Konsequenzen haben, sondern auch internationale Signale senden: Gut ausgestaltete Gesetze können ein Wettbewerbsumfeld schaffen, in dem US-Fintech-Firmen und Börsen bei Standards für Compliance, Verwahrung und Handel führend sind. Gleichzeitig erzeugen sie Vorgaben, an denen sich globale Marktteilnehmer orientieren, was grenzüberschreitende Dollar-transaktionen und die Nutzung von USD-stabilen Token erleichtern kann.

Warum das Timing wichtig ist

Die Verabschiedung umfassender Marktstrukturregeln für Krypto noch vor Jahresende würde sowohl Regulierungsbehörden als auch Marktteilnehmern einen klareren Pfad für Verwahrung, Handel und die Listung digitaler Vermögenswerte bieten. Für Börsen, Verwahrer und institutionelle Investoren schafft rechtliche Klarheit die Voraussetzung, damit Kapitalströme freigesetzt, Compliance-Frameworks aufgebaut und regulatorische Arbitragemöglichkeiten reduziert werden können.

Ein wichtiger praktischer Effekt wäre die Möglichkeit, dass Depot- und Verwahrungsdienstleister verbindliche Betriebsstandards etablieren, die Vertrauen bei Pensionsfonds, Vermögensverwaltern und Banken schaffen. Zudem könnte ein abgestimmtes Regelwerk die Entwicklung von Produktklassen wie tokenisierten Unternehmensanleihen oder Fondsanteilen erleichtern, indem es eindeutige Kriterien für Zulassung, Reporting und Risikomanagement bereitstellt.

Armstrong betonte, dass eine zeitnahe Abstimmung im Senat es ermöglichen könnte, dass die Fassungen des Repräsentantenhauses und des Senats schnell zusammengeführt werden und das Gesetz zügig dem Präsidenten zur Unterschrift vorgelegt werden kann. Ein beschleunigter Prozess hat allerdings auch das Potenzial, Detailfragen offen zu lassen, die später durch regulatorische Auslegung oder gerichtliche Verfahren geklärt werden müssten.

Coinbase-Position: unterstützend, aber vorsichtig

Coinbase hat öffentlich die übergeordneten Ziele des entstehenden Marktstrukturgesetzes unterstützt und sieht dieses als entscheidenden Schritt zu regulatorischer Klarheit, der groß angelegte institutionelle Investments in Kryptowährungen ermöglichen, die Marktinfrastruktur stärken und den Verbraucherschutz verbessern könnte. Zugleich hat das Unternehmen Bedenken gegenüber bestimmten Entwurfsbestimmungen geäußert, die unbeabsichtigt dezentrale Finanzplattformen (DeFi), Protokoll-Innovationen auf Protokollebene und die frei zugängliche (permissionless) Entwicklung behindern könnten.

Die Balance, die Coinbase fordert, zielt darauf ab, klare, praxistaugliche Regeln für zentralisierte Akteure zu definieren — beispielsweise Verwahrer, Broker und regulierte Handelsplätze — ohne jedoch dezentralen Protokollen ein unverhältnismäßiges Maß an Compliance-Auflagen aufzuerlegen, das deren Funktionsweise und Innovationspotenzial einschränken würde. In den Gesprächen mit Gesetzgebern betonte die Firma wiederholt, dass differenzierte Regulierungsansätze notwendig sind, um technologischen Fortschritt und Verbraucherschutz zu vereinen.

Regulatorische Klarheit versus Überregulierung

Die zentrale Spannung für Coinbase und andere Branchenakteure besteht darin, die richtige Balance zwischen klaren regulatorischen Vorgaben und zu weitreichenden Regeln zu finden, die Protokolle und Frontend-Dienste im DeFi-Bereich mit hohen Compliance-Belastungen belegen würden. Coinbase argumentiert, dass sich Durchsetzungsmaßnahmen und präskriptive Anforderungen auf zentralisierte Verwahrer, Broker und Handelsplätze konzentrieren sollten, während Regeln vermieden werden sollten, die dezentralen Protokollen einen unverhältnismäßigen Nachteil auferlegen.

Besonders wichtig für Marktteilnehmer ist eine eindeutige Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der Securities and Exchange Commission (SEC) und der Commodity Futures Trading Commission (CFTC). Ohne klare Aufgabenteilung bleibt die Rechtslage unsicher, was wiederum Investitionsentscheidungen hemmt und operative Risiken für Marktinfrastrukturbetreiber erhöht. Ein kohärenter Rahmen würde Zuständigkeiten, Meldepflichten und Aufsichtsstandards definieren, etwa welche Token als Wertpapier nach Howey-Test-ähnlichen Kriterien gelten und welche als Waren oder andere Vermögensklassen einzustufen sind.

Darüber hinaus umfasst die Debatte technische und operative Aspekte: Von Standards für die sichere Verwahrung privater Schlüssel über Audit-Anforderungen für Smart Contracts bis hin zu Reporting- und Transparenzpflichten für On-Chain-Transaktionen. Diese Fragen sind relevant für die praktische Umsetzbarkeit von Regulierungsstandards und für die Frage, wie stark Regulierer in die technische Architektur von DeFi eingreifen sollten.

Geleakter DeFi-Text und Reaktionen der Branche

Anfang des Monats war ein Entwurf der Demokraten online aufgetaucht, der vorgeschlagene Maßnahmen enthielt, die DeFi-Plattformen betreffen würden. Dieses Leck löste schnelle Kritik bei Händlern, Gründern und Führungskräften der Branche aus, die warnten, der Entwurf könnte große Teile des dezentralen Ökosystems einschränken. Armstrong bezeichnete den geleakten Entwurf als ein schlechtes Proposal, das das amerikanische Innovationspotenzial im Krypto-Bereich gefährden könnte.

Nach Treffen mit Senatoren der Demokraten machte er deutlich, dass der geleakte Text nicht als finale oder ernsthafte Position des Ausschusses behandelt werden solle. Solche Leaks können jedoch politischen Schaden anrichten, weil sie Unsicherheit erzeugen und Lobbydruck verstärken — sowohl vonseiten der Industrie als auch von Interessengruppen, die strengere Regeln fordern.

Was Coinbase schützen will

Coinbase hat wiederholt auf die Notwendigkeit hingewiesen, DeFi als Raum für offene Innovation zu erhalten, während gleichzeitig zentrale Dienste unter robusten Verbraucherschutzstandards arbeiten müssen. Das Unternehmen fordert, dass regulatorische Maßnahmen zentralisierte Intermediäre ins Visier nehmen sollten, wenn es um Verwahrungsregeln, Anti-Geldwäsche-Maßnahmen (AML) und die Einhaltung von Wertpapiergesetzen geht, anstatt dieselben strengen Anforderungen 1:1 auf Smart Contracts und permissionless Protokolle anzuwenden, die technisch und funktional anders arbeiten als Börsen oder Verwahrer.

Praktisch bedeutet dies, dass Governance-Strukturen, Haftungsregeln und Verantwortlichkeiten klar definiert werden müssen: Wer haftet bei einem fehlerhaften Smart Contract? Welche Standards gelten für Oracle-Anbieter, Liquiditäts-Pools oder für Frontend-Betreiber, die Schnittstellen zu Protokollen bereitstellen? Coinbase plädiert für differenzierte Antworten, die Technologieverständnis und Risikoabschätzung berücksichtigen.

Gleichzeitig betont die Firma, dass Schutzmaßnahmen für Nutzer nicht vernachlässigt werden dürfen: Transparenzpflichten, Sicherheitsstandards, Versicherungslösungen für Custody und klare Verfahren für Incident-Response sind zentrale Elemente, um Verbrauchervertrauen zu stärken, ohne die Innovationsfähigkeit von Open-Source-Protokollen zu ersticken.

Auswirkungen auf Märkte und Stablecoins

Befürworter des Marktstrukturgesetzes argumentieren, dass gut gestaltete Gesetzgebung die Rolle der USA in der globalen Digital-Asset-Ökonomie stärken könne. Die Erfahrungen mit dem GENIUS Act zeigten, wie rechtliche Rahmensetzungen das Wachstum von Stablecoins und dollar-denominierten grenzüberschreitenden Aktivitäten befördern können. Ein vergleichbarer Rahmen für Marktstruktur könnte die Verbreitung USD-gestützter Stablecoins fördern, die Liquidität an Handelsplätzen verbessern und institutionellen Investoren einen klareren Weg für Verwahrung und Handel tokenisierter Vermögenswerte unter definierten Regeln bieten.

Für Stablecoins sind drei Kernfragen relevant: 1) Reserven- und Transparenzanforderungen (z. B. Prüfungen, Reservehaltung), 2) Einordnung als Zahlungsinstrument oder Wertpapier, und 3) grenzüberschreitende Abwicklungsregeln. Gesetzliche Klarheit in diesen Bereichen kann die Nutzung von Stablecoins in DeFi, bei Zahlungsdienstleistungen und als Brückenwährung im internationalen Handel stabilisieren.

Investorenvertrauen und institutionelle Beteiligung

Klar definierte Regeln können die Ambivalenz bei Banken, Vermögensverwaltern und Pensionsfonds reduzieren, die bislang beim Eintritt in Kryptomärkte aufgrund ungeklärter rechtlicher Definitionen und des Risikos regulatorischer Durchgriffe zurückhaltend waren. Indem der Kongress festlegt, welche Vermögenswerte unter Wertpapiergesetze fallen und welche als Commodities oder andere Assetklassen gelten, kann er Institutionen die regulatorische Sicherheit geben, die sie benötigen, um konforme Produkte, Verwahrungslösungen und Handelsstrategien zu entwickeln.

Institutionelle Investoren legen neben rechtlicher Klarheit auch Wert auf Marktintegrität, Liquidität und die Verfügbarkeit sicherer Verwahrungsoptionen mit Versicherungs- und Risikomanagementkomponenten. Gesetzliche Vorgaben, die diese Elemente fördern, schaffen Anreize für ein nachhaltiges Wachstum des Marktes und reduzierten Systemsrisiken.

Darüber hinaus beeinflussen Regulierungsstandards Custody-Technologien: Multi-Sig-Lösungen, MPC (Multi-Party Computation), Hardware-Sicherheitsmodule (HSM) und On-Chain-Privatkey-Management werden in den Fokus rücken, wenn gesetzliche Mindestanforderungen an Verwahrer definiert werden. Dies hat direkte Auswirkungen auf Dienstleister, die institutionelle Grade von Sicherheit und Auditierbarkeit anbieten wollen.

Ausblick: Ausschussabstimmung im November und nächste Schritte

Armstrong äußerte Optimismus, dass der Senatsausschuss im November über einen Entwurf abstimmen könne, was den Weg für eine mögliche Zusammenführung mit dem bereits parteiübergreifend unterstützten House Clarity Bill ebnen würde. Falls beide Kammern zu einer Einigung gelangen, würde das Marktstrukturgesetz dem Präsidenten zur Unterzeichnung vorgelegt werden und könnte so einen neuen regulatorischen Standard für die Krypto-Märkte in den Vereinigten Staaten setzen.

Der weitere Verlauf umfasst mehrere Phasen: Ausschussabstimmungen, mögliche Änderungsanträge, Verhandlungen zwischen Haus und Senat (Conference) und schließlich die Unterschrift des Präsidenten. Auf jeder Ebene können Stakeholder Einfluss nehmen — durch schriftliche Stellungnahmen, direkte Gespräche mit Gesetzgebern, und öffentlichkeitswirksamen Lobbying-Kampagnen. Auch Gerichtsverfahren bleiben eine Option, falls Marktteilnehmer bestimmte Bestimmungen als verfassungs- oder rechtswidrig ansehen.

Worauf zu achten ist

Marktteilnehmer werden mehrere Schlüsselpunkte genau beobachten: die endgültige Sprache zu DeFi und zur Haftung von Protokollen, mögliche Ausnahmen oder Sonderregelungen für dezentrale Anwendungen, den rechtlichen Rahmen für Stablecoins und USD-gestützte Token sowie eine klare Zuordnung der Aufsicht zwischen SEC und CFTC. Die konkrete Ausgestaltung dieser Elemente wird entscheidend dafür sein, ob das Gesetz von der Branche breit akzeptiert wird oder eine neue Welle von Lobbyarbeit und Rechtsstreitigkeiten auslöst.

Weitere wichtige Beobachtungspunkte umfassen:

  • Definitionen: Wie werden „Verwahrer“, „Broker“, „Handelsplatz“ und „Protokoll“ legal definiert?
  • Haftung: Welche Haftungsregelungen gelten für Entwickler, Betreiber und Drittanbieter im DeFi-Ökosystem?
  • Durchsetzung: Welche Sanktionen und Aufsichtsmechanismen sollen gelten und wie wird die Durchsetzung zwischen SEC und CFTC koordiniert?
  • Internationale Folgen: Wie interagiert das US-Recht mit EU- und asiatischen Regulierungen, etwa MiCA in Europa?

Für den Moment ist die öffentliche Haltung von Coinbase ein Mix aus Unterstützung für regulatorische Klarheit und aktivem Widerstand gegen Bestimmungen, die DeFi übermäßig einschränken könnten. Während der legislativen Entwicklung werden Branchenakteure, Regulierungsbehörden und Gesetzgeber prüfen, ob der gefundene Kompromiss ein wettbewerbsfähiges, innovationsfreundliches Umfeld für die nächste Phase der Entwicklung der Krypto-Märkte schafft.

Insgesamt bleibt zu betonen: Selbst bei zügiger Gesetzgebung werden viele operative Details anschließend durch Regulierungsleitlinien, technische Standards und Gerichtsentscheidungen ausgefüllt. Marktteilnehmer sollten sich daher parallel auf Lobby- und Compliance-Arbeit, technische Robustheit und die Entwicklung von Best-Practice-Standards konzentrieren, um sowohl rechtlich als auch operativ breit aufgestellt zu sein.

Quelle: crypto

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