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Verstehen, wie Katzen ihre Menschen identifizieren
Können Katzen ihre Besitzer genauso gut erkennen wie Hunde? Hauskatzen gelten häufig als unabhängig und geheimnisvoll, doch aktuelle wissenschaftliche Studien zeigen, wie tief die Bindung zwischen Mensch und Katze wirklich sein kann – besonders im Bereich der sensorischen Wahrnehmung. Eine wegweisende Studie, veröffentlicht im Fachjournal PLOS One von Forschern der Tokyo University of Agriculture, legt nahe, dass Katzen hauptsächlich den Geruch und nicht das Aussehen nutzen, um ihre Bezugspersonen von Fremden zu unterscheiden.
Die Wissenschaft hinter der Katzen-Erkennung
Mehr als nur visuelle Wahrnehmung
Frühere Untersuchungen belegten, dass lediglich rund 54 % aller Hauskatzen Menschen allein anhand ihres Gesichts zuverlässig identifizieren können. Im Gegensatz zu Hunden, die über Jahrtausende hinweg auf das Lesen menschlicher Gesten und Mimik gezüchtet wurden, entwickelten sich Katzen als überwiegend einzelgängerische und selbstständige Jäger. Dieser evolutionäre Hintergrund erklärt, weshalb visuelle Hinweise bei der sozialen Erkennung für Katzen weniger entscheidend sind. Dennoch verbinden sich Katzen eng mit ihren Menschen, lernen deren Namen und entwickeln sogar spezielle Kommunikationssignale.
Die entscheidende Rolle des Geruchssinns
Das Team um Yutaro Miyairi an der Universität Tokio untersuchte, ob Geruch eine größere Bedeutung bei der Wiedererkennung von menschlichen Bezugspersonen für Katzen spielt. Dafür wurden im Rahmen eines kontrollierten Experiments 30 Katzen drei unterschiedlichen Geruchsproben ausgesetzt – aus der Achselhöhle, hinter dem Ohr und zwischen den Zehen – die entweder von ihrem Hauptmenschen oder einer fremden Person stammten. Als neutrale Kontrolle diente ein leerer Kunststoffröhrchen, das gemeinsam mit den Geruchsproben angeboten wurde.

Wichtige Ergebnisse: Den Vertrauten am Geruch erkennen
Die Resultate sind aufschlussreich für die Verhaltensforschung: Die Mehrheit der Katzen verbrachte deutlich weniger Zeit damit, am Geruch ihrer Bezugsperson zu schnuppern als an dem einer fremden Person oder am Kontrollröhrchen. Das kurze Interesse deutet auf eine schnelle Wiedererkennung hin – die Katze kann ihren Menschen anhand seines individuellen Duftes sofort identifizieren und muss daher nicht länger „nachforschen“. Einen fremden Geruch hingegen prüften die Stubentiger viel eingehender. Dieses Verhalten erinnert an soziale Gruppen von Katzen, in denen die Tiere ebenfalls mehr Zeit mit der Untersuchung neuer Gerüche verbringen als mit bekannten Artgenossen oder ihren Jungen.
Folgen für die Mensch-Katze-Beziehung
Die Studie zeigt, dass Menschen fest in das soziale Gefüge ihrer Katzen eingebunden sind, nicht nur als Versorger, sondern auch – ähnlich wie andere Katzen – als durch Geruch bekannte Gruppenmitglieder. Katzen nutzen den Geruchssinn damit so wie untereinander: zur Stärkung von Bindungen und dem Erhalt des Zusammenhalts im Haushalt.
Neurologie der Geruchserkennung bei Katzen
Ein weiterer Fund der Studie betrifft die neurologische Seite der Geruchswahrnehmung. Den Forschern fiel auf, dass die Katzen für vertraute Düfte wie den ihres Besitzers meist das linke Nasenloch (also die linke Gehirnhälfte) bevorzugten, während sie bei unbekannten Gerüchen öfter das rechte Nasenloch einsetzten. Eine solche Gehirn-Lateralisation ist auch von Hunden bekannt und deutet darauf hin, dass Katzen verschiedene Hirnareale für die Verarbeitung neuer und bekannter Reize einsetzen - ein Zeichen ausgeprägter sensorischer Unterscheidungsfähigkeit und kognitiver Anpassung.

Der Geruchssinn als kommunikatives Hauptinstrument bei Katzen
Katzen sind in viel stärkerem Maße als Menschen auf ihren Geruchssinn angewiesen. Durch Markieren mit Duftstoffen sowie gegenseitiges Putzen, Wangenreiben oder das Teilen von Schlafplätzen etablieren sie soziale Netzwerke, markieren ihr Territorium und erkennen potenzielle Bedrohungen oder Neuankömmlinge. Vertraute Gerüche senken das Stressniveau und fördern Wohlbefinden. Für Katzenhalter bedeutet das: Wer nach einer Abwesenheit auf Alltagskleidung oder gewohnte Pflegeprodukte setzt, erleichtert seinem Tier die Wiedergewöhnung durch den vertrauten Eigengeruch.
Ausgiebiges Schnuppern an Gästen ist dabei kein Zeichen von Vorliebe oder Abneigung, sondern Ausdruck von Neugier und Informationssammlung. Verbringt eine Katze mehr Zeit mit dem Geruch eines Besuchers als mit dem ihres Besitzers, signalisiert das lediglich: Ihr Mensch duftet ihr längst vertraut.
Fazit
Die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse geben spannende Einblicke in die Wahrnehmung und das Verhalten unserer Hauskatzen. Sie zeigen, dass der Geruchssinn eine zentrale Rolle bei der Erkennung und Bindung zwischen Katze und Halter einnimmt. Mit jedem Tag wächst unser Wissen über die kognitive Welt der Tiere. Klar ist: Katzen sind keineswegs gleichgültig, sondern nutzen komplexe Sinnes- und Gehirnprozesse, um Menschen fest in ihren sozialen Kosmos zu integrieren. Wer das Verhältnis zu seinem Stubentiger vertiefen will, kann mit seinem natürlichen Duft für eine sichere, gewohnte Umgebung sorgen.
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