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Die Entwicklung des autonomen Fahrens in der Automobilindustrie

Die Entwicklung des autonomen Fahrens in der Automobilindustrie

2025-07-14
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8 Minuten

Die Evolution des autonomen Fahrens in der Autoindustrie

Seit Jahrzehnten treibt die Automobilindustrie die ständige Suche nach Innovation voran. Moderne Fahrzeuge werden zunehmend durch fortschrittliche Fahrerassistenzsysteme (ADAS) geprägt und erleben so eine rasante Transformation. Von den ersten Tempomat-Lösungen bis hin zu komplexen Sicherheitsfunktionen steuert die Branche aktuell auf eine Revolution zu: das echte autonome Fahren. Die sechs international anerkannten Stufen der SAE J3016-Norm definieren diese Entwicklung, wobei SAE Level 3 (L3) den entscheidenden Übergang zur tatsächlichen Fahrzeugautonomie markiert.

Während die SAE-Stufen 0 bis 2 (L0-L2) als Fahrerassistenz-Technologien gelten, bei denen die volle Verantwortung beim Fahrer bleibt, führt Level 3 die bedingte Automatisierung ein. Bis 2025 haben nur wenige Automobilhersteller Fahrzeuge mit Level 3-Autonomie tatsächlich auf öffentliche Straßen gebracht. Lokale Robotaxi-Flotten wie Waymo fahren bereits auf höheren Autonomieniveaus (Level 4+), doch für Privatkunden stellt Level 3 den entscheidenden und gleichzeitig komplexen nächsten Schritt dar.

Warum Level 3 zählt: Der kritische Übergang zum selbstfahrenden Auto

Der Sprung von Level 2 (teilautomatisiert) zu Level 3 (bedingt automatisiert) ist weit mehr als nur ein technisches Upgrade – es ist der erste wirklich bedeutende Schritt hin zur umfassenden Selbstfahr-Funktion. Level 3-Systeme übernehmen unter bestimmten Bedingungen Kontrolle über Lenkung, Beschleunigung und Bremsen, sodass der Fahrer in spezifischen Szenarien Hände und Blick vom Verkehrsgeschehen abwenden darf. Dennoch muss der Fahrer stets bereit bleiben, auf Anforderung des Systems das Steuer wieder zu übernehmen, besonders in komplexen oder sich verändernden Umgebungen.

Diese Balance zwischen Automatisierung und menschlicher Überwachung – verstärkt durch regulatorische, rechtliche und technische Herausforderungen – macht die kommerzielle Einführung von Level 3-Systemen schwierig. Viele Regierungen, insbesondere in den USA und der EU, agieren zurückhaltend, da die Haftungsfrage bei Unfällen mit autonomen Systemen unklar bleibt. Hohe Rechtsrisiken sowie die Angst vor Rückrufen und finanziellen Schäden bremsen einen flächendeckenden Rollout. Infolgedessen sind Level 3-Systeme derzeit oft auf bestimmte Regionen, Wetterbedingungen und Streckenabschnitte limitiert.

Kommerziell verfügbare Level 3 Autonom-Systeme

Honda SENSING Elite mit Traffic Jam Pilot

Honda war der weltweit erste Automobilhersteller, der ein SAE Level 3-Passagierfahrzeug in Serie produzierte und zertifizierte. Diese wegweisende Technologie wurde im Honda Legend Hybrid EX von 2021 eingeführt, ausgestattet mit dem exklusiven SENSING Elite-Paket inklusive Traffic Jam Pilot – einem von Japans Verkehrsministerium zugelassenen System.

SENSING Elite kombiniert Kameras, Radars, LIDAR, hochpräzises GNSS und ein anspruchsvolles Fahrerüberwachungssystem. Im Stau (bis 30 km/h) reguliert das Auto eigenständig Geschwindigkeit, Abstand und Lenkung, ermöglicht hands-off-Fahren inklusive automatisiertem Spurwechsel und Stop-and-Go. Das Emergency Stop Assist bringt das Fahrzeug bei Inaktivität des Fahrers sicher zum Stillstand und aktiviert Warnblinkanlage und Hupe, um die Umgebung zu warnen.

Global war die Serie auf nur 100 Fahrzeuge zur Miete in Japan limitiert. Mit der Einstellung des Legend 2022 fiel auch das Level 3-System aus dem Programm. Aktuell ist Level 3-Autonomie weder bei Honda noch Acura weltweit verfügbar.

Mercedes-Benz DRIVE PILOT

Mercedes-Benz gilt als Vorreiter für autonomes Fahren und bietet mit DRIVE PILOT das derzeit zugänglichste Level 3-System in Deutschland und ausgewählten US-Bundesstaaten an. Erhältlich ist DRIVE PILOT in der Elektro-Luxuslimousine EQS sowie in der S-Klasse und erlaubt bedingtes, echtes Autofahren ohne Hände bis zu 95 km/h auf speziell ausgewiesenen Autobahnabschnitten in Deutschland.

In Kalifornien und Nevada steht DRIVE PILOT US-Kunden zunächst im Abo-Modell zur Verfügung, funktioniert dort auf kartierten Highways im dichten Verkehr bis zu 64 km/h. Fahrzeuge mit DRIVE PILOT erkennt man an türkisfarbenen Lichtern, gemäß SAE J3134 für automatisierte Fahrzeuge. Mit dem Fortschritt der Standards passt Mercedes-Benz die Software weiter an, um den Weg für höhere Automatisierungslevel (bis Level 4) zu ebnen.

BMW Personal Pilot L3

BMW ergänzt das Level 3-Portfolio mit dem neuen Personal Pilot L3, zunächst exklusiv für die siebte Generation der 7er-Reihe (G70) in Deutschland. Die Technik verteilt sich auf Highway Assist (Level 2) und Personal Pilot (Level 3). Auf bestimmten Autobahnabschnitten ermöglicht das System vollständig freihändiges und absichtsloses Fahren bis 60 km/h, besonders bei stockendem Verkehr. Dank 5G-Konnektivität ist die Reaktionszeit besonders hoch.

Praktischer Nutzen: Fahrer können während des aktiven Personal Pilot L3 anderen Aktivitäten nachgehen (z.B. Lesen oder Video schauen), müssen aber jederzeit zur Übernahme bereit sein. Für höhere Geschwindigkeiten kehrt das Fahrzeug zu Level 2-Autonomie zurück, wobei Spurwechsel und Überwachung durch Highway Assist abgedeckt sind.

Kommende und in Entwicklung befindliche Level 3-Systeme

Stellantis STLA AutoDrive

Stellantis arbeitet aktiv an STLA AutoDrive, einer modularen Plattform für Level 2- und Level 3-Funktionen, die sich flexibel erweitern lässt. Zum Start sind Level 3-Funktionen mit freihändigem Fahren bis 60 km/h geplant, langfristig sind auch 95 km/h angestrebt. Das System wurde im vollelektrischen Jeep Wagoneer S vorgestellt und soll künftig vielfältige Fahrszenarien, einschließlich Offroad und Autobahn, abdecken. Genaue Starttermine und Konzernmarken außerhalb von Jeep sind noch offen.

GM Super Cruise

General Motors startete Super Cruise als Level 2-System im Cadillac CT6 (2017) und entwickelte es schnell weiter. Derzeit werden die Level 3-Fähigkeiten unter dem Markendach Super Cruise gebündelt – unterstützt durch Technik der inzwischen geschlossenen Cruise LLC. GM forciert die Umrüstung für Level 3-Betrieb, geplant auf über 20 Modellen wie dem Cadillac Escalade und Silverado EV bis 2025/26. Das Straßennetz für Super Cruise wächst rasant und soll bis Ende 2025 rund 1,2 Millionen Kilometer in Nordamerika abdecken, gestützt von hochpräzisen Dynamikkarten.

Ford BlueCruise

Ford BlueCruise konkurriert derzeit mit GM Super Cruise auf Level 2+ und erlaubt freihändiges Fahren auf 210.000 Kilometern kartierter Highways in Nordamerika, den sogenannten Hands-Free Blue Zones. Mittlerweile unterstützt Version 1.5 automatische Spurwechsel beim Mustang Mach-E sowie verbessere ADAS-Hardware. Ford plant Level 3-Funktionalität mit bis zu 129 km/h ab 2026, wobei BlueCruise als Abo oder Einmalkauf für zahlreiche Modelle bereitsteht – für hohe Marktabdeckung.

Rivian Autonomie-Plattform

Rivian plant, ab 2026 Level 3-Autonomie über die Autonomy Platform+ in seine nächste Generation von R1T- und R1S-Modellen zu integrieren. Die Plattform kombiniert das fortschrittliche Driver+-System (L2) und umfangreichere Autonomy Platform+, die Funktionsspektrum wie Enhanced Highway Assist und Lane Change on Command bietet. Überwachungstechnisch orientiert sich Rivian an Tesla: ein Kameraset, Radars und Ultraschallsensoren – für Level 4 ist die Integration von LIDAR denkbar.

Tesla Full Self-Driving (FSD)

Tesla verfolgt einen mutigen und teils umstrittenen Ansatz rund um autonomes Fahren. Autopilot und Full Self-Driving (FSD) versprechen seit Längerem mehr als den aktuell eingestuften Level 2. Nach einem Rebranding als Tesla Full Self-Driving (Supervised) wird 2025 die Level 3-Zertifizierung angestrebt, doch der Zeitplan und Stand der Technik werden kritisch beobachtet. Die FSD-Suite erfordert Hardware der vierten Generation oder neuer (ältere Modelle benötigen kostenpflichtige Upgrades bis 3.000 Dollar). Noch leistungsfähigere Hardware 5 ist bereits in Entwicklung – mit weiteren Fortschritten, aber auch Unsicherheiten über den breiten Rollout echter Level 3-Funktionen.

Volvo Ride Pilot

Volvo Ride Pilot entstand aus der Kooperation mit Luminar und Zenseact und wurde 2022 erstmals präsentiert. Ziel ist die Zertifizierung für SAE Level 3, zunächst im vollelektrischen EX90 SUV. Ride Pilot soll mittelfristig das bisherige Level 2-System Pilot Assist ersetzen. Testeinsätze laufen in Kalifornien, wobei die Optimierung durch US- und chinesische Daten (via Geely) global angepasst wird. Ride Pilot wird als Abo angeboten und ergänzt Volvos Strategie für flexible, abonnementbasierte Innovationen.

Technische Besonderheiten, Marktauswirkungen und Designphilosophien

Sensorik und technische Spezifikationen

Moderne Level 3-Systeme setzen zumeist auf Kombinationen aus LIDAR, Radar, hochauflösenden Kameras, Ultraschall-Sensoren und präziser Kartierung. 5G-Vernetzung und Cloud-Integration ermöglichen Echtzeit-Updates. Während Tesla und Rivian vorwiegend kamerabasierte Ansätze verfolgen, bevorzugen Hersteller wie Honda, Mercedes-Benz und Volvo Mehrfachsensorik für Ausfallsicherheit und Zuverlässigkeit – besonders bei schwierigen Umgebungsbedingungen.

Design- und Innenrauminnovationen

Fahrzeuge mit Level 3-Autonomie verfügen oft über hochmoderne digitale Cockpits mit erweiterten Entertainment-Möglichkeiten – vom Streaming bis zum Office-Work unterwegs. Zuverlässige Fahrerüberwachungssysteme sorgen für Sicherheit und fordern die Rückgabe des Fahrzeugkontrolls, wenn Systemgrenzen erreicht sind. Exterieurbesonderheiten wie spezielle Lichtsignaturen, Sensor-Pods und charakteristische Kennzeichnungen verweisen auf die hochentwickelte Technik.

Leistungs- und Sicherheitsmetriken

Die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale der Leistung von Level 3-Systemen sind das autonome Management dynamischer Verkehrssituationen, Hinderniserkennung sowie KI-gestützte, flüssige Beschleunigungs-, Brems- und Lenkroutinen. Notfall-Stopps, automatisches Spurhalten und souveränes Anfahren im Stau gehören zu den Kernvorteilen. Strikte Fahrerübergabeprozesse minimieren Risiken. Dass die Systeme regulatorisch validiert werden (u.a. in Japan, Deutschland und ausgewählten US-Staaten), unterstreicht ihre Sicherheitsleistung im Vergleich zu menschlichen Fahrern – ein Meilenstein für die künftige Entwicklung bis Level 4 und 5.

Marktpositionierung und globale Verfügbarkeit

Die Verbreitung von Level 3 bleibt aktuell durch regionale Vorschriften, Unsicherheiten bei Haftung und hohe Zusatzkosten limitiert. Systeme wie Honda SENSING Elite oder BMW Personal Pilot L3 sind jeweils an spezielle Modelle und Märkte gebunden. GM und Ford zielen auf eine breite Demokratisierung, etwa durch umfangreiche Plattformintegration und schnell wachsende Kartenabdeckung. Volvo und Tesla setzen auf Abo-Modelle und Over-the-Air-Updates, um Level 3-Funktionen global und skalierbar bereitzustellen.

Vergleich und Ausblick

Im direkten Vergleich machen Benutzerfreundlichkeit, Unterstützte Fahrszenarien (urban, Autobahn, Stau), Systemzuverlässigkeit und Upgrade-Optionen für Kunden den Unterschied aus. Mercedes-Benz und BMW fokussieren auf Luxus und Integration, während GM und Ford breite Märkte mit Highway-Fokus bedienen. Tesla folgt einem software-getriebenen, kamerabasierten Ansatz; andere setzen auf komplexe Sensorfusion. Diese Vielfalt verdeutlicht die vielen Wege auf dem Weg zur vollständigen Fahrzeugautonomie.

Zukunftsausblick: Von bedingter Automatisierung bis zur Full Autonomy

Die Entwicklung zum selbstfahrenden Auto endet nicht bei Level 3. Der nächste Schritt, Level 4, bringt vollautonomes Fahren in abgegrenzten Umgebungen – wie städtische Robotaxi-Flotten oder spezielle Highways. Level 5, das vollständige autonome Fahren, verspricht Fahrzeuge, die ohne jegliche menschliche Intervention überall einsatzfähig sind. Wer den Wandel zur fahrerlosen Zukunft anführt, hängt ab von realen Fahrzeugdaten, Sensorstrategie und regulatorischem Geschick jedes Herstellers.

Für Autofans wie Alltagsfahrer bedeuten Level-3-Fahrzeuge den Beginn einer Ära, in der intelligente, selbstfahrende Autos keine Fiktion, sondern Realität vor Augen sind. Ob aus technischer, sicherheitstechnischer, komfortorientierter oder designbezogener Sicht – das kommende Jahrzehnt wird unser Verständnis von Mobilität maßgeblich prägen und neu definieren.

Quelle: autoevolution

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