Partnerschaft und Gewicht: Warum Paare oft zunehmen

Eine australische Längsschnittstudie zeigt: Partnerschaften gehen oft mit leichter, aber beständiger Gewichtszunahme einher. Gründe, gesundheitliche Abwägungen und praktische Tipps für Paare werden erläutert.

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Partnerschaft und Gewicht: Warum Paare oft zunehmen

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Neue Daten aus einer australischen Längsschnittstudie deuten darauf hin, dass romantische Partnerschaften häufig mit einer moderaten, aber beständigen Gewichtszunahme einhergehen. Das Muster wirkt auf den ersten Blick überraschend: Verheiratete Menschen zeigen auf dem Papier oft gesündere Verhaltensweisen — sie rauchen weniger, trinken seltener exzessiv und berichten von mehr Obst- und Gemüsekonsum — dennoch steigt ihr durchschnittlicher Body-Mass-Index (BMI) nach Eintritt in eine feste Beziehung. Diese Beobachtung ist relevant für Themen wie Gewichtszunahme in Beziehungen, Partnerschaft und Gesundheit sowie Prävention von Übergewicht in Paaren.

Was die Studie untersuchte und welche Ergebnisse sie lieferte

Forscherinnen und Forscher der University of Queensland werteten Gesundheitsdaten von mehr als 15.000 Erwachsenen über einen Zeitraum von zehn Jahren (2005–2014) aus. In der Publikation in PLoS One, die auch in Medien wie New Scientist diskutiert wurde, analysierte das Team Veränderungen des BMI, während die Teilnehmenden in langfristige Beziehungen eintraten oder in ihnen verblieben. Methodisch wurden wiederholte Messungen genutzt, um Trends innerhalb von Individuen zu erfassen und nicht nur Querschnittsunterschiede zwischen Singles und Verheirateten. Die Kernerkenntnis: Der Beginn einer festen Partnerschaft ging oft mit einer leichten, aber konsistenten Zunahme des BMI einher, obwohl viele Paare gleichzeitig Verhaltensweisen annahmen, die normalerweise mit besserer Gesundheit assoziiert werden.

Die Studie differenzierte außerdem nach Altersgruppen, Geschlecht und sozioökonomischem Hintergrund und berichtete, dass die Gewichtseffekte nicht vollständig durch demografische Faktoren erklärt werden konnten. Solche Längsschnittanalysen sind wertvoll, weil sie zeitliche Zusammenhänge und mögliche Übergangseffekte (etwa vom Single- zum Paarstatus) sichtbar machen. Dennoch weisen die Autorinnen und Autoren auf Limitationen hin: Selbst mit umfangreichen Daten bleiben Fragen zu kausalen Mechanismen, zu gemessenen und ungesehenen Confoundern sowie zu der Übertragbarkeit auf andere Länder offen. Für öffentliche Gesundheitsforschung, die sich mit Paaren, BMI-Trends und Prävention von Adipositas beschäftigt, liefert die Studie aber wichtige Impulse.

Warum nehmen Paare zu, obwohl ihr Verhalten gesünder wirkt?

Auf den ersten Blick erscheinen die Befunde widersprüchlich. Verheiratete Erwachsene rauchen seltener, konsumieren im Durchschnitt weniger riskante Mengen an Alkohol und geben an, häufiger Obst und Gemüse zu essen als Alleinstehende. Trotz dieser positiven Verhaltensindikatoren steigt jedoch bei vielen Paaren das Körpergewicht. Die leitende Forscherin und andere Expertinnen sehen in psychologischen und sozialen Faktoren eine plausible Erklärung: Komfort, geringerer äußerer Druck zur Aufrechterhaltung eines bestimmten Erscheinungsbildes und gemeinsame Mahlzeiten spielen eine zentrale Rolle.

Wenn eine Beziehung Stabilität gewinnt, schwinden oft die kurzfristigen Anreize, schlank zu bleiben, um einen potenziellen Partner zu beeindrucken. Dieses emotionale Sicherheitsgefühl kann sich in häufigerem Genussessen, größeren Portionsgrößen, vermehrtem Bestellen von Desserts und einer insgesamt entspannten Haltung gegenüber kalorienreichen Lebensmitteln niederschlagen. In der Ernährungsforschung wird dieses Phänomen teilweise als "social facilitation" beschrieben: Essen in Gesellschaft verändert Dosierung, Auswahl und Tempo des Essens — und soziale Mahlzeiten sind häufig kalorienreicher als einzelne Mahlzeiten zuhause.

Darüber hinaus beeinflussen gemeinsame Routinen und Rituale das Verhalten: Paare entwickeln Vorlieben und Gewohnheiten, die miteinander synchronisieren — etwa das regelmäßige Abendessen beim Lieblingsrestaurant, gemeinsames Snacken beim Fernsehen oder einander zugewandte Belohnungsrituale nach der Arbeit. Solche Verhaltensmuster können die Kalorienbilanz verschieben, selbst wenn die Qualität der Nahrungsmittel in Form von mehr Obst und Gemüse steigt. Auch Unterschiede in der Wahrnehmung von Portionsgrößen, das Teilen von Speisen und das geringere Selbstmonitoring in vertrauten Kontexten tragen zur Gewichtszunahme bei.

Weitere Treiber: Kinder, Reste und Lebensstilveränderungen

Elternschaft verstärkt den beobachteten Effekt in vielen Fällen. Mit Kindern ändern sich Essensrhythmen, Einkaufsmuster und Zeitbudgets; Eltern neigen dazu, Kinderreste zu probieren, Snacks zu teilen oder schnell verfügbare, aber oft kalorienreichere Fertigprodukte zu wählen, weil Zeit für aufwändige Zubereitung fehlt. Das ständige Angebot kleiner Snacks über den Tag sowie das Probieren von Kindernahrung summieren sich zu einer zusätzlichen Kalorienzufuhr. Untersuchungen legen nahe, dass diese Effekte besonders ausgeprägt sind, wenn Arbeits- und Familienbelastungen zu weniger geplanter Essensvorbereitung und zu weniger strukturierter körperlicher Aktivität führen.

Eine ergänzende Studie der University of Glasgow berichtete, dass frisch verheiratete Paare im Durchschnitt 1,8–2,2 Kilogramm im ersten Jahr nach der Ehe zunahmen — eine kleine, aber in Populationen messbare Verschiebung des Gewichtsprofils. Solche Zahlen mögen individuell moderat wirken, sind aber aus ernährungs- und gesundheitspolitischer Perspektive relevant, weil kumulative Gewichtszunahmen über Jahre hinweg das Risiko für metabolische Erkrankungen und Adipositas erhöhen können. Zusätzlich wirken sich veränderte Schlafmuster, Stresslevel und hormonelle Anpassungen (zum Beispiel durch Schlafmangel beeinflusste Hormone wie Leptin und Ghrelin) auf Appetit und Energiebilanz aus und können die Gewichtsentwicklung mitbestimmen.

Gesundheitliche Abwägungen: Weniger Rauchen, aber mehr Kalorien

Insgesamt ist das Verbleiben in einer Partnerschaft nicht pauschal negativ für die Gesundheit. Ehepartner profitieren oft von besserer psychischer Gesundheit, emotionaler Unterstützung und niedrigeren Raten riskanten Verhaltens; Männer etwa zeigen nach Heirat tendenziell geringere Rauchraten und seltener riskanten Alkoholkonsum als geschiedene oder alleinstehende Männer. Beziehungen können soziale Kontrolle und Fürsorge fördern, die sich positiv auf Gesundheitsverhalten auswirken — etwa regelmäßige Arztbesuche oder gesundheitssichernde Maßnahmen.

Gleichzeitig scheinen romantische Beziehungen einige schädliche Gewohnheiten zu reduzieren und andere, wie übermäßiges Essen und ein verringertes körperliches Selbstmonitoring, zu fördern. So entsteht ein gesundheitliches Trade-off: Die Reduktion von Substanzmissbrauch tritt neben einer Zunahme an Kalorienkonsum. Für Forschende und Praktiker ist wichtig zu erkennen, dass Partnerschaften multifaktorielle Effekte auf Gesundheit haben — sie beeinflussen Verhalten, soziale Einbettung, emotionale Regulation und Alltagsroutinen gleichermaßen.

Wissenschaftlich ist auch zu unterscheiden, in welchem Maße Auswahlprozesse (selection effects) und ursächliche Wirkung (causal effects) eine Rolle spielen: Wählen gesündere Menschen häufiger eine feste Partnerschaft, oder verändert die Partnerschaft das Verhalten nach Eintritt? Längsschnittdaten helfen, diese Fragen zu klären, doch verbleiben komplexe Wechselwirkungen zwischen Lebensphase, beidseitigem Verhalten und gesellschaftlichen Normen.

Was das für öffentliche Gesundheit und Individuen bedeutet

Für Public-Health-Forschende und Klinikerinnen verdeutlichen diese Ergebnisse die Notwendigkeit, soziale und kontextuelle Faktoren rund ums Essen anzusprechen — nicht nur individuelle Willensentscheidungen. Interventionen, die Paare einbeziehen, könnten effektiver sein als rein individualisierte Maßnahmen. Solche Paar-basierte Ansätze umfassen gemeinsame Bewegungsprogramme, Achtsamkeitsübungen beim Essen (mindful eating), Strategien zur Portionskontrolle und das Training sozialer Unterstützung für gesundheitsfördernde Verhaltensweisen.

In der primären Gesundheitsversorgung könnten Ärztinnen und Ärzte sowie Ernährungsberater Paar-Dynamiken aktiv thematisieren: Wie werden Mahlzeiten geplant? Welche Rolle spielen Freizeitaktivitäten, gemeinsame Freizeitgestaltung und nächtliche Snacks? Verhaltensänderungsstrategien, die Paare als Einheit adressieren — etwa gemeinsam vereinbarte Bewegungsziele, Kochworkshops für beide Partner oder strukturierte Selbstüberwachung gekoppelt mit positiver Verstärkung — können helfen, beziehungsspezifische Gewichtseffekte abzuschwächen, ohne die sozialen und emotionalen Vorteile einer Partnerschaft zu unterminieren.

Auf Bevölkerungsebene sollten Gesundheitskampagnen und Präventionsprogramme berücksichtigen, dass Lebenspartnerschaften sowohl schützende als auch risikofördernde Effekte haben. Maßnahmen, die soziale Mahlzeiten gesünder gestalten (z. B. Restaurantportionsgrößen, Informationen zur Portionskontrolle, kinderfreundliche aber nährstoffreiche Snacks), sowie Arbeitszeit- und familienpolitische Maßnahmen zur Reduktion von Stress und Zeitmangel, können indirekt positive Effekte auf die Gewichtsentwicklung von Paaren haben.

Praktische Handlungsempfehlungen

  • Achten Sie auf Portionsgrößen bei gemeinsamen Mahlzeiten und Abendessen zu zweit: Kontrollieren Sie Portionsgrößen bewusst, indem Sie kleinere Teller verwenden oder Portionen vorportionieren, statt direkt aus großen Schüsseln zu essen.
  • Integrieren Sie gemeinsame körperliche Aktivitäten in den Alltag: Gemeinsame Spaziergänge, Radfahren oder ein wöchentliches Sportangebot fördern Bewegung, soziale Bindung und sind effektiver als sporadische Einzelaktionen.
  • Seien Sie aufmerksam gegenüber zusätzlichen Kalorien durch Snacks der Kinder und übrig bleibende Portionen: Regelmäßiges Probieren oder „nur ein Bissen“ summiert sich — planen Sie Mahlzeiten und Snackzeiten so, dass Versuchungen reduziert werden.
  • Setzen Sie auf ausgewogene, beständige Gewohnheiten statt kurzfristiger Diäten nach Gewichtszunahme: Nachhaltige Ernährungsumstellungen, regelmäßige Mahlzeiten und moderates Portionenmanagement sind langfristig wirksamer.

Zusammenfassend zeigt die Forschung, dass Partnerschaft und Partnerschaftsstatus wichtige, aber ambivalente Einflüsse auf Gesundheit und Gewicht haben. Sie verringern tendenziell einige Risikofaktoren wie Rauchen, können aber gleichzeitig durch veränderte soziale Routinen und Essgewohnheiten zu einer positiven Energiebilanz führen. Für Paare, Fachkräfte im Gesundheitswesen und die öffentliche Gesundheitsplanung ist es sinnvoll, diese komplexen Interaktionen zu berücksichtigen und gezielt Maßnahmen zu fördern, die das Wohlbefinden stärken, ohne ungewollte Nebenwirkungen auf Gewicht und Adipositasrisiken zu verstärken. Durch bewusst gestaltete Alltagsroutine, gemeinsame Aktivität und achtsame Ernährung lassen sich die positiven Effekte einer Beziehung erhalten und potenzielle Gewichtseffekte abmildern.

Quelle: smarti

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