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Selbstheilender Beton: Fortschritte durch synthetische Flechten in der nachhaltigen Bauindustrie

Selbstheilender Beton: Fortschritte durch synthetische Flechten in der nachhaltigen Bauindustrie

2025-06-01
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Wissenschaftliche Hintergründe: Die Herausforderung der Betondauerhaftigkeit

Beton ist heute aus der modernen Infrastruktur nicht mehr wegzudenken und wird für seine hohe Festigkeit, Vielseitigkeit und einfache Verarbeitung geschätzt. Dennoch bleibt seine natürliche Sprödigkeit eine große Herausforderung für Bauingenieure und Materialwissenschaftler. Die geringe Zugfestigkeit von Beton führt dazu, dass er im Laufe der Zeit durch Belastungen, Witterungseinflüsse oder alltäglichen Verschleiß zu Rissbildung neigt. Diese Risse beeinträchtigen nicht nur die Sicherheit, sondern verkürzen auch die Lebensdauer von Bauwerken, was zu kostenintensiven Reparaturen und einer höheren CO2-Bilanz im Bauwesen führt.

Die Entwicklung von selbstheilendem Beton

Seit Jahrzehnten forschen Wissenschaftler an Lösungen zur Verbesserung der Haltbarkeit von Beton und haben selbstheilende Materialien als innovative Antwort entwickelt. Frühe Versuche konzentrierten sich häufig auf den Einsatz von Bakterien, die mineralische Substanzen zur Rissfüllung ausschütten. Obwohl diese Ansätze vielversprechend waren, erforderten sie meist eine manuelle Versorgung der Mikroorganismen mit Nährstoffen, die oft von Wartungsteams appliziert werden mussten, um die Reparaturfähigkeit aufrechtzuerhalten. „Mikrobielle Selbstheilung im Beton ist bereits seit mehr als drei Jahrzehnten Gegenstand intensiver Forschung“, erklärt Dr. Congrui Grace Jin, Maschinenbauingenieurin an der Texas A&M University, die die aktuellen Entwicklungen anführt. „Doch bisher existiert kein wirklich autonomes System, denn alle Ansätze benötigen zusätzliche Nährstoffe, damit die Mikroorganismen Reparaturmaterial produzieren.“

Innovative Lösung: Synthetische Flechten ermöglichen vollständig autonome Selbstheilung

Ein bahnbrechendes neues Verfahren, das von Nisha Rokaya von der University of Nebraska-Lincoln und Dr. Jin entwickelt wurde, nutzt das Potenzial eigens konstruierter synthetischer Flechten. Im Gegensatz zu bakterienbasierten Methoden setzen Flechten sich aus einer Symbiose von Pilzen und photosynthetischen Cyanobakterien oder Algen zusammen. In dieser Innovation werden Cyanobakterien eingesetzt, die Kohlendioxid und Stickstoff direkt aus der Luft aufnehmen, während ein speziell ausgewählter Pilz ionisiertes Calcium sammelt und die Bildung von Calciumcarbonat anregt – dem widerstandsfähigen mineralischen Material, das z.B. in Eierschalen, Muscheln, Korallen oder Kreide vorkommt.

Wie synthetische Flechten Betonschäden reparieren

In kontrollierten Laborstudien bewiesen die entwickelten Flechten die Fähigkeit, vollkommen autonom erhebliche Mengen Calciumcarbonat in Risse des Betons einzulagern. Dadurch werden getrennte Betonteile wieder miteinander verbunden und eine fortschreitende Schädigung verhindert. Dieser Prozess erinnert an antike römische Techniken, deren langlebiger Beton teils der natürlichen Mineralbildung über Jahrhunderte zu verdanken ist. Im Unterschied zu bisherigen Methoden auf Bakterienbasis benötigt das Flechtensystem keinerlei externe Nährstoffe, wodurch Wartungsaufwand und Kosten deutlich gesenkt werden.

Bedeutung und Zukunftsperspektive

Der erfolgreiche Nachweis der flechtenbasierten Selbstheilung stellt einen bedeutenden Fortschritt für nachhaltige Baustoffe dar. „Unsere Ergebnisse verdeutlichen das Potenzial zur Entwicklung eines stabilen, phototroph-heterotrophen Systems für kontinuierliche und selbstständige Betoninstandsetzung“, so das Forscherteam, „bei dem zwei unterschiedliche Organismenarten kooperieren und externe Nährstoffe entbehrlich werden.“ Zwar muss die Technik noch weiter getestet werden – insbesondere hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bei bestehenden und größeren Schäden –, doch dieses Verfahren könnte die Lebensdauer wichtiger Infrastrukturen wesentlich verlängern und den ökologischen Fußabdruck durch Betonherstellung und -instandhaltung reduzieren.

Fazit

Die Entwicklung von „lebendem Beton“, der durch Integration synthetischer Flechten Risse eigenständig heilt, markiert einen zukunftsweisenden Fortschritt für Materialwissenschaft und nachhaltigen Bau. Angesichts steigender Urbanisierung und wachsender Anforderungen an Infrastruktur versprechen Innovationen wie diese nicht nur sicherere und widerstandsfähigere Städte, sondern unterstützen auch klimafreundliche Bauweisen für die Zukunft.

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