5 Minuten
Warum die hohe Belastung beim Laufen nicht zwangsläufig schlecht für die Knie ist
Laufen wird häufig als belastend für die Knie bezeichnet, doch dieses einfache Bild verkennt, wie das muskuloskelettale System tatsächlich auf Belastung reagiert. Jeder Fußaufsatz beim Laufen erzeugt Kräfte von etwa zwei- bis dreimal dem Körpergewicht. Die Knie nehmen beim Laufen mehr Last auf als beim Gehen – oft wird von etwa dem Dreifachen gesprochen – doch allein das Vorhandensein von Belastung bedeutet nicht automatisch Schaden.
Menschlicher Knochen, Knorpel und Bindegewebe sind lebende, anpassungsfähige Gewebe. Unter regelmäßiger, angemessener mechanischer Belastung remodeln und stärken sie sich. Wird mechanische Belastung entfernt – etwa durch längere Bettruhe, Ruhigstellung oder bei Mikrogravitation – nehmen Knochendichte und Knorpelgesundheit ab. Nach demselben Prinzip kann moderate, wiederholte Belastung durch Aktivitäten wie Laufen positive Anpassungen an Kniegelenken auslösen, sofern die Belastung bedacht gesteuert wird.
Was die Forschung zu Laufen, Knorpel und Knochen sagt
Kurzfristige Belastung durch einen Lauf reduziert vorübergehend die Knorpeldicke in bildgebenden Messungen, doch diese Kompression ist transient: Die Dicke kehrt typischerweise innerhalb weniger Stunden nach dem Training zum Ausgangswert zurück. Forschende deuten diese zyklische Kompression und Dekompression als einen gesunden Transportmechanismus – mechanisch getriebener Flüssigkeitsaustausch und Nährstofftransport –, der die Knorpelernährung und -resilienz unterstützt.
Längsschnittbeobachtungen deuten darauf hin, dass Läufer im Durchschnitt dickeren Knieknorpel und eine höhere Knochenmineraldichte haben als Nichtläufer. Beide Faktoren stehen im Zusammenhang mit geringerer Brüchigkeit und können Risikofaktoren für degenerative Gelenkerkrankungen reduzieren. Einige epidemiologische Studien schlagen sogar einen Dosis-Wirkungs-Trend vor: Habituale Läufer zeigen eine geringere Inzidenz von Kniearthrose als inaktive Vergleichsgruppen. Kausalität ist jedoch nicht vollständig nachgewiesen; Störfaktoren (Body-Mass-Index, Laufgeschichte und Trainingsumfang) erschweren die Interpretation, und mehr randomisierte Längsschnittstudien würden die Evidenzlage stärken.

Die positiven Effekte auf Knorpel und Knochen passen auch zu allgemeinen physiologischen Prinzipien: Mechanische Belastung fördert Osteogenese (Knochenbildung) und regt den Matrixumsatz im Gelenkknorpel an – Prozesse, die bei progressiver und ausgewogener Belastung zur Langlebigkeit der Gelenke beitragen.
Mit dem Laufen anfangen oder wieder einsteigen: Praktische Hinweise für Sicherheit und Progression
Wenn Sie überlegen, mit dem Laufen zu beginnen oder nach einer Pause wieder einzusteigen, ist das Alter allein kein absolutes Hindernis. Eine Studie aus dem Jahr 2020 an Erwachsenen ab 65 Jahren zeigte, dass überwachte plyometrische (Sprung-)Übungen Kraft und Funktion verbesserten und sowohl sicher als auch gut toleriert waren. Da Plyometrie im Vergleich zum gleichmäßigen Laufen höhere momentane Gelenkbelastungen erzeugt, unterstützen diese Ergebnisse die Auffassung, dass auch ältere Einsteiger sich sicher an Belastungsreize gewöhnen können, wenn die Progression vernünftig gestaltet ist.

Allgemeine Empfehlungen zur Verringerung des Verletzungsrisikos und zur Unterstützung der Anpassung:
- Langsam steigern: Vermeiden Sie plötzliche Sprünge in Distanz oder Häufigkeit. Eine konservative wöchentliche Steigerung – nur wenige zusätzliche Kilometer oder Minuten – hilft dem Gewebe, sich anzupassen.
- Nutzen Sie Lauf-Geh-Intervalle zum Aufbau der Toleranz: Kurze Gehpausen zwischen Joggingabschnitten reduzieren Spitzenermüdung und verteilen die Belastung in frühen Trainingsphasen.
- Priorisieren Sie Krafttraining: Stärkere Hüft-, Oberschenkel- und Wadenmuskeln verbessern die Stoßdämpfung und Ausrichtung und verringern so die Kniebelastung.
- Ernähren Sie die Regeneration: Ausreichende Kalorien, Kohlenhydrate und Protein unterstützen die Gewebereparatur. Niedrige Energieverfügbarkeit erhöht das Risiko für Stressverletzungen.
- Unterstützen Sie die Knochengesundheit: Genügend Kalzium und Vitamin D in der Ernährung stehen im Zusammenhang mit einem geringeren Risiko für Ermüdungsbrüche und einer besseren Knochenmineraldichte.
- Die Wahl der Oberfläche ist wichtig: Weichere Böden (Rasen, gut gepflegte Trails) reduzieren Spitzenbelastungen im Vergleich zu Beton; ein Wechsel der Untergründe kann die kumulative Belastung moderieren.
Diese Maßnahmen adressieren die häufigsten Laufverletzungen – Überlastungssyndrome, die eher durch schlechtes Belastungsmanagement als durch das Laufen an sich entstehen.
Man ist nie zu alt, um mit dem Laufen anzufangen. (MixMedia/Getty Images Signature/Canva)
Experteneinschätzung
Dr. Elena Marquez, Sportmedizin-Forscherin und Physiotherapeutin, erklärt: „Gelenke sind dynamische Organe. Wiederholte, progressive Belastung – verantwortungsbewusst angewandt – stimuliert Anpassungen in Knorpel und Knochen. Das eigentliche Problem ist abrupte Überlastung: schnelle Kilometersteigerungen, unzureichende Erholung oder kumulierende Risikofaktoren wie geringe Knochendichte oder unzureichende Ernährung. Mit gestufter Progression, Krafttraining und sinnvoller Ernährung können viele Menschen, auch ältere Erwachsene, muskoskelettale Vorteile durch Laufen erzielen.“
Diese praxisorientierte Perspektive spiegelt die aktuelle multidisziplinäre Evidenz aus Biomechanik, bildgebenden Studien und klinischen Untersuchungen wider: Laufen kann ein wirksamer Reiz für die Gelenkgesundheit sein, wenn es mit schrittweiser Progression, Konditionierung und adäquater Erholung kombiniert wird.
Folgerungen und zukünftige Richtungen
Der entstehende Konsens rückt Laufen von der vermuteten Ursache für Knieverschleiß hin zu einer potenziell schützenden Aktivität für viele Menschen – sofern es intelligent praktiziert wird. Zukünftige Forschungsprioritäten umfassen randomisierte kontrollierte Studien, die Knorpel- und Knochenveränderungen bei neuen Läufern in verschiedenen Altersgruppen verfolgen, Dosis-Wirkungs-Studien zur Bestimmung optimaler Trainingsumfänge sowie Untersuchungen zu individuellen Risikomodifikatoren wie früheren Verletzungen, Körperzusammensetzung und Genetik.
Technologie und Überwachungswerkzeuge – tragbare Impact-Sensoren, Smartphone-Ganganalysen und zugängliche Knochen-Gesundheitsscreenings – können ebenfalls helfen, Trainingspläne zu personalisieren und Verletzungsrisiken zu reduzieren. Aktuelle Erkenntnisse in öffentliche Gesundheitsleitlinien zu übersetzen bedeutet, Begeisterung für die kardiovaskulären und muskuloskelettalen Vorteile des Laufens mit klaren Botschaften zu schrittweiser Progression, Krafttraining und Ernährung zu verbinden.
Fazit
Laufen ist eine hochbelastende Aktivität, aber Belastung ist nicht per se schädlich. Wissenschaftliche Befunde deuten darauf hin, dass kontrolliertes, progressives Laufen die Knorpelernährung und die Knochenmineraldichte stimulieren kann und damit die Kniegesundheit und -langlebigkeit unterstützen könnte. Die meisten Laufverletzungen entstehen durch Überlastung und schnelle Zunahme der Belastung, nicht durch das Laufen selbst. Beginnen Sie langsam, legen Sie Wert auf Kraft und Erholung, sorgen Sie für ausreichende Ernährung und wählen Sie weichere Untergründe, während Sie die Toleranz aufbauen. Unter diesen Bedingungen scheinen die Vorteile des Laufens für Gelenke sowie für die kardiovaskuläre und metabolische Gesundheit für viele Menschen die Risiken zu überwiegen.
Quelle: sciencealert
Kommentare