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Neue Forschung verbindet Paarungsstacheln und Mundzähne beim Ratfish
Eine aktuelle entwicklungsgenetische Studie berichtet, dass die spezialisierten Stirnzähne, die während der Paarung bei einigen Knorpelfischen eingesetzt werden, genetisch aus denselben Entwicklungsprogrammen hervorgehen, die orale Zähne bilden. Diese Stirnstrukturen, Tenacula genannt, ähneln dentalen Elementen in Form und Zusammensetzung, werden aber am Kopf statt im Mund ausgebildet. Die Arbeit dokumentiert, wie ein ancestrales, zahnbildendes (odontogenes) Netzwerk umgenutzt werden kann, um stachelige, zahnähnliche Projektionen an außermundlichen Stellen zu erzeugen — ein eindrucksvolles Beispiel evolutionärer Wiederverwendung.
Wissenschaftlicher Hintergrund und entwicklungsbiologischer Kontext
Zähne werden traditionell mit Kiefer und Mundhöhle assoziiert, entstehen durch Wechselwirkungen zwischen epithelialen und mesenchymalen Geweben und werden durch einen konservierten Satz von Genen gesteuert. Jahrzehntelang debattierten Paläontologen und Evolutionsbiologen, wie Zähne erstmals bei Wirbeltieren auftraten. Zwei Haupthypothesen haben sich herausgebildet: ein "inside-out"-Modell, in dem innere pharyngeale, zahnähnliche Strukturen in den Mund wanderten, und ein "outside-in"-Modell, in dem dermale Dentikel der Haut nach innen verschoben wurden und zu oralen Zähnen wurden.
Die neue Studie untersucht den gefleckten Ratfish und verfolgt die genetischen und entwicklungsbiologischen Merkmale der Stirn-Tenacula. Die Forschenden identifizieren überlappende Genexpressionen und gemeinsame Entwicklungsmechanismen zwischen oralen Zähnen und diesen paarungsbezogenen Stacheln, was darauf hindeutet, dass dasselbe odontogene Werkzeugset umgelenkt werden kann, um unterschiedliche Strukturen an verschiedenen anatomischen Orten zu bilden. Dieser Befund trägt dazu bei, die beiden historischen Hypothesen zu versöhnen, indem er zeigt, dass zahnaufbauende Programme ihre räumliche Anwendung im Lauf der Evolution verschieben können.

Wesentliche Entdeckungen und evolutionäre Implikationen
- Umnutzung entwicklungsbiologischer Module: Die Studie zeigt, dass genetische Signalwege, die normalerweise orale Zähne hervorbringen, gekapert werden können, um äußere Stacheln für die Paarung zu erzeugen. Dies unterstützt die Idee, dass die Evolution häufig bestehende genetische Schaltkreise zur Entstehung neuer Morphologien wiederverwendet.
- Mehrere evolutionäre Wege: Die Befunde legen nahe, dass sowohl "inside-out"- als auch "outside-in"-Ursprünge für zahnähnliche Strukturen in verschiedenen Abstammungslinien plausibel sind. Manche Arten könnten orale Zähne aus modifizierten dermalen Dentikeln entwickelt haben, während bei anderen pharyngeale, zahnähnliche Strukturen in den Mund vorgeschoben wurden. Die neuen Daten deuten darauf hin, dass diese Szenarien sich nicht gegenseitig ausschließen.
- Breitere Verbreitung von „Zähnen": Indem gezeigt wird, dass zahnaufbauende Gene außerhalb des Kiefers aktiv sein können, argumentiert die Studie, dass Zähne oder zahnähnliche Elemente in der Anatomie der Wirbeltiere weiter verbreitet sein könnten als bislang angenommen. Die Forschenden erwarten, dass mit verstärkter entwicklungsgenetischer Untersuchung weiterer Taxa zusätzliche Funde extraoraler Zähne möglich sind.
Die Autorinnen und Autoren stellen dies als Beispiel für evolutionäre Flexibilität dar: Strukturen, die ursprünglich für die Nahrungsaufnahme entstanden sind, können für Fortpflanzung oder Verteidigung umfunktioniert werden, wodurch neue Morphologien entstehen, ohne dass völlig neue genetische Mechanismen erforderlich wären. Wie eine der Studienleiterinnen anmerkt: Je mehr vergleichende und entwicklungsbiologische Untersuchungen über Wirbeltiere hinweg durchgeführt werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass Forscher zahnähnliche Strukturen jenseits des Kiefers identifizieren.

Experteneinschätzung
Dr. Maya Alvarez, Evolutionsentwicklungsbiologin, kommentiert: 'Dieses Paper veranschaulicht klar ein Kernprinzip der Evolutionsentwicklungsbiologie: Konservierte genetische Werkzeugkästen können räumlich und zeitlich neu eingesetzt werden, um neue anatomische Merkmale zu erzeugen. Die Entdeckung, dass Stirn-Tenacula Entwicklungsmerkmale mit oralen Zähnen teilen, eröffnet die Möglichkeit, viele stachelige Elemente im Fossilbericht und bei lebenden Taxa als modifizierte dentale Strukturen neu zu interpretieren.'
Praktische Konsequenzen umfassen neue Ansätze zur Interpretation fossiler Odontoden und zur Untersuchung, wie sich Genregulationsnetzwerke während der Entwicklung räumlich verändern. Die Arbeit leitet außerdem zukünftige Erhebungen an, um bei Wirbeltieren unerwartete zahnähnliche Strukturen mithilfe von Embryologie und Genexpressionsprofilen zu suchen.
Fazit
Die Untersuchung der Stirnzähne des gefleckten Ratfish zeigt, dass zahnbildende genetische Programme flexibler sind als bisher angenommen. Indem die Studie belegt, dass orale Zahnwege umgelenkt werden können, um paarungsbezogene Stacheln zu erzeugen, liefert sie Hinweise darauf, dass sowohl "inside-out"- als auch "outside-in"-Szenarien zur Zahn evolution in unterschiedlichen Linien beigetragen haben könnten. Die Forschung unterstreicht die Tendenz der Evolution, bestehende Entwicklungssysteme umzunutzen, und deutet auf eine breitere und vielfältigere Verteilung zahnähnlicher Strukturen bei Wirbeltieren hin als bislang erkannt.
Quelle: sciencealert
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