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Schweiz startet Vernehmlassung zu Stablecoins
Die Schweiz hat eine öffentliche Vernehmlassung eröffnet, in der ein spezieller Regulierungsrahmen für Stablecoins unter der Aufsicht der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) vorgeschlagen wird. Der Entwurf sieht eine neue Lizenzkategorie für Emittenten von wertstabilen, blockchain-basierten Token vor und lädt die Branche sowie die Öffentlichkeit dazu ein, bis Februar 2026 Stellungnahmen zu Designfragen und operativen Anforderungen einzureichen. Diese Initiative zielt darauf ab, Rechtsklarheit zu schaffen und gleichzeitig Innovationen im Bereich Krypto-Regulierung, Zahlungsinstrumente und tokenisierte Märkte zu fördern.
Die Vernehmlassung ist als offener Dialog konzipiert: Sie soll sowohl technische als auch rechtliche Aspekte berücksichtigen, darunter Anforderungen an Reserven, Governance-Strukturen, Transparenzpflichten und operative Resilienz. Zu den erwarteten Beiträgern gehören Emittenten von Stablecoins, Banken, Verwahrstellen (Custodians), Zahlungsdienstleister, Rechts- und Wirtschaftsprüfungsfirmen sowie zivilgesellschaftliche Organisationen, die Fragen des Verbraucherschutzes und der Geldpolitik verfolgen. Durch diesen Prozess will die Schweiz einen ausbalancierten Ansatz erreichen, der wirtschaftliche Chancen mit systemischer Sicherheit verbindet.
Why the move matters for crypto and the Swiss franc
Beobachter der Branche werten die Vernehmlassung als einen wichtigen Schritt zur Formalisierung der Stablecoin-Emission in einem der weltweit anerkanntesten Finanzzentren. Ein klarer Lizenzrahmen könnte die Einführung tokenisierter Märkte in der Schweiz beschleunigen, indem er tokenisiertes Geld bereitstellt, das eine nahtlose Abwicklung digitaler Wertpapiere, Anleihen und sonstiger tokenisierter Vermögenswerte ermöglicht. Stabil etablierte, regulierte Stablecoins können zudem Transaktionskosten senken, Settlement-Zyklen verkürzen und die Interoperabilität zwischen Blockchain-Netzwerken und traditionellen Finanzinfrastrukturen verbessern.
Ein weiterer Aspekt, der häufig genannt wird, betrifft die Reputation und die Geldpolitik: Einige Experten vertreten die Auffassung, dass angemessen regulierte Stablecoins das Vertrauen in den Schweizer Franken stärken können, indem sie zuverlässige, auf den Franken oder andere hochwertige Referenzwerte gestützte Zahlungsinstrumente bereitstellen. Dies könnte die monetäre Souveränität und die Stabilität des Finanzsystems unterstützen, sofern klare Regeln zu Deckung, Einlösungspflichten und Aufsichtsmechanismen etabliert sind. Gleichzeitig betonen Zentralbanken und Regulatoren die Notwendigkeit, Risiken wie Marktintegration, Korrelationen mit traditionellen Finanzmärkten und mögliche Auswirkungen auf die Geldpolitik zu überwachen.
Key elements of the draft framework
Der Vorschlag sieht eine spezifische Lizenz für Institute vor, die als Zahlungsinstrumentenanbieter fungieren und wertstabile Token ausgeben. Emittenten müssten ihre Token vollständig mit hochwertigen, liquiden Aktiva (high-quality liquid assets, HQLA) hinterlegen, die Reserven müssten strikt getrennt von anderen Unternehmensvermögen gehalten werden, und es wäre die Veröffentlichung eines von der FINMA genehmigten Whitepapers vorgeschrieben, das wesentliche Informationen zu Token-Design, Reservezusammensetzung, Rückgabe- und Einlösungsmechanismen sowie zu Governance- und Risiko-management enthä lt.
Die Anforderung einer vollständigen Deckung zielt darauf ab, Vertrauen bei Investoren und Nutzern zu schaffen: Nur wenn ein Stablecoin jederzeit durch liquide, zuverlässige Vermögenswerte gedeckt ist, kann ein Stabilitätsversprechen glaubwürdig eingehalten werden. Die vorgeschriebene Trennung der Reserven (Segregation) dient dem Schutz der Inhaber gegen Gläubigeransprüche gegenüber dem Emittenten und erhöht die Transparenz gegenüber Aufsichtsbehörden. Das Whitepaper fungiert als standardisierte Offenlegungspflicht, die Marktteilnehmern, Intermediären und Aufsichtsbehörden klare Informationen über Risiken, Geschäftsmodell und Liquiditätsmanagement liefert.
Weitere zentrale Elemente des Entwurfs sind technische und operationelle Anforderungen: Risikomanagementsysteme für Liquiditätsrisiken, interne Kontrollmechanismen, Anforderungen an die Verwahrung (Custody) von Reserven, Prüfpflichten durch externe Wirtschaftsprüfer sowie Mindestanforderungen an IT-Sicherheit und Business-Continuity. Zusätzlich werden Anforderungen an die Governance der Emittenten genannt, etwa klare Verantwortlichkeiten, Compliance-Richtlinien zur Bekämpfung von Geldwäsche (AML/KYC) und Tests für die Interoperabilität mit bestehenden Zahlungsinfrastrukturkomponenten.

Zu den weiteren bemerkenswerten Bestimmungen im Entwurf gehören eine verpflichtende 60-tägige Meldefrist gegenüber der FINMA vor einem Marktstart sowie eine rechtliche Garantie, dass Tokeninhaber Stablecoins kurzfristig zum Nennwert zurückgeben können. Diese Frist soll der Aufsicht die Möglichkeit geben, die Marktvorbereitung, die technische Infrastruktur und die rechtlichen Dokumente zu prüfen, bevor ein Produkt in den Markt gelangt. Die Rücknahmepflicht auf Nennwert ist eine Kernvoraussetzung, um das Vertrauen in die Stabilität von Stablecoins zu sichern und Arbitrageströme oder Panikverkäufe zu vermeiden.
Der Entwurf präzisiert zudem die Behandlung von Offshore-Stablecoins: Token, die im Ausland ausgegeben werden und lediglich in der Schweiz gehandelt werden, würden als Krypto-Assets reguliert und nicht als gesetzliche Zahlungsinstrumente eingestuft. Ausländische Emittenten müssten demnach nicht zwangsläufig ihre Reser ven in der Schweiz lagern oder dort eine Niederlassung gründen, sofern sie keine inländische Emission vornehmen. Diese Unterscheidung schafft Rechtssicherheit für internationale Akteure und ermöglicht es der Schweiz, zwischen inländischen Emissionen – die strenger reguliert werden – und grenzüberschreitendem Handel zu differenzieren.
Existing context and market adoption
Stablecoins sind bereits seit Jahren ein praktischer Bestandteil des Schweizer Krypto-Ökosystems und finden Verwendung im Zahlungsverkehr, E-Commerce, der kommunalen Steuererhebung sowie bei grenzüberschreitenden Abwicklungen. Bislang unterlagen Stablecoins allgemeinen schweizerischen Rechtsvorschriften wie dem Banken- und dem Geldwäschereigesetz, ohne jedoch eine spezifisch auf Zahlungsinstrumente zugeschnittene Lizenzierung zu besitzen. Dies führte zu Unsicherheiten in Bezug auf die rechtliche Einordnung, aufsichtsrechtliche Kontrolle und aufsichtsrechtliche Pflichten, insbesondere für Emittenten, Banken und Verwahrstellen, die Stablecoins in ihren Dienstleistungsportfolios integrieren wollen.
Die FINMA hat bereits Leitlinien veröffentlicht, die sich auf das Risikomanagement von Stablecoin-Emittenten konzentrieren. Darüber hinaus haben mehrere lizenzierte Schweizer Banken und Verwahrstellen – darunter Sygnum, SEBA und Amina – Stablecoins in Verwahr- und Abwicklungsdienste sowie in institutionelle Lösungen eingebunden. Diese frühe Adoption durch regulierte Institute hat dazu beigetragen, praktikable Modelle für Custody, Settlement und Compliance zu entwickeln, die als Grundlage für die neue Lizenzarchitektur dienen können.
Marktteilnehmer berichten von konkreten Einsatzfällen, bei denen Stablecoins Vorteile gegenüber traditionellen Zahlungswegen bieten: schnellere grenzüberschreitende Überweisungen, geringere Gebühren bei Mikrotransaktionen und automatisierbare Settlements via Smart Contracts. Gleichzeitig zeigen Pilotprojekte mit tokenisierten Anleihen und Wertpapieren, dass «Cash on chain» – also tokenisierte, liquide Mittel in Blockchains – eine Grundvoraussetzung für effiziente, automatisierte Abwicklungslösungen darstellt. Ohne verlässliche, rechtlich abgesicherte Stablecoins bleibt die Skalierung solcher Märkte erschwert.
Voices from the industry and global context
Experten sehen in der sorgfältigen, schrittweisen Schweizer Vorgehensweise Vorteile. Indem die Schweizer Gesetzgeber bestehende Regulierungsmodelle aus der EU, den USA und anderen krypto-affinen Jurisdiktionen analysieren, können sie bewährte Ansätze übernehmen und frühe regulatorische Fehltritte vermeiden. Dieser Vergleich mit internationalen Rahmenwerken fördert zudem Interoperabilität und Wettbewerbsfähigkeit, weil Marktteilnehmer Planungssicherheit erhalten und grenzüberschreitende Geschäftsmodelle besser abbilden können.
Branchenvertreter betonen, dass ein regulierter Stablecoin-Markt essentiell ist, um tokenisierte Anlageklassen zu skalieren: Nur mit vertrauenswürdigem, auf Chain verfügbarem Geld lassen sich tokenisierte Anleihen, Aktien und andere Digital Assets effizient emittieren, handeln und abwickeln. Regulierungen, die klare Anforderungen an Reserven, Audits, Governance und Verbraucherrechte stellen, stärken das Marktvertrauen und können institutionelle Investitionen erleichtern. Für Verwahrstellen und Banken schafft eine eindeutige Lizenzbasis die rechtliche Grundlage, Stablecoins als Teil ihres Dienstleistungsspektrums zu integrieren.
Weltweit ringen Aufsichtsbehörden um Standards für fiat-gestützte Stablecoins. Die Dynamik hat sich nach großen legislativen Entwicklungen wie dem in den USA diskutierten GENIUS Act beschleunigt, der föderale Regeln für die Herausgabe von Stablecoins vorsieht. Weitere wichtige Jurisdiktionen – darunter die EU mit ihrem MiCA-Rahmenwerk, Japan, das Vereinigte Königreich, Singapur und Hongkong – arbeiten an eigenen, teils parallelen Regulierungen, die Emission, Verwahrung, Rücknahme und Reserveanforderungen adressieren. Dieser regulatorische Wettlauf schafft Dringlichkeit für konsistente, international abgestimmte Standards, um regulatorische Arbitrage zu vermeiden und Finanzstabilität zu sichern.
Die internationale Entwicklung beeinflusst die Schweizer Debatte substantiell: Erkenntnisse aus Pilotprojekten, Bankenpraktiken und Aufsichtsentscheidungen im Ausland fließen in den Diskussionsprozess ein und ermöglichen eine evidenzbasierte Gestaltung lokaler Regeln. Gleichzeitig kann die Schweiz durch ihre starke Finanzdienstleistungsbranche und ihr robustes Aufsichtsregime zum attraktiven Standort für regulierte Stablecoin-Emittenten werden, sofern sie einen konkurrenzfähigen, aber robusten Rahmen schafft.
Next steps and timeline
Die Vernehmlassung läuft bis Februar 2026. Nach Ablauf der Einsprachefrist wird erwartet, dass die Schweizer Behörden die Rückmeldungen sichten, den Gesetzesentwurf gegebenenfalls überarbeiten und anschließend die endgültige Gesetzgebung zu verabschieden beginnen. Die Implementierung würde Phasen umfassen: rechtliche Verankerung, Detailregelungen durch die FINMA, die Festlegung technischer Standards sowie Übergangsfristen für bestehende Marktteilnehmer.
Falls das neue Lizenzregime angenommen wird, würde es Emittenten, Intermediären und institutionellen Teilnehmern größere rechtliche Klarheit bieten. Zugleich könnte es die Schweiz als wettbewerbsfähigen Standort für regulierte Stablecoins und tokenisierte Finanzmärkte positionieren, da Unternehmen mit klaren Anforderungen und erwartbaren Aufsichtspraktiken rechnen können. Von besonderer Bedeutung sind hierbei praktische Ausgestaltungen wie die Anforderungen an externe Prüfungen der Reserven, Meldepflichten, Back-up-Pläne für Notfälle und Interventionsmechanismen der Aufsicht.
Für Krypto-Interessengruppen, Marktteilnehmer und politische Entscheidungsträger bietet die Vernehmlassung die Chance, praktische Regeln für Reserven, Governance, Verbraucherschutz und operationelle Resilienz mitzugestalten. Mit einer klaren Regulierung will die Schweiz Innovationen fördern, ohne die monetäre Sicherheit und Marktintegrität zu gefährden. Langfristig könnte eine transparente, verlässliche Regulierung das Vertrauen in Stablecoins und die Akzeptanz tokenisierter Zahlungslösungen erhöhen, was wiederum Kapitalflüsse, technologische Investitionen und die Entwicklung neuer Finanzprodukte begünstigt.
Insgesamt signalisiert die Initiative der Schweizer Behörden ein bewusstes Bemühen, technologische Innovationen mit robusten Aufsichtsprinzipien zu verbinden. Die kommenden Monate werden zeigen, wie die Rückmeldungen aus Industrie, Wissenschaft und Öffentlichkeit in konkrete Regelungen münden und welche technischen sowie rechtlichen Präzisierungen erforderlich sind, um Stablecoins als sicheres, effizientes und konformes Zahlungsmittel im Schweizer Finanzsystem zu etablieren.
Quelle: crypto
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