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Fallender Hashpreis treibt kleinere Miner in Abschaltung
Der Bitcoin-Mining-Sektor steht erneut unter erheblichem Druck, weil der branchenübliche Kennwert Hashpreis sich der kritischen Marke von 40 US-Dollar pro PH/s nähert. Der Hashpreis, der die geschätzten täglichen Einnahmen pro Petahash pro Sekunde misst und damit die unmittelbare Rentabilität von Mining-Hardware abbildet, ist seit seinem Juli-Höchststand von über 62 USD pro PH/s auf heute rund 42 USD pro PH/s gesunken. Dieser Rückgang verengt ohnehin knappe Gewinnmargen weiter und zwingt viele kleinere und mittelgroße Betreiber dazu, ihre Wirtschaftlichkeitsberechnungen neu zu prüfen und zu entscheiden, ob sie ihre Geräte weiter betreiben oder vorübergehend bzw. dauerhaft abschalten.
Der Hashpreis wirkt sich auf jede Stufe der Mining-Wertschöpfungskette aus: Er beeinflusst die Nachfrage nach Mining-Hardware, die Liquidität von Betreibern, den Handel mit gebrauchten Maschinen und die Investitionsbereitschaft von Kapitalgebern. Wenn die Erträge schrumpfen, verlangsamen sich Hardware-Bestellungen, Projekte werden verschoben und Hersteller passen ihre Strategien an, um Umsatzeinbußen zu kompensieren. Laut Branchenberichten, darunter Veröffentlichungen wie TheMinerMag, prüfen Betreiber in verschiedenen Regionen Abschaltungen, während Zulieferer mit sinkender Nachfrage und zusätzlichen, in Bitcoin denominierten Buchverlusten nach dem Marktrückgang im Oktober konfrontiert sind.

Hashpreis fällt stark und nähert sich einem kritischen Niveau
Auswirkungen auf die Lieferkette und Reaktionen der Hersteller
Die nachlassende Nachfrage nach Mining-Geräten zeigt sich in schwächeren Auftragsbüchern bei Herstellern von ASICs und kompletten Mining-Lösungen. Viele Anbieter berichten von Verzögerungen bei Bestellungen und einer höheren Unsicherheit bei Neukäufen. Einige börsennotierte Unternehmen reagieren, indem sie ihre Geschäftsmodelle anpassen: Sie erhöhen eigene Mining-Aktivitäten, legen Bestände an Maschinen an oder versuchen, zusätzliche Dienstleistungen im Bereich Rechenzentrumsbetrieb anzubieten, um Umsatzlücken zu füllen. Hersteller wie Bitdeer haben zum Beispiel ihre internen Mining-Kapazitäten ausgebaut, um überschüssige Bestände zu monetarisieren und wiederkehrende Einnahmen zu stabilisieren, solange der Verkauf von neuer Hardware stagniert.
Diese strategischen Anpassungen wirken sich wiederum auf Zulieferer längs der Wertschöpfungskette aus: Komponentenhersteller, Kühlungslösungsbauer und Logistikpartner sehen volatile Nachfragezyklen, die Planungssicherheit erschweren. Die Umstellung von reinen Verkaufs- auf Betriebsmodelle (Hardware-as-a-Service, Hosting, Colocation) kann kurz- bis mittelfristig helfen, die Erlöse zu diversifizieren, erfordert aber zusätzliche Investitionen in Management, Wartung und Vertriebsaufbau.
Steigende Kosten, CAPEX und Energiepreise
Hohe Kapitalaufwendungen für den regelmäßigen Austausch und das Upgrade von ASICs, gestiegene Energiepreise in vielen Märkten und der zunehmende Wettbewerbsdruck durch eine wachsende globale Hashrate haben zusammen zu deutlich komprimierten Margen bei Minern geführt. Für zahlreiche Betreiber sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Bitcoin-Minings nur dann nachhaltig, wenn sie Zugang zu sehr günstigen Stromtarifen, langfristig stabilen Elektrizitätsverträgen oder hoher betrieblicher Effizienz haben. In Regionen ohne solche Vorteile sinkt die Gewinnschwelle schnell: Stromkosten, Kühlung, Personal- und Instandhaltungskosten sowie Finanzierungskosten für neue Geräte können die Nettorenditen vollständig aufzehren.
Zusätzlich führen strengere regulatorische Anforderungen in einigen Jurisdiktionen zu höheren Betriebskosten: Umweltauflagen, Anschlussgebühren für das Stromnetz oder Vorschriften zur Energieeffizienz können die Total-Cost-of-Ownership (TCO) eines Mining-Standorts innerhalb kurzer Zeit spürbar verteuern. Das Ergebnis ist eine zunehmende Risikoprämie bei Investitionen in Mining-Hardware, was wiederum die Nachfrage nach neuen Maschinen dämpft und Gebrauchtgeräte in den Fokus rückt.
Hashrate-Wachstum und Auswirkungen des Halvings
Parallel zum fallenden Hashpreis steigt die Bitcoin-Netzwerk-Hashrate weiter an; spezialisierte ASIC-Farmen haben kürzlich die Marke von 1 Zettahash pro Sekunde (1 ZH/s) überschritten, nachdem mehrere Betreiber ihre Kapazitäten ausgeweitet haben. Ein höheres Netzwerk-Hashrate-Level bedeutet stärkeren Wettbewerb um die Block-Belohnungen und reduziert die erwarteten Erträge pro eingesetzter Recheneinheit. Zugleich hat das April-2024-Halving die Blockbelohnung auf 3,125 BTC gesenkt — ein Moment, der die langfristige Realität des Bitcoin-Protokolls unterstreicht: Miner müssen zunehmend mehr Rechenarbeit leisten, um weniger Coins zu erhalten.
Die Kombination aus steigendem Wettbewerb (Hashrate-Wachstum) und halbierten Blockbelohnungen übt konstanten Druck auf die Rentabilität aus, insbesondere für Betreiber mit älterer oder weniger effizienten Hardware. Effizienz in der Hashrate pro Watt (J/TH) wird zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor, ebenso wie die Fähigkeit, Stromkosten zu optimieren, Kühlungslösungen zu verbessern und Skaleneffekte auszuspielen. Für Investoren und Analysten ist die Entwicklung von Hashpreis und Netzwerk-Hashrate eine zentrale Messlatte für die volkswirtschaftliche Gesundheit des Mining-Ökosystems.

Die Hashrate des Bitcoin-Netzwerks klettert weiter und hat die Marke von 1 Zettahash pro Sekunde (ZH/s) überschritten
Historischer Kontext und technologische Notwendigkeit
In den Anfangsjahren von Bitcoin konnten Einzelpersonen mit CPUs oder später GPUs noch profitabel minen. Heute sind spezialisierte ASICs (Application-Specific Integrated Circuits) unabdingbar, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die technische Evolution hin zu immer effizienteren ASIC-Generationen hat die Eintrittsbarrieren erhöht: Wer nicht regelmäßig in moderne Maschinen investiert, riskiert, gegenüber Konkurrenten mit niedrigeren Betriebskosten ins Hintertreffen zu geraten.
Die langfristige Tendenz von schrumpfenden Block-Belohnungen (durch Halvings) und wachsender Hashrate schafft für viele kleinere Miner eine Art Entscheidungszwang: Entweder sie tätigen erhebliche Investitionen in Next-Gen-ASICs und optimieren Standort- sowie Stromkosten, oder sie schalten ab und verkaufen Hardware oder betreiben sie nur saisonal, wenn Strompreise niedrig sind. Diese Dynamik führt zu Marktkonsolidierung, da größere, effizientere Betreiber Skalenvorteile nutzen können, während kleinere Player zunehmend Druck ausgesetzt sind.
Miner diversifizieren: Pivot zu KI- und Compute-Verträgen
Um Einkommensvolatilität zu reduzieren und vorhandene Infrastruktur besser auszunutzen, haben sich mehrere Mining-Unternehmen in Richtung KI-Compute- und Hochleistungs-Rechenzentrumsdienste diversifiziert. Diese Umorientierung ermöglicht es Unternehmen, überschüssige Energie- und Rack-Kapazitäten zu monetarisieren, indem sie GPU- und spezialisierte Rechenleistung für KI-Workloads und wissenschaftliche Berechnungen bereitstellen. Solche Compute-Verträge bieten längere Laufzeiten und planbaren Umsatz, was in Zeiten schwacher Bitcoin-Erträge attraktiv ist.
Prominente Beispiele zeigen die Tiefe dieses Trends: Cipher Mining schloss kürzlich einen 15-jährigen Compute-Vertrag im Wert von 5,5 Milliarden US-Dollar mit Amazon Web Services (AWS) ab, während IREN einen 9,7 Milliarden US-Dollar schweren GPU-Compute-Vertrag mit Microsoft unterzeichnete. Diese Deals illustrieren, wie Mining-Firmen ihre Rechenzentren, Standorte und Energieverträge für neue Umsatzströme nutzen können. Die Umstellung ist jedoch nicht trivial: Der Betrieb von GPU-lastigen Rechenzentren erfordert andere Kühlungs- und Stromversorgungsarchitekturen, spezialisiertes Personal sowie neue Vertriebs- und Vertragsstrukturen.
Für einige Miner ist die Diversifikation in Richtung AI-Compute ein langfristiger Wettbewerbsvorteil: Sie schaffen wiederkehrende, oft in Fiat währungsgebundene Einnahmequellen, reduzieren die Abhängigkeit vom Bitcoin-Preis und erhöhen die Auslastung ihrer Infrastruktur. Gleichzeitig eröffnet sich durch die Bereitstellung von GPU- und spezialisierten Rechenkapazitäten ein Markt mit hoher Nachfrage, da KI-Firmen und Forschungseinrichtungen kontinuierlich zusätzliche Leistung suchen.
Gleichwohl sind auch Risiken vorhanden: Kontrahenten in der Cloud- und KI-Branche erwarten Service-Level-Agreements (SLAs), Verfügbarkeit und Support in einer Qualität, die viele reine Miner erst aufbauen müssen. Zudem kann die Umwandlung von Mining-Standorten in Multi-Use-Rechenzentren investitionsintensiv sein, etwa durch die Nachrüstung von Stromverteilungen, Transformatoren oder durch die Installation energieeffizienterer Kühlungslösungen.
Während sich die Branche anpasst, werden Marktteilnehmer Hashpreis- und Bitcoin-Preisbewegungen genau beobachten. Anhaltende Schwäche in einem der beiden Parameter könnte zusätzliche Konsolidierungen oder einen beschleunigten Ausstieg kleinerer Betreiber zur Folge haben. Umgekehrt könnten nachhaltige Preisrückgänge im Strommarkt, Effizienzsteigerungen bei Hardware oder eine Erholung des Bitcoin-Preises die Profitabilität stabilisieren und die Nachfrage nach neuer Mining-Hardware wieder beleben.
Insgesamt zeigt die aktuelle Phase, wie sensitiv die Bitcoin-Mining-Ökonomie gegenüber Preis-, Kosten- und technologischen Trends ist. Betreiber, Hersteller und Investoren wägen derzeit zwischen kurzfristigen Anpassungen und langfristigen strategischen Veränderungen ab. Wer frühzeitig in Effizienz, Diversifikation und flexible Geschäftsmodelle investiert, erhöht seine Chancen, in einem volatilen Umfeld nicht nur zu überleben, sondern gestärkt hervorzugehen.
Quelle: cointelegraph
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