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Ein antikes Rätsel gelüftet: Das Geheimnis des Bronzegefäßes
Jahrzehnte nach seiner Entdeckung ist es Forschenden gelungen, ein jahrtausendealtes Mysterium zu entschlüsseln: Ein orangefarbener Rückstand, der in einem bronzezeitlichen Gefäß in einem 2.500 Jahre alten Heiligtum nahe Pompeji (Paestum, Italien) gefunden wurde, hat sich eindeutig als Honig herausgestellt. Dieser bedeutende Durchbruch liefert wertvolle Einblicke in antike griechische Rituale, die Chemie organischer Erhaltung und vertieft unser Verständnis frühmittelmeerischer Kulturen und ihrer Opferpraktiken.
Wissenschaftlicher Kontext und Analysemethoden
Die seltsame Substanz, die 1954 im Rahmen einer Ausgrabung in einem griechischen Heiligtum in Paestum entdeckt wurde, konnte lange Zeit nicht identifiziert werden. Frühere chemische Analysen scheiterten, da Zeit und Umwelteinflüsse die organische Zusammensetzung stark verändert hatten.
Ein Team um die Archäologin Luciana da Costa Carvalho von der Universität Oxford konnte das Rätsel nun mit modernen Methoden lösen. Mittels Gaschromatographie und Massenspektrometrie gelang es, chemische Marker im Rückstand präzise nachzuweisen – darunter ein Muster, das fast identisch mit modernen Honig- und Bienenwachsspuren ist.

Zersetzung und Konservierung organischer Materialien
Die Analyse zeigte, dass die Substanz deutlich saurer war als heutiger Honig – eine Folge langfristiger Lagerung und chemischer Umwandlung. Im Laufe der Jahrhunderte wurden die im Honig enthaltenen Zucker zu sogenannten Furanen abgebaut. Frühere Untersuchungen hatten lediglich Bienenwachs erkannt, doch das komplexe Profil des Rückstands beweist eine Mischung aus Honig und dessen Nebenprodukten, nicht bloß Wachs.
Zudem identifizierte die aktuelle Untersuchung Hexose (ein Einfachzucker) und abgebauten Saccharide als eindeutige Hinweise auf die ursprünglichen Honigbestandteile. Diese Kohlenhydratspuren konnten sich im bronzezeitlichen Gefäß durch die Kupferkorrosion über die Jahrtausende erhalten.
Archäologischer Kontext und kulturelle Bedeutung
Das nach einer unbekannten Gottheit geweihte Heiligtum wies bronze Gefäße auf, die um ein leeres Eisengestell gruppiert waren – begleitet von sechs Hydrien (Wasserkrügen) und zwei Amphoren (Lagergefäßen). Wie da Costa Carvalho und ihr Team erklären, deutet das leere Bett sowie die Unzugänglichkeit des Tempels auf eine göttliche Präsenz hin. Honig als Opfergabe symbolisierte im antiken Griechenland einerseits Süße und Genuss, andererseits Unsterblichkeit – eine Gabe für die Götter und der Sage nach Teil der Ernährung des Zeus.
Honig spielte in der griechischen Antike eine zentrale Rolle: als natürlicher Süßstoff, Heilmittel sowie wichtiger Bestandteil religiöser Rituale und Kosmetik. Diese Entdeckung bestärkt nicht nur unser Wissen zu antiken Opfersitten, sondern belegt auch, dass organische Rückstände hochkomplexe chemische Ökosysteme darstellen.
Da Costa Carvalho betont: „Antike Rückstände sind weit mehr als Spuren dessen, was Menschen aßen oder Gottheiten opferten. Sie sind komplexe chemische Systeme, deren Analyse aufzeigt, wie Substanzen sich im Verlauf der Zeit wandeln und eröffnet Perspektiven für künftige Forschungen zu antiker Mikrobenaktivität und deren Anwendungen.“

Fazit
Die Identifikation des 2.500 Jahre alten Honigs im Paestum-Heiligtum markiert einen bedeutenden Fortschritt in der archäologischen Forschung. Sie wirft ein neues Licht auf die Raffinesse antiker Ritualopfer und die Konservierung organischer Substanzen im alten Griechenland. Die Verbindung moderner Analytik mit archäologischem Kontext vertieft unser Verständnis des Zusammenspiels von Kultur, Ritual und Wissenschaft – und bereitet den Weg für weiterführende Untersuchungen der mikroskopischen Welt, die in antiken Gefäßen erhalten blieb.
Quelle: pubs.acs
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