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Gigantische Viren in den Ozeanen: Eine neue Dimension der marinen Biodiversität entdeckt

Gigantische Viren in den Ozeanen: Eine neue Dimension der marinen Biodiversität entdeckt

2025-06-16
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Eine verborgene Welt wird sichtbar: Die Entdeckung riesiger Viren in den Meeren

Ein bedeutender Fortschritt in der marinen Mikrobiologie und Virologie gelang einem internationalen Forscherteam unter der Leitung von Benjamin Minch, Meeresbiologe, und Mohammad Moniruzzaman, Virologe – beide an der University of Miami. Mit Hilfe modernster Computertechnologien analysierten die Wissenschaftler genetisches Material aus weltweit gesammelten Meerwasserproben. Im Rahmen dieser umfassenden Studie identifizierten sie 230 bislang unbekannte Riesenvieren, was unser Verständnis von ozeanischer Artenvielfalt und den zugrundeliegenden Prozessen in marinen Ökosystemen deutlich erweitert.

Wissenschaftlicher Kontext: Die marine Virosphäre begreifen

Viren sind die am häufigsten vorkommenden biologischen Einheiten in der Meeresumwelt – jeder Tropfen Meerwasser enthält Millionen davon. Während Viren, die Bakterien infizieren (Bakteriophagen), bereits intensiv erforscht wurden, haben erst die in den letzten Jahrzehnten entdeckten Riesenvieren mit ihren außergewöhnlich großen Genomen und komplexen Strukturen das wissenschaftliche Weltbild verändert. Diese neu entdeckten Riesenvieren befallen vorwiegend Protisten, eine vielfältige Gruppe einzelliger Organismen, zu denen unter anderem Algen, Amöben und Flagellaten zählen. Die Erforschung dieser Virus-Wirt-Beziehungen ist von zentraler Bedeutung, da Protisten als Basis der marinen Nahrungsketten fungieren und eine entscheidende Rolle bei der Sauerstoffproduktion spielen.

Zentrale Erkenntnisse und Auswirkungen auf die Meeresökologie

Die Entdeckung dieser riesigen Viren wurde durch moderne Genomsequenzierung und speziell entwickelte Software ermöglicht, die es erlaubte, virale Sequenzen aus umfangreichen genetischen Datensätzen von anderer mikrobieller DNA zu unterscheiden. Neben der Katalogisierung von 230 bisher unbekannten Riesenvieren spürte das Team 569 neue funktionale Proteine auf. Neun dieser Proteine stehen im Zusammenhang mit der Photosynthese – einem Prozess, den Viren nutzen können, um Energie aus ihren Wirten zu gewinnen.

"Wir fanden heraus, dass riesige Viren Gene tragen, die an essentiellen zellulären Funktionen wie Kohlenstoffstoffwechsel und Photosynthese beteiligt sind – Aufgaben, die bisher ausschließlich zellulären Organismen zugeschrieben wurden", erklärt Minch. Diese Erkenntnis deutet darauf hin, dass Riesenvieren einen erheblichen Einfluss auf den Stoffwechsel ihrer Wirte während einer Infektion ausüben und so auch Nährstoffkreisläufe und biogeochemische Abläufe im Meer mitgestalten könnten.

Moniruzzaman ergänzt: "Ein besseres Verständnis der Vielfalt und der Interaktionen dieser Viren mit Meeresalgen könnte dazu beitragen, schädliche Algenblüten – eine weltweite Bedrohung für Gesundheit und Umwelt – vorherzusagen und abzumildern."

Von besonderer Bedeutung ist die Einteilung der entdeckten Viren in zwei Hauptordnungen: Imitervirales und Algavirales. Imitervirales zeichnen sich durch eine besonders komplexe genetische Ausstattung und flexible Lebenszyklen aus, was ihnen die Infektion einer breiteren Palette von Wirten ermöglicht – ein wichtiger Faktor für ökologische Prognosen und die Prävention von Krankheiten.

Technologischer Fortschritt und zukünftige Perspektiven

Das rasche Wachstum von Genomdatenbanken in Verbindung mit präziseren Analysewerkzeugen hat die Entdeckung und Klassifikation neuer Viren maßgeblich vereinfacht. Diese Technologien fördern nicht nur das Verständnis der marinen mikrobiellen Vielfalt, sondern unterstützen auch die Überwachung der Umweltgesundheit sowie das Erkennen wassergetragener Krankheitserreger und Schadstoffe.

Minch betont: "Unsere Studie hat eine solide Grundlage geschaffen, um Methoden für den Nachweis bislang unbekannter Viren zu verbessern. Das ist unerlässlich für das Monitoring von Umweltverschmutzung und neu auftretenden Krankheitserregern in aquatischen Lebensräumen."

Die aktuelle Forschung verdeutlicht zudem, dass wir bisher nur einen Bruchteil der enormen Virenvielfalt in den Ozeanen kennen. Angesichts von Millionen noch unentdeckter Viren versprechen weitere Studien tiefere Einblicke in marine Ökosysteme, deren Widerstandsfähigkeit und ihren Einfluss auf globale Prozesse wie Klimasteuerung und Sauerstoffproduktion.

Fazit

Die beispiellose Entdeckung von Hunderten Riesenvieren in den Ozeanen erweitert nicht nur unser Wissen über marine Biodiversität, sondern revolutioniert auch das Verständnis von Virus-Wirt-Interaktionen, der Gesundheit der Ozeane und der globalen Stoffkreisläufe. Mit dem Fortschritt der Technologien werden Wissenschaftler diese verborgene Virosphäre immer genauer erforschen und dadurch neue Möglichkeiten zum Schutz wichtiger Ökosysteme und zur Bewältigung ökologischer Herausforderungen schaffen.

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