Infektionen als Auslöser von Herzinfarkten: Bakterielle Biofilme in atherosklerotischen Plaques

Infektionen als Auslöser von Herzinfarkten: Bakterielle Biofilme in atherosklerotischen Plaques

0 Kommentare

5 Minuten

Infektion als Auslöser für Myokardinfarkt

Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Herzinfarkte durch ruhende bakterielle Gemeinschaften in arteriosklerotischen Plaques ausgelöst werden können. Wissenschaftler berichten, dass cholesterinreiche Plaques jellyartige bakterielle Biofilme beherbergen können, die über Jahre asymptomatisch bleiben und vor Immunantworten sowie Antibiotika geschützt sind. Eine spätere Virusinfektion oder ein anderer systemischer Auslöser kann diese Biofilme reaktivieren, lokale Entzündungen hervorrufen, die fibröse Kappe der Plaque schwächen, die Thrombenbildung fördern und dadurch einen Myokardinfarkt auslösen.

Aktuelle Analysen nutzten fortschrittliche molekulare und histologische Methoden, um bakterielle DNA und intakte Biofilmstrukturen in koronaren und peripheren Arterienplaques nachzuweisen. Der Nachweis von genetischem Material oraler Bakterien in atherosklerotischem Gewebe liefert direkte Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen mikrobiellen Gemeinschaften und koronarer Herzkrankheit — eine Verbindung, die zuvor vermutet, aber schwer nachzuweisen war.

Wie Biofilme funktionieren und aus der Ruhe erwachen

Biofilme sind strukturierte, an Oberflächen angeheftete bakterielle Gemeinschaften, eingebettet in eine extrazelluläre Matrix. Diese Matrix wirkt als Barriere, vermindert die Wirksamkeit von Antibiotika und verbirgt Bakterien vor Immunzellen. Im Kontext der Atherosklerose fanden Forschende Biofilmmaterial, das cholesterinreiche Plaques auskleidet. Wenn ein externer Faktor wie eine Virusinfektion das lokale Milieu verändert, können Bakterien im Biofilm wieder aktiv wachsen und sich ausbreiten, was eine Kaskade der Immunaktivierung auslöst.

Von Entzündung bis Plaqueruptur

Aktivierte Bakterien regen eine Entzündungsreaktion an, die das kollagenreiche fibröse Mäntelchen einer Plaque abbauen kann. Abbau und Ausdünnung dieser Kappe erhöhen das Rupturrisiko; reißt eine Plaque, bilden sich an den freiliegenden Inhalten schnell Gerinnsel (Thromben), die eine Koronararterie verstopfen und so einen Herzinfarkt verursachen können.

Asymptomatischer bakterieller Biofilm, der eine cholesterinbeladene koronare Arterienplaque auskleidet. Credit: Pekka Karhunen’s research group, Tampere University

Professor Pekka Karhunen, Erstautor der Studie, weist darauf hin, dass das Fachgebiet lange oxidiertes Low-Density-Lipoprotein (LDL) als zentralen Treiber der Atherosklerose betont hat. "Die Beteiligung von Bakterien an koronarer Herzkrankheit wurde lange vermutet, aber direkte und überzeugende Belege fehlten. Unsere Studie zeigte das Vorhandensein von genetischem Material – DNA – mehrerer oraler Bakterien innerhalb atherosklerotischer Plaques", so Karhunen. Das Forschungsteam entwickelte außerdem einen Antikörper gegen diese Bakterien, der unerwartet sichtbare Biofilmstrukturen im arteriellen Gewebe offenbarte.

Studienumfang, Methoden und Kooperationen

Die Studie kombinierte Gewebeanalysen aus mehreren Quellen: Proben von Personen, die an plötzlichem Herztod verstorben sind, sowie Proben von Patientinnen und Patienten, die sich einer Karotis- oder peripheren Gefäßoperation unterzogen. Beteiligte Institutionen sind die Tampere University, die Oulu University, das Finnish Institute for Health and Welfare und die University of Oxford. Die Arbeit ist Teil eines von der EU geförderten kardiovaskulären Forschungsnetzwerks, das 11 Länder umfasst, mit zusätzlicher Förderung durch die Finnish Foundation for Cardiovascular Research und die Jane and Aatos Erkko Foundation.

Molekularer Nachweis bakterieller DNA, Immunhistochemie mit neu entwickelten Antikörpern und die Visualisierung von Biofilmstrukturen lieferten dem Team konvergente Hinweise, die intra-plaque Bakterien mit Fällen von Myokardinfarkt verbinden.

Hin zu Diagnostik, Therapien und Impfstoffen

Diese Erkenntnisse eröffnen neue Wege für Diagnostik und Präventionsstrategien. Zielgerichtete Antikörper, die intra-arterielle Biofilme detektieren, könnten die Risikostratifizierung von Patientinnen und Patienten mit Atherosklerose verbessern. Ambitionierter wäre eine Impfung gegen bestimmte orale oder biofilmproduzierende Bakterien, die, falls zukünftige Studien einen kausalen Nutzen bestätigen, die Häufigkeit von Plaque-Aktivierung und nachfolgenden Herzinfarkten verringern könnte.

Alleinige Antibiotikatherapien dürften etablierte Biofilme kaum beseitigen, weil die extrazelluläre Matrix das Eindringen von Wirkstoffen einschränkt und viele Bakterien in einen niedrigen Stoffwechselzustand übergehen. Neue Therapieansätze könnten biofilmauflösende Substanzen, Immunmodulation und Impfstrategien kombinieren, um Biofilmaktivierung zu verhindern oder die Clearance zu verbessern.

Expertinnen- und Experteneinschätzung

Dr. Sofia Nieminen, eine fiktive klinische Mikrobiologin und kardiovaskuläre Forscherin, kommentiert: "Diese Studie rückt einen Teil der Atherosklerose bei einigen Patientinnen und Patienten als chronischen, infektiös assoziierten Prozess in den Fokus. Wenn sich die Befunde in größeren Kohorten bestätigen, würde das die Entwicklung von Impfstoffen oder zielgerichteten Immuntherapien rechtfertigen, um plaque-residente Mikroben zu neutralisieren. Die Überführung in die klinische Praxis erfordert sorgfältige Studien, um nachzuweisen, dass das Eliminieren oder Neutralisieren dieser Bakterien das Herzinfarktrisiko senkt, ohne unerwünschte Nebenwirkungen."

Fazit

Der Nachweis bakterieller Biofilme in atherosklerotischen Plaques stärkt die Hypothese, dass infektiöse Erreger Myokardinfarkte auslösen können, indem sie lokale Entzündungen und Plaquerupturen provozieren. Die Forschung hebt neue diagnostische Biomarker hervor und deutet Impfungen oder Anti-Biofilm-Strategien als mögliche Präventionsmaßnahmen an. Laufende multinationale Anstrengungen sind erforderlich, um kausale Zusammenhänge zu validieren und den Weg von molekularen Entdeckungen zu klinischen Interventionen zu ebnen, die die Herzinfarktinzidenz weltweit reduzieren könnten.

Quelle: scitechdaily

Kommentare

Kommentar hinterlassen