Ultra-verarbeitete Lebensmittel und chronische Entzündung

Eine Analyse US-amerikanischer Daten zeigt: Hoher Konsum ultra-verarbeiteter Lebensmittel steht in Verbindung mit erhöhten hs-CRP-Werten, einem Entzündungsmarker, der Herzkrankheiten, bestimmte Krebsarten und höhere Sterblichkeit vorhersagt.

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Ultra-verarbeitete Lebensmittel und chronische Entzündung

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Moderne Ernährungsweisen werden zunehmend von ultra-verarbeiteten Lebensmitteln (UPF) dominiert – dazu gehören Limonaden, abgepackte Snacks, rekonstituierte Fleischprodukte und viele Fertiggerichte. Eine aktuelle Analyse US-amerikanischer Bevölkerungsdaten bringt einen starken Zusammenhang zwischen hohem UPF-Konsum und erhöhten Werten des hochsensitiven C-reaktiven Proteins (hs-CRP) ans Licht. Hs-CRP ist ein Blutmarker für systemische Entzündungen und ein prädiktiver Indikator für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bestimmte Krebsarten und erhöhte Sterblichkeit. Die Studie wirft neue Fragen auf, ob unsere Abhängigkeit von industriell hergestellten Lebensmitteln über Jahrzehnte hinweg kumulative Risiken schaffen kann.

Ultra-verarbeitete Lebensmittel stehen im Verdacht, versteckte, chronische Entzündungsprozesse zu fördern, die zu Herzkrankheiten, Krebs und vorzeitiger Mortalität beitragen können.

Was die große US-Umfrage ergab

Für die Analyse werteten die Forschenden Ernährungsangaben und Biomarker-Daten von 9.254 Erwachsenen aus, die in der National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) eingeschlossen waren. Die Energiezufuhr jeder Person wurde danach kategorisiert, welcher Anteil der täglichen Kalorien aus UPF stammte, und diese Anteile wurden mit den gemessenen hs-CRP-Konzentrationen verglichen. Die Bandbreite des UPF-Konsums in der Population war groß: viele Erwachsene bezogen etwa ein Drittel ihrer Kalorien aus ultra-verarbeiteten Produkten, während einzelne Personen bis zu zwei Drittel oder mehr aus solchen Lebensmitteln aufnahmen.

Nach Anpassung an Alter, Geschlecht, Rauchstatus, körperliche Aktivität und weitere gesundheitliche Einflussfaktoren zeigte die Auswertung einen deutlichen Zusammenhang zwischen UPF-Konsum und Entzündungsmarkern. Personen in der Gruppe mit dem höchsten Konsum — die 60 % bis 79 % ihrer täglichen Kalorien aus UPF bezogen — hatten signifikant höhere Wahrscheinlichkeiten für erhöhte hs-CRP-Werte als Teilnehmer in der niedrigsten Verbrauchsgruppe. Selbst Teilnehmer mit moderat-hohem Konsum (40 % bis 59 % der Kalorien aus UPF) wiesen ein spürbar erhöhtes Risiko auf.

Diese Muster blieben in verschiedenen statistischen Modellen robust und deuten darauf hin, dass die Zusammensetzung der modernen Ernährung — nicht nur die reine Kalorienmenge — zu einer niedriggradigen systemischen Entzündung beitragen kann. Die Autorinnen und Autoren der Studie betonen, dass hs-CRP ein gut validierter, kostengünstiger Test ist, der häufig zur Abschätzung des kardiovaskulären Risikos verwendet wird; dementsprechend haben die Befunde sowohl klinische als auch öffentliche Gesundheitsrelevanz.

Warum Entzündungen für die langfristige Gesundheit wichtig sind

Entzündungen sind eine grundlegende Reaktion des Immunsystems auf Verletzung oder Infektion. Werden diese Reaktionen jedoch chronisch und niedriggradig anstatt akut, wirken sie wie eine langsame Erosion von Organen und Geweben. Chronische systemische Entzündungen sind mit einer Vielzahl von Erkrankungen assoziiert: Arteriosklerose und Herzinfarkte, Typ-2-Diabetes, bestimmte Krebsarten (darunter steigende Raten von Darmkrebs bei jüngeren Erwachsenen) sowie einige neuropsychiatrische Erkrankungen.

Das hochsensitive C-reaktive Protein wird in der Leber gebildet und steigt als Reaktion auf entzündliche Botenstoffe an. Klinisch werden erhöhte hs-CRP-Werte mit einem höheren Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse in Verbindung gebracht; übliche Grenzwerte sind grob: <1 mg/l (niedriges Risiko), 1–3 mg/l (moderates Risiko) und >3 mg/l (erhöhtes Risiko). Aus bevölkerungsgesundheitlicher Sicht könnte eine Ernährung, die dauerhaft zu höheren hs-CRP-Werten führt, die Krankheitslast in der Bevölkerung über Jahre hinweg steigern.

Welche Gruppen besonders gefährdet sind und warum

Die Untersuchung identifizierte mehrere Subgruppen mit überproportional höheren Entzündungswerten. Personen mittleren Alters — insbesondere diejenigen in ihren 50ern — zeigten stärkere hs-CRP-Erhöhungen im Zusammenhang mit UPF-Konsum als jüngere Erwachsene. Adipositas verstärkte den Zusammenhang deutlich: Menschen mit Übergewicht oder Adipositas hatten deutlich höhere Odds für erhöhte hs-CRP-Werte im Vergleich zu Personen mit gesundem Körpergewicht. Aktuelle Raucherinnen und Raucher wiesen ebenfalls höhere Entzündungsmarker auf als nie-Raucherinnen und -Raucher.

Interessanterweise fand die Studie nach Kontrolle weiterer Faktoren keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen inaktiven Personen und solchen, die die empfohlenen Aktivitätsmengen erfüllten, was darauf hindeutet, dass die Qualität der Ernährung einen eigenständigen Einfluss auf Entzündungsprozesse ausüben kann, der über die Wirkung körperlicher Aktivität hinausgeht. Dennoch scheint die Kombination aus schlechter Ernährung, Übergewicht und Tabakkonsum das Risiko kumulativ zu verstärken.

Mechanismen und beitragende Faktoren

Ultra-verarbeitete Lebensmittel sind gezielt für lange Haltbarkeit, intensive Geschmacklichkeit und einfache Überkonsumierbarkeit konstruiert. Sie enthalten in der Regel viele raffinierte Kohlenhydrate, zugesetzte Zucker, ungünstige Fette und viel Natrium, während Ballaststoffe, Mikronährstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe, wie sie in unverarbeiteten Grundnahrungsmitteln vorkommen, fehlen. Zusätzlich finden sich in UPF zahlreiche Zusatzstoffe, Geschmacksverstärker und neuartige Inhaltsstoffe, die in traditionellen Ernährungsweisen selten oder gar nicht vorkamen.

Mehrere biologisch plausible Pfade könnten UPF mit Entzündung verbinden: schnelle postprandiale Blutzucker- und Lipidspitzen, Veränderungen der Darmmikrobiota infolge ballaststoffarmer Formulierungen, proinflammatorische Effekte bestimmter Zusatzstoffe oder Emulgatoren sowie metabolischer Stress durch überschüssige Kalorienzufuhr. Auch die Bildung fortgeschrittener Glykationsendprodukte (AGEs) bei verarbeiteten und hoch erhitzten Lebensmitteln kann Entzündungsprozesse fördern. Auf lange Sicht können diese Mechanismen systemische Marker wie hs-CRP erhöhen und die Entstehung kardiometabolischer Erkrankungen begünstigen.

Folgen für die öffentliche Gesundheit und die Tabak-Analogie

Die Autorinnen und Autoren ziehen eine vorsichtige Parallele zwischen der Verbreitung von UPF und dem historischen Anstieg des Tabakkonsums: Es bedurfte Jahrzehnte von Forschung, Gesundheitsaufklärung und politischen Maßnahmen, um das Rauchen trotz starker Gegenwehr der Industrie einzudämmen. Das Team schlägt vor, dass ebenso koordinierte Maßnahmen notwendig sein könnten, um den Konsum ultra-verarbeiteter Lebensmittel und die damit verbundenen langfristigen Schäden zu reduzieren. Maßnahmen könnten bessere Kennzeichnung, Einschränkungen bestimmter schädlicher Zusatzstoffe, finanzielle Anreize für Vollwertkost in Schulen sowie Förderprogramme für gesunde Lebensmittel beinhalten.

Wichtig ist dabei die Frage der Zugänglichkeit und Erschwinglichkeit: Viele Bevölkerungsgruppen haben nur eingeschränkten Zugang zu preiswerten, frischen Lebensmitteln. Eine effektive Strategie muss daher Bildungsmaßnahmen mit strukturellen Veränderungen kombinieren, um die lokalen Ernährungsumgebungen so zu gestalten, dass gesündere Entscheidungen leichter fallen.

Expertinnen- und Experteneinschätzung

„Das Signal, das ultra-verarbeitete Lebensmittel mit systemischer Entzündung verknüpft, wird immer schwerer zu ignorieren“, erklärt Dr. Maya L. Grant, eine Epidemiologin mit Schwerpunkt Ernährung und chronische Erkrankungen. „Auch wenn einzelne Studien keine Kausalität beweisen, deuten konsistente Assoziationen in großen, repräsentativen Stichproben darauf hin, dass diese Produkte zu biologischen Pfaden beitragen, die das Krankheitsrisiko erhöhen. Ärztinnen und Ärzte können damit beginnen, Ernährungsgewohnheiten mit ihren Patientinnen und Patienten zu besprechen und sich für politische Maßnahmen einzusetzen, die gesündere Optionen leichter zugänglich machen.“

Dr. Grant ergänzt: „Die Reduktion des UPF-Konsums zugunsten von Vollwertkost — Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte — kann metabolischen Stress verringern und möglicherweise dazu beitragen, Entzündungsmarker wie hs-CRP langfristig zu senken.“

Die Studie untermauert eine einfache gesundheitsbezogene Botschaft in komplexer biologischer Verkleidung: Unsere Ernährung beeinflusst nicht nur Kalorien und Körpergewicht, sondern auch langsame, unsichtbare Prozesse, die vielen häufigen und schwerwiegenden Erkrankungen zugrunde liegen. Während Forschung und Politik die langfristigen Effekte ultra-verarbeiteter Ernährungsweisen weiter untersuchen, können Ärztinnen, Verbraucherinnen und Verbraucher vorhandene Biomarker und ernährungswissenschaftliche Empfehlungen nutzen, um fundiertere Entscheidungen zu treffen.

Quelle: scitechdaily

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