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Fungi built the stage for terrestrial life
Pilze diversifizierten auf der Erde lange vor den ersten Landpflanzen, und neue Genomanalysen deuten darauf hin, dass sie eine zentrale Rolle dabei spielten, Kontinente für die Besiedlung vorzubereiten. Jüngste Forschungen unter Leitung des Okinawa Institute of Science and Technology (OIST) nutzen molekulare Uhren kombiniert mit Hinweisen aus horizontalem Gentransfer, um den Zeitrahmen der Pilzevolution zu verfeinern. Die Ergebnisse legen nahe, dass der gemeinsame Vorfahr der heutigen Pilze möglicherweise vor etwa 1,4 bis 0,9 Milliarden Jahren lebte — somit hunderte Millionen Jahre früher als die eindeutig belegten ersten Landpflanzen.
Pilze entstanden also lange vor Pflanzen und prägten die Erde durch frühe Böden und Nährstoffkreisläufe. Ihr oft unsichtbares Erbe zeigt, dass sie die Welt möglicherweise vorbereitet haben, damit Leben an Land gedeihen konnte. Credit: Shutterstock
Zu wissen, wann sich Pilze diversifizierten, ist wichtig, weil Pilze als ökologische Ingenieure wirken: Sie zersetzen Gestein und organisches Material, recyceln Nährstoffe, bilden Partnerschaften mit anderen Organismen und verändern die Bodenstruktur. Wären Pilze bereits lange vor Pflanzen an Land aktiv gewesen, so könnten sie entscheidend an der Bildung primitiver Böden beteiligt gewesen sein und Nährstoffkreisläufe etabliert haben, die Kontinentaloberflächen bewohnbar machten. Diese Perspektive erweitert unser Verständnis davon, wie Lebensräume auf der Erdoberfläche tauglich wurden — nicht nur durch Pflanzen, sondern durch ein Netzwerk mikrobieller Prozesse, angeführt von Pilzen.
Why fungi are hard to place in deep time
Die Einordnung großer evolutionärer Ereignisse in die Erdzeitrechnung stützt sich normalerweise auf Fossilien. Für viele Gruppen — rote Algen, Tiere und Landpflanzen — liefern paläontologische Funde wichtige Zeitanker. Pilze hingegen sind im Fossilbericht notorisch unterrepräsentiert. Ihre meist weichen, fadenförmigen Körper erhalten sich nur schlecht, und die komplexe Mehrzelligkeit bei Pilzen entstand mehrfach unabhängig aus verschiedenen einzelligen Vorfahren. Diese Kombination erschwert klare Aussagen: wenige langlebige Fossilien zusammen mit mehrfachen, unabhängigen Ursprüngen komplexer Strukturen machen es schwierig, ein einziges, eindeutiges Ursprungsereignis zu identifizieren.

Aus den fünf großen Gruppen lassen sich für die meisten klare fossile Belege finden – hier sehen wir ein Dickinsonia-Fossil, das Hinweise auf urzeitliches tierisches Leben liefert. Credit: Citronnel/Wikimedia Commons, CC-BY-SA-4.0
Wegen dieser Lücken weichen Forschende auf molekulare Phylogenetik und die molekulare Uhr aus: Genetische Unterschiede häufen sich mit der Zeit an, daher kann der Vergleich von Genomen Schätzungen über Divergenzdaten erlauben. Molekulare Uhren benötigen jedoch Kalibrierung — Ankerpunkte aus Fossilien oder andere zeitliche Beschränkungen — um relative genetische Distanzen in absolute Jahre umzusetzen. Für Pilze sind solche Anker rar, wodurch die Uhr bisher ungenau blieb. Die neue Studie versucht, diese Lücke zu schließen, indem sie zusätzliche, unabhängige Zeitbeschränkungen aus genomischen Signalen einbindet.
Horizontal gene transfer as a temporal lever
Das OIST-geführte Team führte einen innovativen Ansatz zur Verbesserung der Kalibrierung ein: Sie durchsuchten Genome nach Fällen von horizontalem Gentransfer (HGT). Im Gegensatz zur üblichen vertikalen Weitergabe von Genen von Eltern zu Nachkommen passiert HGT, wenn ein Gen zwischen nicht eng verwandten Linien verschoben wird. Ein solcher Transfer liefert eine gerichtete zeitliche Einschränkung: Wenn Linie A ein Gen an Linie B spendete, muss die Spenderlinie vor dem Nachfahren des Empfängers existiert haben, der das Gen trägt. Das schafft eine relative Reihenfolge, die sich gezielt in Kalibrierungsmodelle einspeisen lässt.
Indem die Autorinnen und Autoren 17 glaubwürdige HGT-Ereignisse zwischen Pilzlinien identifizierten, bauten sie ein Netzwerk von "älter-als"- und "jünger-als"-Beziehungen auf. Diese Beschränkungen wurden mit verfügbaren fossilen Daten kombiniert, um die Schätzungen der molekularen Uhr zu verengen und eine präzisere Chronologie der Pilzdiversifikation zu erhalten. Der Ansatz ist ein kluger Einsatz genomischer Daten, um ein schwaches Fossilarchiv zu ergänzen und die Unsicherheit in Zeitabschätzungen deutlich zu reduzieren.
Revising the timeline: fungi before plants
Mit der HGT-kalibrierten molekularen Uhr schätzt die Studie den letzten gemeinsamen Vorfahren der modernen Pilze auf ungefähr 1,4–0,9 Milliarden Jahre. Dieser Zeitrahmen legt einen bedeutsamen Zeitraum — Hunderte Millionen Jahre — zwischen der anfänglichen Diversifikation der Pilze und den ersten eindeutig nachgewiesenen Landpflanzen (etwa vor 470 Millionen Jahren). In diesem langen Intervall könnten Pilze zusammen mit Algen terrestrische mikrobielle Gemeinschaften gebildet haben, Mineralien und organische Substanzkreisläufe betrieben und allmählich Gesteinsoberflächen verändert haben.
Dr. Lénárd L. Szánthó, Co-Erstautor der Studie, fasste die ökologischen Implikationen zusammen: Pilze sind grundlegend für Nährstoffrecycling und biologische Partnerschaften. Wenn sie sich bereits vor Pflanzen diversifizierten, könnten ihre Interaktionen mit Algen und Mikroben eine Übergangslandschaft geschaffen haben, die Pflanzen später die erfolgreiche Kolonisierung des Festlandes ermöglichte. Solche gemeinsamen Entwicklungspfade betonen, wie komplex die Vorbereitungsprozesse für terrestrische Besiedlung gewesen sein müssen.
Diese Erkenntnisse verändern das Bild der Kontinentkolonisierung. Statt Pflanzen als die alleinigen Pioniere terrestrischer Ökosysteme zu sehen, könnten sie in eine bereits von pilzlicher Aktivität transformierte Umwelt gelangt sein: entstehende Böden, reichere Nährstoffpools und biologische Netze, die die Etablierung von Pflanzen erleichterten. Dadurch rückt die Rolle mikrobieller Gemeinschaften stärker ins Zentrum der Debatte über Paläoökologie und Landnahmeprozesse.
Scientific context: multicellularity and five lineages
Komplexe Mehrzelligkeit — Organismen mit differenzierten Zellen, die zu Geweben organisiert sind — entstand auf der Erde mindestens fünfmal unabhängig: bei Tieren, Landpflanzen, Pilzen, roten Algen und braunen Algen. Jede dieser Übergangsphasen zur Mehrzelligkeit erforderte Innovationen wie Adhäsionsmoleküle, Mechanismen zur Zellkommunikation und neue Entwicklungsprogramme. Während Fossilien direkte Hinweise für einige Linien liefern (z. B. Ediacara-Tiere, frühe Algenmatten und Pflanzensporen), ist die Pilzüberlieferung bruchstückhaft. Die zeitliche Einordnung der Entwicklung pilzlicher Komplexität schließt daher eine wichtige Lücke in unserem Verständnis, wie Leben seinerseits an mehreren Stellen ähnliche Lösungen zur Organisation komplexer Formen gefunden hat.
Darüber hinaus zeigt die multiple Entstehung komplexer Organisation, dass evolutionäre Innovationen oft konvergente Wege gehen: ähnliche ökologische Herausforderungen (z. B. das Leben in Schichten mit variierenden Nährstoff- und Lichtbedingungen) führen zu ähnlichen funktionellen Anpassungen unabhängig voneinander. Im Fall der Pilze ist es wichtig, nicht nur die Zeitpunkte, sondern auch die evolutionären Mechanismen und ökologischen Kontexte zu untersuchen, die solche Übergänge möglich machten.
Implications for Earth systems and future research
Wenn Pilze bei der Bildung früher Böden und Nährstoffkreisläufe mitgewirkt haben, hat das Auswirkungen auf Modelle der frühzeitigen terrestrischen Verwitterung, des Kohlenstoffkreislaufs und darauf, wie Ökosysteme auf geologische Veränderungen reagierten. Pilze, als Produzenten von organischer Säure, Enzymen und hyphalen Strukturen, können physikalische und chemische Verwitterungsprozesse beschleunigen. Solche Effekte sind heute gut dokumentiert; die Frage ist, wie stark sie bereits in der tiefen Erdgeschichte wirksam waren. Neue experimentelle Ansätze und Feldstudien könnten fossile Spuren pilzlicher Aktivität (etwa mineralische Veränderungen, spezifische Isotopensignaturen oder texturierte Verwitterungsränder) aufspüren und so indirekte Belege liefern.
Die Studie unterstreicht auch den Wert der Integration genomischer Methoden — molekulare Uhren, Phylogenomik und HGT-Detektion — mit der Paläontologie. Zukünftiger Fortschritt wird aus erweiterten Genomdaten, verbesserten Modellen molekularer Evolution und dem Auffinden neuer Fossilien resultieren, die unabhängige Kalibrierungspunkte bieten. Besonders die Sequenzierung früh abzweigender Pilzgruppen sowie environmental DNA (eDNA)-Analysen aus alten Sedimenten könnten die Auflösung weiter erhöhen.
Zusätzlich benötigen Modelle, die diese Forschungsergebnisse integrieren, eine enge Zusammenarbeit von Paläontologen, Geochemikern und Evolutionsbiologen. Nur so lassen sich genomische Signale mit geochemischen Indikatoren und stratigraphischen Kontexten verknüpfen, um ein robustes Bild frühzeitlicher terrestrischer Ökosystementwicklungen zu erzeugen.
Expert Insight
"Diese Arbeit zeigt, wie genomische Detektivarbeit die verborgene Geschichte der Erde enthüllen kann", sagt Dr. Miriam Halvorsen, eine Mikrobioökologin (fiktiv zur Kontextualisierung). "Pilze sind oft unsichtbare Ingenieure: Sie verändern Mineralien, speichern Nährstoffe und bauen das mikrobielle Gerüst, das spätere Organismen nutzen. Genomische Hinweise darauf, dass Pilze sich lange vor Pflanzen diversifizierten, legen nahe, dass die Terrestrialisierung ein mehrstufiger Prozess war, bei dem mikrobiellen Gemeinschaften große Teile der Vorbereitung übernahmen."
Dr. Halvorsen ergänzt, dass die HGT-basierte Kalibrierungsmethode auch auf andere Gruppen mit schlechtem Fossilbericht anwendbar sein könnte und so Zeitrahmen für evolutionäre Übergänge über den gesamten Lebensbaum hinweg verfeinern kann. Solche methodischen Übertragungen sind wichtig, um kohärente Zeitlinien für mehrere, parallel verlaufende evolutionäre Ereignisse zu entwickeln.
Related technologies and future prospects
Technologien, die diese Forschung beschleunigen werden, umfassen hochdurchsatzfähige Genomsequenzierung früher-aufzweigender Pilze und Umweltproben, verbesserte Algorithmen zur Detektion alter HGT-Ereignisse und geochemische Werkzeuge zur Identifikation von Biosignaturen pilzlicher Verwitterung in uralten Gesteinen. Kombinationen dieser Ansätze ermöglichen es, die Hypothese zu testen, dass pilzliche Aktivität die Kontinentaloberflächen materiell veränderte, bevor Pflanzen weit verbreitet waren.
Praktisch bedeutet das: gezielte Probennahme an sedimentologischen Schlüsselstellen, experimentelle Simulation von Pilz–Gesteins-Interaktionen unter kontrollierten Bedingungen und integrierte Datenanalysen, die genetische, geochemische und stratigraphische Informationen zusammenführen. Solche multidisziplinären Studien werden die Robustheit chronologischer Aussagen erhöhen und gleichzeitig neue Einsichten in die Mechanik früher Bodenbildung liefern.
Conclusion
Das entstehende Bild zeichnet Pilze nicht als Spätankömmlinge an Land, sondern als langfristige Architekten terrestrischer Bewohnbarkeit. Durch Diversifikation und Wechselwirkungen mit Algen und Mikroben über Hunderte von Millionen Jahren hinweg könnten Pilze die ersten Böden und Nährstoffnetzwerke geschaffen haben, die Pflanzen später zum Erfolg verhalfen. Die Integration von Genomik, HGT-Analyse und Paläontologie eröffnet einen neuen Pfad zur Rekonstruktion der tiefen ökologischen Geschichte der Erde und ermöglicht ein tieferes Verständnis der biologischen Kräfte, die unseren Planeten formten. Künftige Forschung, die genetische, geologische und chemische Belege zusammenführt, wird entscheidend sein, um dieses Modell weiter zu prüfen und zu verfeinern.
Quelle: scitechdaily
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