9 Minuten
Branchenführer starten einheitliche Standards für Blockchain-Zahlungen
Sieben führende Krypto-Unternehmen haben sich zusammengeschlossen, um einen einheitlichen Standard für Cross-Chain-Stablecoin-Transfers und Blockchain-Zahlungen zu entwickeln. Fireblocks, die Solana Foundation, die TON Foundation, Polygon Labs, die Stellar Development Foundation, Mysten Labs und Monad Foundation gaben die Gründung des Blockchain Payments Consortium (BPC) bekannt. Das Konsortium hat sich zum Ziel gesetzt, einen gemeinsamen Rahmen zu schaffen, der die Interoperabilität zwischen Blockchain-Netzwerken verbessert und die Daten- sowie Compliance-Erwartungen der traditionellen Finanzwelt in Einklang bringt.
Diese Initiative zielt darauf ab, technische und regulatorische Brücken zu schlagen, sodass Banken, Zahlungsdienstleister und Unternehmen die Vorteile von Stablecoins und programmierbaren Zahlungen nutzen können, ohne auf proprietäre oder isolierte Lösungen angewiesen zu sein. Indem klare Vorgaben für Metadaten, Zahlungsnachrichten und Compliance-Primitiven definiert werden, soll eine gemeinsame Grundlage entstehen, auf der interoperable Zahlungsrails aufgebaut werden können.
Warum das für grenzüberschreitende Zahlungen und Stablecoins wichtig ist
Die Aktivität bei Stablecoin-Transfers stieg 2024 deutlich an: Nach Adjustierungen verzeichnete Artemis Terminal in den vergangenen 30 Tagen Transaktionsvolumina in Höhe von 3,7 Billionen US-Dollar und ein Jahresvolumen von rund 27,6 Billionen US-Dollar für 2024. Dieses jährliche Volumen übertraf die kombinierte Abwicklungskapazität von Visa und Mastercard um etwa 7,7 %, was verdeutlicht, wie Blockchain-Rails globale Zahlungen und Remittances neu ordnen.
Trotz dieses Wachstums stehen Anbieter und Nutzer vor erheblichen Hürden: Fragmentierung, uneinheitliche Datenformate und mangelnde Compliance-Standards erschweren die breite Akzeptanz von Blockchain-Zahlungen im Mainstream. Ohne einheitliche Standards bleiben viele Cross-Chain-Transfers ineffizient, teuer oder regulatorisch riskant — insbesondere bei grenzüberschreitenden Zahlungen, bei denen AML/KYC-Anforderungen, Meldestandards und Reporting eine zentrale Rolle spielen.

Brücke zwischen Blockchain und traditionellem Finanzwesen
Das Manifest des BPC betont die Notwendigkeit, Blockchain-Ökosysteme enger mit traditionellem Finanzwesen und regulatorischen Anforderungen zu verzahnen. Durch die Festlegung eines konsistenten, interoperablen Rahmens für Transaktionsdaten und Compliance hofft das Konsortium, Reibungsverluste zu reduzieren und Finanzinstitutionen, Unternehmen sowie Zahlungsanbietern die Entwicklung von Systemen zu ermöglichen, die grenzüberschreitend und netzwerkübergreifend reibungslos funktionieren.
In praktischer Hinsicht bedeutet das die Schaffung von gemeinsamen Datenstandards (ähnlich ISO 20022 für traditionelle Zahlungen), standardisierten Metadatenfeldern bei Token-Transfers sowie eindeutigen Zahlungsnachrichten, die sowohl auf Layer-1- als auch auf Layer-2-Netzwerken verstanden werden. Solche Standards erleichtern die Automatisierung von Compliance-Checks, verbessern das Monitoring und reduzieren den manuellen Aufwand bei Reporting-Prozessen.
Weiterhin wirkt einheitliche Metadaten- und Nachrichtenstrukturierung sich positiv auf Liquiditätsmanagement und Settlement-Mechanismen aus: Wenn Zahlungsinformationen zuverlässig überbrückt werden können, lassen sich Netting-Mechanismen, On-chain-Kontengruppen und automatisierte Abwicklungsprozesse effizienter gestalten — was zu niedrigeren Kosten und schnelleren Ausführungszeiten führt.
Wichtige Ziele des Konsortiums umfassen:
- Standardisierung von Metadaten und Zahlungsnachrichten für Cross-Chain-Stablecoin-Transfers
- Reduktion von Kosten und Beschleunigung der Abwicklungsgeschwindigkeit bei grenzüberschreitenden Überweisungen
- Schaffung gemeinsamer Compliance-Primitiven zur Vereinfachung regulatorischer Abstimmungen
- Verbesserte Interoperabilität zwischen verschiedenen Blockchains und Zahlungsrails
Diese Ziele adressieren sowohl technische als auch regulatorische Aspekte: Auf technischer Seite geht es um Token-Standards (z. B. ERC-20, SPL), Brückenprotokolle, Bridge-Sicherheitsmodelle, Atomic Swaps und messaging-layer-Standards. Auf regulatorischer Seite steht die Vereinheitlichung von Datenfeldern im Vordergrund, damit AML- und Reporting-Anforderungen automatisiert, nachvollziehbar und einheitlich umgesetzt werden können.
Im Kontext von Cross-Chain-Lösungen spielen außerdem Konzepte wie Message Passing, Relayer-Architekturen und verifizierbare Off-Chain-Datenfeeds (Oracles) eine Rolle. Ein interoperabler Standard macht es möglich, dass unterschiedliche Chains (z. B. Solana, Ethereum-Varianten, TON, Stellar, Polygon, Sui) konsistente Zahlungs- und Compliance-Informationen austauschen, ohne dass jede Partei proprietäre Mapping-Tabellen pflegen muss.
Reaktion der Branche und nächstes Vorgehen
Führungskräfte aus den beteiligten Organisationen betrachteten die Initiative als einen essentiellen Schritt zur Reifung des Sektors für Krypto-Zahlungen. Raja Chakravorti, Chief Business Officer der Stellar Development Foundation, beschrieb die Allianz als wichtigen Schritt, um Blockchain-Zahlungen zu professionalisieren und zu skalieren. Fireblocks hob hervor, dass das Fehlen einer gemeinsamen Sprache für Blockchain-Zahlungen eine Quelle von Fragmentierung und nicht ausgeschöpftem Potenzial ist.
Source: Fireblocks
Ran Goldi, Senior Vice President of Payments bei Fireblocks, betonte, dass die Mainstream-Akzeptanz in den vergangenen 18 Monaten an Tempo gewonnen habe und Zahlungen damit in den Vordergrund der Blockchain-Anwendungsfälle gerückt seien. Er argumentierte, dass koordinierte Branchenstandards und engere Kooperationen notwendig sind, um das Wachstum zu tragen, wenn zunehmend etablierte Finanzinstitute und Zahlungsdienstleister in den Markt eintreten.
Als nächste Schritte sind folgende Maßnahmen zu erwarten: die Definition technischer Spezifikationen, Pilotprojekte mit Mitgliedsunternehmen und Partnerbanken, die Entwicklung von Referenzimplementierungen (SDKs, APIs) für Entwickler und Betreiber sowie die Einrichtung von Governance-Prozessen, um den Standard offen und erweiterbar zu halten. Offene Testnetze und Interoperabilitäts-Forschung werden voraussichtlich genutzt, um die Praxistauglichkeit und Sicherheitsaspekte der definierten Primitiven zu prüfen.
Ein weiterer relevanter Punkt ist die Einbindung von Zahlungsnetzwerken und Clearinghäusern: Nur wenn Zahlungsdienstleister und Banken den Standard verstehen und unterstützen, kann sich dieser neben bestehenden SWIFT- oder Karten-basierten Infrastrukturen positionieren. Gleichzeitig müssen Schnittstellen zu On-/Off-Ramps (Fiat-Gateways) robust und regulatorisch konform gestaltet werden, damit Stablecoins tatsächlich als praktikable Zahlungsinstrumente dienen können.
Auswirkungen für Nutzer und Aufsichtsbehörden
Für Unternehmen und Verbraucher könnte die Arbeit des Konsortiums in günstigere und schnellere grenzüberschreitende Transfers sowie in vorhersehbarere Compliance-Verfahren münden. Einheitliche Datenformate erleichtern die Automation von KYC/AML-Prüfungen, reduzieren Rückfragen und beschleunigen die Abwicklung. Für Remittances und B2B-Zahlungsflüsse bedeutet das niedrigere Gebühren, geringere Fehlerraten und schnellere Liquiditätszirkulation.
Für Regulierungsbehörden bietet ein konsistenter Rahmen die Chance, die Aufsicht zu vereinfachen, indem klare Transaktionsdaten und Berichtspraktiken etabliert werden. Das erhöht die Transparenz, macht die Überwachung algorithmisch umsetzbar und kann die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben wie dem FATF-Travel-Rule-Ansatz erleichtern. Gleichzeitig bleibt die Herausforderung, dass globale Regulierungsrahmen unterschiedlich schnell angepasst werden — was einen koordinierten, internationalen Ansatz erfordert.
Im Idealfall reduzieren standardisierte Protokolle operationelle Risiken, ohne die für Blockchains charakteristische Geschwindigkeit und Programmierbarkeit zu beeinträchtigen. Dafür müssen robuste Sicherheitstests, Formalverifikationen von Smart Contracts und Audits von Brückenprotokollen integraler Bestandteil der Implementierung sein. Zusätzlich sind Revisions- und Monitoring-Funktionen notwendig, damit Aufsichtsbehörden und Compliance-Teams verdächtige Muster erkennen können, ohne legitime Zahlungen unangemessen zu verzögern.
Praktische Beispiele für Vorteile:
- Remittance-Anbieter können stablecoin-basierte Rails nutzen, um Zahlungsmittel in Minuten statt Tagen zu transferieren.
- Unternehmen mit globaler Lieferkette profitieren von automatisierten Zahlungsfreigaben gekoppelt an Liefernachweise (Supply-Chain-Finance, On-chain-Invoicing).
- FinTechs können standardisierte APIs nutzen, um einfacher in verschiedene Blockchains zu integrieren und so Produktentwicklungskosten zu senken.
Risiken und offene Fragen bleiben jedoch bestehen: Sicherheit von Bridges, rechtlicher Status von Stablecoins in verschiedenen Jurisdiktionen, Konsumentenschutz, sowie die tatsächliche Akzeptanz durch Banken und Zahlungsdienstleister. Die Interaktion mit bestehenden Clearance- und Settlement-Systemen muss so gestaltet werden, dass doppelte Risiken vermieden werden.
Technische Details und Standards — was zu erwarten ist
Ein praktikabler Standard für Blockchain-Zahlungen umfasst mehrere Ebenen:
- Datenschema und Metadaten: Ein vordefiniertes Set an Feldern für Sender, Empfänger, Zweck, Referenzen, Gebührenaufteilung und Compliance-Kennzeichnungen (z. B. AML-Tags).
- Nachrichtenformat und Protokolle: Spezifikation, wie Zahlungsnachrichten serialisiert, signiert und übermittelt werden — kompatibel zu bestehenden Standards, inkl. JSON/CBOR-Encodings für on-chain/off-chain-Kommunikation.
- Compliance-Primitives: Standardisierte Mechanismen für KYC-Verweise, Proof-of-Compliance, und Audit-Logs, die regulatorische Anforderungen einfacher abbilden.
- Sicherheitsanforderungen: Empfehlungen zu Schlüsselmanagement, Multi-Signaturen, Threshold-Signatures (TSS), sowie Anforderungen an Bridge-Operatoren und Relayer.
- Interoperabilitäts-Schichten: Definition von Adapter- oder Wrapping-Mechanismen, damit unterschiedliche Token-Standards und Chain-Mechanismen kompatibel agieren können.
Auf Protokollebene könnten Konzepte wie “messaging-layer abstractions”, standardisierte Event-Taxonomien und Konventionen für Fee-Handling definiert werden. Ebenso sind Metriken und Monitoring-Standards zu erwarten, die Leistungskennzahlen (Latenz, Durchsatz, Fehlerrate) sowie Sicherheitsmetriken (Shelve-Rate, Exploit-Fälle) abbilden.
Die Implementierung könnte durch offizielle Open-Source-Referenzimplementierungen begleitet werden, die Entwicklern SDKs in mehreren Sprachen, Beispiel-APIs und Testdaten bereitstellen. Solche Ressourcen beschleunigen die Akzeptanz und verringern Integrationskosten für Wallet-Anbieter, Zahlungsdienstleister und Banken.
Wirtschaftliche und regulatorische Positionierung
Die wirtschaftliche Relevanz der Initiative liegt in der Möglichkeit, Stablecoins als leistungsfähige Alternative oder Ergänzung zu bestehenden Zahlungsinfrastrukturen zu etablieren. Für Institutionen ergibt sich eine Chance, Kosten für grenzüberschreitende Zahlungen deutlich zu senken, während neue Geschäftsmodelle (z. B. On-chain-Abrechnung, programmierbare Subventionen, Micropayments) besser realisierbar werden.
Regulatorisch eröffnet ein einheitlicher Standard die Option, Compliance-Prozesse zu harmonisieren. Behörden könnten via standardisierte Reporting-Schnittstellen effizienter Daten anfordern, was die Bearbeitungszeiten verkürzt und grenzüberschreitende Ermittlungen erleichtert. Dennoch bleibt die Abstimmung zwischen nationalen Rechtsrahmen eine kritische Erfolgsbedingung.
Aus strategischer Sicht kann das BPC als katalytische Plattform dienen, um Stakeholder an einen Tisch zu bringen: Netzwerke, Wallet-Anbieter, Banken, Regulatoren und Zahlungsdienstleister. Dabei entscheidet sich, ob das Ergebnis ein offener, dezentraler Standard wird oder ob proprietäre Erweiterungen die Interoperabilität wieder einschränken.
Fazit und Ausblick
Insgesamt repräsentiert das Blockchain Payments Consortium einen pragmatischen Vorstoß, das steigende Volumen an Stablecoins und Cross-Chain-Aktivitäten in breit nutzbare Zahlungsrails zu überführen, die sowohl kommerziellen als auch regulatorischen Anforderungen genügen. Wenn die Initiative erfolgreich ist, könnten Unternehmen und Verbraucher von schnelleren, günstigeren und transparenteren grenzüberschreitenden Zahlungen profitieren.
Entscheidend wird sein, wie offen der Entwicklungsprozess bleibt, wie streng Sicherheits- und Compliance-Anforderungen umgesetzt werden und in welchem Maße traditionelle Finanzakteure die neuen Standards adaptieren. Technische Referenzimplementierungen, klare Governance-Regeln und ein kooperativer Austausch mit Regulatoren sind Schlüssel, um die Potenziale von Stablecoins und Blockchain-Interoperabilität nachhaltig zu realisieren.
Das BPC steht somit an einem Schnittpunkt von Technologie, Regulierung und Geschäftsmodell-Innovation. Beobachter sollten die Veröffentlichungen technischer Spezifikationen, angekündigte Pilotprojekte und Partnerschaften der Gründungsmitglieder sowie die Reaktionen von Banken und Aufsichtsbehörden in den kommenden Monaten genau verfolgen, um die Realisierbarkeit und den Einfluss der vorgeschlagenen Standards auf die globale Zahlungslandschaft beurteilen zu können.
Quelle: cointelegraph
Kommentar hinterlassen