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Uralte Riesen unter mikroskopischer Bedrohung
Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass einige der größten Dinosaurier Südamerikas vor etwa 80 Millionen Jahren an einer zerstörerischen Knocheninfektion litten. Paläontologen untersuchten sechs Sauropoden-Skelette, die am Fundplatz "Vaca Morta" im brasilianischen Bundesstaat São Paulo geborgen wurden, und fanden pathologische Läsionen, die mit Osteomyelitis übereinstimmen — einer entzündlichen Knochenerkrankung, die heute durch Bakterien, Pilze, Viren oder Parasiten verursacht wird.
Osteomyelitis ist bei modernen Wirbeltieren gut bekannt und betrifft weltweit Säugetiere, Vögel und Reptilien. Die neue Studie, veröffentlicht in The Anatomical Record (2025), liefert den bislang klarsten Beleg, dass diese Erkrankung auch große Dinosaurier in der Oberkreide befallen hat und möglicherweise eine aktive Ursache für Krankheit und Tod bei Sauropoden war, die feuchte Auenökosysteme bewohnten.
Fossile Belege und Fundkontext
Die Fossilien wurden zwischen 2006 und 2023 an der Lokalität "Vaca Morta" gesammelt. Viele der betroffenen Knochen zeigen keine Anzeichen von Heilung, was darauf hindeutet, dass die Infektionen zum Todeszeitpunkt noch aktiv waren und möglicherweise zum Tod beitrugen. Einige Exemplare weisen ausschließlich interne Läsionen auf, andere zeigen äußere, gerundete Vorwölbungen und eine komplexe, chaotische Knochenarchitektur, die sich nicht durch Bissspuren oder nicht-infektiöse Traumata erklären lässt.
Die für diese Region rekonstruierte Paläoumwelt bestand aus flachen, langsam fließenden Flüssen und stehenden Tümpeln — Habitaten, die Krankheitserreger sowie wirbellose oder vertebraten Träger, die diese verbreiten, konzentrieren können. Fußabdrücke und andere Sauropodenreste aus Brasilien stammen häufig aus Flussniederungen und sumpfigen Sedimenten, was nahelegt, dass diese Riesen regelmäßig die Ökosysteme aufsuchten, die die Übertragung von Krankheiten begünstigten.

"Die Knochen, die wir analysiert haben, liegen zeitlich sehr nah beieinander und stammen vom selben paläontologischen Fundort, was darauf hindeutet, dass die Region Bedingungen bot, unter denen sich Krankheitserreger während dieses Zeitraums an vielen Individuen ausbreiten konnten", fasst Erstautor Tito Aureliano von der Regional University of Cariri (URCA) die räumliche und zeitliche Ballung der Funde zusammen.
Pathologie, Verlauf und Folgen
Mikroskopische und makroskopische Analysen der Läsionen führten das Forschungsteam zu dem Schluss, dass sich die Infektion bei einigen Tieren schnell ausbreitete. Die unregelmäßige, „chaotische“ Innenstruktur der Läsionen unterscheidet sie von verheilteten Wunden oder einfachen Frakturen und ist mit aggressiven osteomyelitischen Prozessen bei modernen Wirbeltieren vereinbar.
Verschiedene Knochen und unterschiedliche Sauropoden-Individuen zeigen ein Spektrum an Läsionsmorphologien, was eine Variation in der Immunantwort des Wirts, im Infektionsweg (z. B. direkte Wundkontamination vs. hämatogene Ausbreitung) oder in der Identität des Erregers widerspiegeln könnte. Die Studie identifiziert keinen spezifischen mikrobiellen Erreger — antike DNA oder Proteine werden in solchen Fossilien selten konserviert —, doch das Muster stimmt mit bakterieller Osteomyelitis überein, der häufigsten Form bei heutigen Tieren.
Diese Erkenntnisse verfeinern unser Verständnis vom Leben der Dinosaurier: Während oft auf megafaunale Größe und weite Verbreitung hingewiesen wird, könnte die Krankheitsökologie eine bedeutende, aber bislang unterschätzte Kraft gewesen sein, die Dinosaurierpopulationen und -verhalten prägte.
Fachliche Einschätzung
Dr. Isabel Moreno, eine fiktive Paläopathologin mit zwei Jahrzehnten Erfahrung in der Untersuchung von Wirbeltierknochenerkrankungen, kommentiert: "Diese Forschung ist wichtig, weil sie paläoökologische Rekonstruktionen mit direktem pathologischem Nachweis verknüpft. Wenn große Pflanzenfresser wiederholt Feuchtgebiete aufsuchen, erhöht sich ihre Exposition gegenüber vektorübertragenen und wassergebundenen Krankheitserregern. Für Sauropoden könnten chronische oder akute Osteomyelitiden die Beweglichkeit reduziert, sie für Raubtiere verwundbar gemacht und den Fortpflanzungserfolg beeinträchtigt haben — Faktoren, die in der Populationsdynamik über geologische Zeiträume zählen."
Der multidisziplinäre Ansatz des Teams — die Integration von Feldstratigraphie, vergleichender Pathologie und modernen Infektionsmodellen — zeigt, wie Paläontologie und Krankheitsökologie sich überschneiden können, um bislang verborgene Belastungen in antiken Ökosystemen aufzudecken.
Fazit
Ein Fundhaufen von Sauropodenfossilien aus Brasilien liefert überzeugende Belege dafür, dass Osteomyelitis vor etwa 80 Millionen Jahren große Dinosaurier befiel. Das Muster der Läsionen, ihr fehlendes Heilungsbild und das Auenmilieu des Fundorts Vaca Morta deuten zusammen darauf hin, dass aquatische und feuchte Lebensräume die Übertragung von Krankheitserregern erleichterten. Während die spezifischen Erreger weiterhin unbekannt sind, unterstreicht die Studie die Bedeutung von Krankheiten als ökologischem Faktor in Dinosauriergemeinschaften und betont den Wert paläopathologischer Forschung für die Rekonstruktion des antiken Lebens und der Umwelt.
Der 80 Millionen Jahre alte fossilierte Knochen eines Sauropoden zeigt Läsionen, die durch Osteomyelitis verursacht wurden (BL arrow). (Aureliano et al., The Anatomical Record, 2025)
Quelle: sciencealert
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