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Eine große US‑Studie berichtet, dass die Einhaltung einer mediterranen Ernährungsweise mit einem geringeren Risiko für kognitiven Abbau und Alzheimer verbunden ist, selbst bei Menschen, die Hochrisiko‑APOE4‑Genvarianten tragen. Forschende der Harvard T.H. Chan School of Public Health analysierten jahrzehntelange Ernährungs-, kognitive und genetische Daten und fanden heraus, dass diejenigen, die dem mediterranen Muster am treuesten folgten, die geringsten kognitiven Verluste zeigten—insbesondere Personen mit zwei Kopien der APOE4‑Variante.
Was ist die mediterrane Ernährung und warum sie wichtig ist
Benannt nach den traditionellen Essgewohnheiten der Länder am Mittelmeer, setzt die mediterrane Ernährung auf Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse, Olivenöl und Fisch, während rotes Fleisch, verarbeitete Lebensmittel und zugesetzter Zucker eingeschränkt werden. Dieses Ernährungsmodell wurde mit kardiovaskulären und metabolischen Vorteilen in Verbindung gebracht und in früheren Studien ursächlich mit Verbesserungen kognitiver Ergebnisse verknüpft.
Die Epidemiologin Yuxi Liu, Erstautorin der neuen Analyse, erklärt, ein Grund für den Fokus auf diese Ernährung sei, dass 'es das einzige Ernährungsbild ist, das in einer randomisierten Studie ursächlich mit kognitiven Vorteilen verknüpft wurde.' Die aktuelle Arbeit erweitert diese Erkenntnisse, indem untersucht wird, ob die Ernährung das genetische Risiko modifiziert.
Daten, Methoden und Metabolitprofiling
Die Studie vereinte langfristige Ernährungsaufzeichnungen, Gentests und kognitive Untersuchungen aus zwei großen Kohorten. Die Daten umfassten 4.215 Frauen mit Aufzeichnungen von 1989–2023 und 1.490 Männer mit Aufzeichnungen von 1993–2023. Die Forschenden verglichen Ernährungswerte, Demenzdiagnosen und APOE‑Genotypen und bestimmten zudem Blutmetaboliten—kleine Moleküle, die widerspiegeln, wie der Körper Nährstoffe verarbeitet und den Zellstoffwechsel aufrechterhält.
Das Team verglich kognitive Verläufe zwischen Gruppen, die nach Ernährungsqualität und APOE‑Status eingeteilt wurden. Personen mit der höchsten Einhaltung der mediterranen Ernährung hatten die geringste Demenzrate und die langsamsten kognitiven Abbauraten. Der schützende Zusammenhang zeigte sich besonders deutlich bei Teilnehmenden mit zwei Kopien von APOE4, einem Genotyp, der ein hohes Risiko für spät einsetzende Alzheimer‑Erkrankung kennzeichnet.

Metaboliten zeigen mögliche Mechanismen
Die Analyse der Blutmetabolitprofile zeigte, dass die mediterrane Ernährung mit Verschiebungen in Stoffwechselwegen verbunden war, die zuvor mit Neurodegeneration in Verbindung gebracht worden sind. Diese Metabolitenveränderungen waren bei Teilnehmenden mit hohem genetischem Risiko stärker ausgeprägt, was darauf hindeutet, dass die Ernährung biochemische Netzwerke beeinflussen kann, die mit Anfälligkeit für Demenz zusammenhängen. Allerdings wurden die Metaboliten nur einmal gemessen, wodurch Einblicke in dynamische Veränderungen über die Zeit eingeschränkt sind.
Bedeutung, Einschränkungen und zukünftige Richtungen
Die Ergebnisse stützen die Vorstellung, dass Ernährungsstrategien das Demenzrisiko in der Allgemeinbevölkerung senken könnten und besonders für Menschen mit hoher genetischer Anfälligkeit bedeutsam sein können. Die Studie deutet auf mögliche biologische Mechanismen hin, durch die die Ernährung das Demenzrisiko beeinflusst, und eröffnet die Perspektive, Metaboliten als Marker zur Risikostratifizierung oder zur Anpassung von Interventionen zu nutzen.
Wichtig sind die Einschränkungen: Die Kohorten bestanden überwiegend aus gut ausgebildeten Personen europäischer Abstammung, und das Studiendesign ist beobachtend, weshalb es keine eindeutigen Ursache‑Wirkungs‑Schlüsse zulässt. Einmalige Metabolitenmessungen und mögliche unbeobachtete Störfaktoren begrenzen ebenfalls die Interpretierbarkeit. Die Autorinnen und Autoren betonen den Bedarf an vielfältigeren Kohorten, wiederholten metabolomischen Messungen und Interventionsstudien, die prüfen, ob gezielte Ernährungsänderungen Metabolitenprofile und Demenzverläufe verändern.
Experteneinschätzung
Dr. Elena Marquez, Professorin für Neurologie und Ernährungsneurowissenschaft, University of California, San Diego, kommentiert: 'Diese Studie stärkt die Evidenz, dass Lebensstilentscheidungen das biologische Risiko für Alzheimer modifizieren können. Während die Genetik ein Basisrisiko setzt, scheinen Stoffwechselwege—viele davon auf die Ernährung ansprechbar—einen Teil dieses Risikos zu vermitteln. Klinisch betrachtet ist die mediterrane Ernährung eine risikoarme, potenziell wirkungsvolle Intervention, die mit Empfehlungen zur kardiovaskulären und metabolischen Gesundheit übereinstimmt.'
Fazit
Die von Harvard geleitete Analyse untermauert den wachsenden Konsens, dass Ernährungsgewohnheiten die langfristige Gehirngesundheit beeinflussen. Die Einhaltung einer mediterranen Ernährungsweise korrelierte mit geringerem kognitiven Abbau und einer niedrigeren Demenzinzidenz, wobei besonders große relative Vorteile bei Personen mit zwei APOE4‑Allelen beobachtet wurden. Obwohl weitere diverse, prospektive und interventionelle Studien nötig sind, um Kausalität und optimierte Strategien zu klären, bestätigt die Studie die Ernährung als praktisches Instrument im Präventions‑Werkzeugkasten gegen Alzheimer.
Quelle: sciencealert
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