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Eine Serie von drei koronalen Massenauswürfen (CMEs) bewegt sich auf die Erde zu, und Modellrechnungen deuten darauf hin, dass sie bei ihrer Ankunft miteinander kollidieren könnten. Wenn schnellere CMEs langsamere, zuvor gestartete Eruptionen überholen, verschmelzen sie zu sogenannten „kannibalischen“ CMEs — kombinierten Ausbrüchen, die die geomagnetischen Auswirkungen verstärken und auffällige Polarlichter hervorbringen können. Diese Konstellation ist aus Sicht des Weltraumwetters besonders relevant, weil die Wechselwirkung der Plasmafronten sowohl die Magnetfeldstärke als auch die Dauer der Störung am erdnahen Raum erhöhen kann.
Warum sich diese CMEs wie kosmische „Kannibalen" verhalten
Nicht alle Sonneneruptionen sind gleich. Ein später gestarteter CME kann deutlich höhere Geschwindigkeiten erreichen als ein zuvor abgegangener, langsamerer Auswurf. Trifft ein schnelleres CME auf ein langsameres, tritt eine komplexe physikalische Wechselwirkung ein: die vorausgehende Plasmafront wird komprimiert, Schockwellen bilden sich, und die Magnetfelder der einzelnen Eruptionskörper können sich rekombinieren oder ineinander verwickeln. In der Folge entsteht eine verschmolzene Struktur mit größerer magnetischer Energie und längerer dynamischer Wirksamkeit. Für die Erde bedeutet das: stärkere magnetische Feldkomponenten, längere Intervalle mit starkem Südrichtungsanteil des Interplanetaren Magnetfeldes (Bz-negativ), größere Schub- und Schockfronten sowie ausgeprägtere Scherpinnen im Teilchentransport.

Wie das mit dem G5-Ereignis im Mai 2024 zusammenhängt
Der spektakuläre G5-geomagnetische Sturm im Mai 2024 wurde durch ein dreifach verschmolzenes, „kannibalisches“ CME verursacht. Dieses historische Ereignis demonstrierte sehr anschaulich, wie die Kombination mehrerer Ausbrüche die Raumwetterwirkung deutlich potenzieren kann: Satellitenmanöver, verstärkte Ionosphärenstörungen und großflächig sichtbare Polarlichter als Folge starker Magnetfeldkopplung traten damals auf. Die Analyse jener Ereignisse zeigt, dass vor allem die Orientierung des interplanetaren Magnetfelds (insbesondere ein lang anhaltender südlicher Bz-Anteil), die Schockstärke der vorderen Schale (Sheath) und die Gesamtdauer der erhöhten Magnetfeldstärke entscheidend für die Intensität eines geomagnetischen Sturms sind. Aktuelle Vorhersagemodelle legen nahe, dass sich das nun beobachtete Tripel nahe der Erdbahn einholen könnte, sodass die Erde potentiell direkt von einer kombinierten, energiereichen Ejektionsmasse getroffen wird — ein Szenario, das ein hohes Raumwetter-Risiko signalisiert.
Was zu erwarten ist: Polarlichter, Zeitfenster und Sicherheit
Wenn die Modelle zutreffen, könnten in den Nächten nach dem Eintritt der CME-Kombination die Polarlichter (Aurora borealis auf der Nordhalbkugel, Aurora australis auf der Südhalbkugel) deutlich weiter von den Polkappen aus sichtbar sein als sonst. Sichtbarkeit bis in mittlere Breiten ist möglich, abhängig von der realen Stärke des geomagnetischen Sturms (Kp-Index / G-Skala). Für die Mehrheit der Bevölkerung sind solche Polarlichtshows ein beeindruckendes, weitgehend ungefährliches Naturereignis und eine seltene Gelegenheit für Amateurastronomen und Fotografen. Gleichzeitig können starke geomagnetische Stürme aber technische Systeme beeinflussen: Satelliten können durch erhöhte Strahlung und veränderte Bahndynamik beeinträchtigt werden, Hochfrequenzfunkdienste (HF), Navigation (GPS) und drahtgebundene Infrastruktur wie Stromnetze können in Extremfällen gestört werden. Deshalb beobachten spezialisierte Agenturen wie das NOAA Space Weather Prediction Center (SWPC), der europäische Raumfahrtservice der ESA und regionale Beobachtungszentren die Lage fortlaufend, geben Warnhinweise heraus und koordinieren gegebenenfalls schützende Maßnahmen.

- Achten Sie auf amtliche Warnmeldungen von Weltraumwetterzentren wie NOAA SWPC, dem europäischen Space Weather Service der ESA und regionalen Observatorien; diese Quellen veröffentlichen Vorabinformationen, Prognosen zum Eintreffzeitfenster und konkrete Handlungsempfehlungen für kritische Infrastrukturen.
- Fotografen: Bereiten Sie sich auf Langzeitbelichtungen vor, wählen Sie lichtarme Standorte fernab von Städten und denken Sie an warme Kleidung und ausreichend Akku-/Akkupuffer. Ein Stativ, weitwinkelige Objektive und Kameraeinstellungen für niedrige ISO-Werte bei längeren Belichtungszeiten erhöhen die Chancen auf eindrucksvolle Aufnahmen der Aurora.
- Allgemein: Genießen Sie die Erscheinungen sicher — Polarlichter sind am besten an klaren, trockenen Nächten zu sehen und weit ab von störenden Lichtquellen; planen Sie zudem flexibles Beobachtungsfenster ein, da lokale Wolken den Sichtkontakt verhindern können.
Bleiben Sie warm und informiert, und wenn der Himmel aufklart, nutzen Sie die Gelegenheit, eines der eindrucksvollsten Naturphänomene zu erleben. Meteorologisch–ionosphärische Bedingungen, die Orientierung des eingehenden Magnetfelds und die tatsächlichen Wechselwirkungen der CME-Fronten bestimmen jedoch letztlich Intensität und Dauer der Störungen — deshalb ist laufende Beobachtung durch Fachstellen essenziell, sowohl zur Vorhersage von Polarlichtern als auch zum Schutz technischer Systeme im Weltraumwetter-Szenario.
Quelle: sciencealert
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