Venedig-Premiere: Ein herzlicher Applaus für Jarmuschs neues Familientriptichon

Venedig-Premiere: Ein herzlicher Applaus für Jarmuschs neues Familientriptichon

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Venedig-Premiere: Ein herzlicher Applaus für Jarmuschs neues Familientriptichon

Jim Jarmusch kehrte mit einem behutsamen, figurenzentrierten Werk zu den Filmfestspielen von Venedig zurück, das die Sala Grande für sich gewann: Father Mother Sister Brother feierte mit einer fünfminütigen Standing Ovation Premiere, während Cate Blanchett von der ersten Reihe aus strahlte. Die zurückhaltende Zeremonie des Autors auf der Bühne — er küsste den führenden Schauspielerinnen die Hand, während die Credits liefen — wirkte wie ein altmodischer Vorhangruf für einen modernen, intimen Film.

Ein Triptychon aus kleinen Momenten und großen Gefühlen

Als Triptychon strukturiert, verfolgt der Film drei eigenständige Geschichten in verschiedenen Ländern, die jeweils erwachsene Kinder, ihre distanzierten oder komplizierten Eltern und die fragile Struktur familiärer Bindungen in den Mittelpunkt stellen. "Father" spielt im Nordosten der USA, "Mother" in Dublin und "Sister Brother" in Paris. Jarmusch bevorzugt kleine, präzise Momente statt plotgetriebener Spektakel, wodurch der Film eher eine Lebensslice-Meditation als ein konventionelles Familiendrama ist.

Leistungen, die den Film tragen

Cate Blanchett sticht heraus: Sie spielt zwei Schwestern gegenüber Vicky Krieps und strahlt eine Ruhe aus, die zu Jarmuschs langen Einstellungen und dialogischen Rhythmen passt. Zum Ensemble gehören außerdem Charlotte Rampling, Mayim Bialik, Indya Moore und ein generationenübergreifender Einsatz von Tom Waits neben Adam Driver — obwohl Driver und Waits bei der Lido-Premiere fehlten. Luka Sabbat vertrat die männliche Fraktion auf dem roten Teppich.

Vergleiche und filmische Herkunft

Für Zuschauer, die mit Jarmuschs früheren Arbeiten vertraut sind, steht Father Mother Sister Brother näher an den kontemplativen Stücken des Regisseurs wie Coffee & Cigarettes als an seinem genrebetonten The Dead Don’t Die. Während The Dead Don’t Die mit todernstem Witz und Horror-Elementen experimentierte, kehrt der neue Film zur Menschengröße des Erzählens zurück und erinnert an jüngere Ensembleporträts über Familienleben wie Mike Mills’ 20th Century Women — Filme, die Figurennuancen und generationsübergreiften Dialog über plotmechanische Raffinessen stellen.

Branchensicht: Arthouse-Vertrieb und Festivalstrategie

Die Venedig-Premiere markiert Jarmuschs ersten Auftritt auf dem Lido seit 22 Jahren und unterstreicht die Rolle des Festivals als Schaufenster für Autorenkino. Produktions- und Vertriebspartner — darunter Saint Laurent Prods., Mubi und The Apartment — verdeutlichen ein zunehmend übliches Modell für Arthouse-Filme: Festivalstart, Unterstützung durch spezialisierte Streamingdienste und anschließende territoriale Kinostarts. Mubi’s Kinopflicht in Nordamerika, dem Vereinigten Königreich, Indien und weiteren Regionen betont die wachsende Rolle der Plattform bei der Vermittlung internationaler Independent- und Arthouse-Filme an ein Publikum.

Blicke hinter die Kulissen und Trivia

Kleine Momente von der Premiere wurden schnell zur Festivalanekdote: Jarmusch salutierte persönlich seinen Hauptdarstellerinnen mit einem Handkuss, und Blanchetts Doppelrolle (sie spielt zwei Schwestern) zog Aufmerksamkeit von Presse und Fans auf sich. Die Produktion erhielt Unterstützung von verschiedenen europäischen und irischen Geldgebern, darunter Fís Éireann/Screen Ireland, sowie Finanzierung von Cinema Inutile — ein Signal für die kollaborative Finanzierung, die im zeitgenössischen unabhängigen Kino üblich ist.

Expertenmeinung

„Jarmusch hat seine Sensibilitäten zu einem sehr menschlichen Familienbild destilliert, das zeitgemäß wirkt, ohne zu predigen“, sagt der Filmhistoriker Marko Jensen. „Die Zurückhaltung des Films ist seine Stärke: Kleine Interaktionen summieren sich zu einer resonanten emotionalen Geographie. Für Kenner des Autorenkinos ist das klassischer, gereifter Jarmusch.“

Kritische Perspektiven und Erwartungen

Die frühen Reaktionen in Venedig zeigten sich überwiegend beeindruckt von der Zärtlichkeit des Films und den Darstellungen, obwohl einige Kritiker anmerken, dass das gemächliche Tempo und die Vignettenstruktur geduldige Zuschauer bevorzugen werden. Wer narrative Feuerwerke sucht, könnte enttäuscht sein, doch Fans schauspielerzentrierter, dialogreicher Filme finden viel Bewundernswertes.

Fazit: Kleine Szenen, bleibende Wirkung

Father Mother Sister Brother erinnert daran, dass Kino in seiner Stillheit kraftvoll sein kann. Jarmuschs Rückkehr nach Venedig ist sowohl eine Heimkehr als auch ein Statement: In einer Ära, die von Franchise-Spektakeln dominiert wird, gibt es nach wie vor ein Publikum und einen Festivalkreislauf, die sich nach intimen, gut gespielten Filmen sehnen. Mit Mubi und internationalen Partnern im Rücken scheint dieses Triptychon bereit, weltweit Zuschauer zu finden, die reflektiertes Drama und herausragende Schauspielleistungen schätzen — insbesondere von Cate Blanchett.

Quelle: variety

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