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Neuere Erkältungen können die Abwehr des Immunsystems stärken und es SARS‑CoV‑2 erschweren, sich einzunisten, besonders bei Kindern. Quelle: Shutterstock
Eine multizentrische Studie unter Leitung von Forschern der National Jewish Health berichtet, dass eine kürzliche Infektion mit der gewöhnlichen Erkältung — meist verursacht durch Rhinoviren — kurzfristigen Schutz gegen SARS‑CoV‑2, das Virus hinter COVID‑19, bieten kann. In den Journal of Infectious Diseases veröffentlicht, nutzt die Analyse Daten aus der landesweiten Human Epidemiology and Response to SARS-CoV-2 (HEROS) Kohorte, um zu untersuchen, warum Kinder im Vergleich zu Erwachsenen oft mildere oder asymptomatische COVID‑19‑Verläufe zeigen.
Wissenschaftlicher Hintergrund und Studiendesign
Die HEROS-Studie verfolgte mehr als 4.100 Teilnehmende in 1.394 Haushalten von Mai 2020 bis Februar 2021 und sammelte tausende selbstabgenommene Nasenabstriche. Forschende testeten die Proben auf SARS‑CoV‑2 und auf gängige Atemwegsviren, einschließlich Rhinovirus, und führten Genexpressionsanalysen der Atemwege durch, um antivirale Signalwege zu messen.
Heterologe Virusinterferenz und Interferon‑Signalgebung
Das beobachtete Phänomen fällt unter die heterologe Virusinterferenz: Eine Infektion mit einem Virus verändert vorübergehend die Wirtsumgebung und die Immunantwort, sodass eine Infektion durch ein anderes Virus gehemmt werden kann. Rhinoviren sind dafür bekannt, starke Interferon‑Antworten in den epithelialen Zellen der Atemwege auszulösen. Interferone sind Signalproteine, die antivirale Abwehrmechanismen aktivieren und interferon‑regulierte Gene (ISGs) hochregulieren, was die Anfälligkeit von Zellen für eine nachfolgende Virusaufnahme und -vermehrung reduzieren kann.

Wesentliche Ergebnisse
Die Forschenden fanden heraus, dass Personen, insbesondere Kinder, die kürzlich eine Rhinovirus‑Infektion hatten, in den folgenden Wochen deutlich seltener SARS‑CoV‑2 nachwiesen. Die Genexpressionsprofile zeigten, dass Kinder im Vergleich zu Erwachsenen eine höhere Basalexpression interferonbezogener Gene aufwiesen, was auf einen voraktivierten antiviralen Zustand in den kindlichen Atemwegen hindeutet.
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Immunboost durch eine kürzliche Erkältung dem Körper einen frühen Vorteil im Kampf gegen SARS‑CoV‑2 verschaffen kann, bevor sich das Virus etablieren kann,“ sagte Max Seibold, PhD, Seniorautor und Direktor des Regenerative Medicine and Genome Editing Program (REGEN) an der National Jewish Health. Die Studie baut auf früheren HEROS-Ergebnissen auf, die zeigten, dass Kinder sechsmal seltener als Erwachsene symptomatische COVID‑19 entwickeln, und macht sowohl altersabhängige Immunität als auch kürzliche Virusexpositionen für diesen Schutz mitverantwortlich.
„Das bedeutet nicht, dass Menschen absichtlich versuchen sollten, sich mit einer Erkältung anzustecken,“ sagte Camille Moore, PhD, Erstautorin der Studie. „Aber das Verständnis, wie ein Virus die Reaktion des Körpers auf ein anderes beeinflussen kann, könnte uns helfen, neue Präventionsstrategien zu entwickeln, insbesondere für gefährdete Gruppen.“
Implikationen und zukünftige Richtungen
Diese Ergebnisse beleuchten Mechanismen, die neuartige prophylaktische oder therapeutische Ansätze informieren könnten. Beispielsweise könnten kurzwirksame Wirkstoffe, die die Interferon‑Signalgebung in der Nasenschleimhaut nachahmen, vorübergehend die Resistenz gegen eindringende Atemwegsviren erhöhen. Modellierungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit sollten außerdem saisonale und populationsweite Wechselwirkungen zwischen zirkulierenden Atemwegsviren berücksichtigen, da diese die Epidemiedynamik von Influenza, Rhinovirus und SARS‑CoV‑2 verändern können.
Heterologe Virusinterferenz ist jedoch vorübergehend und kontextabhängig; Nutzen sind nicht universell und können je nach Virusstamm, Zeitpunkt der Infektion und Immunstatus des Wirts variieren. Die Autoren warnen vor absichtlicher Exposition gegenüber Krankheitserregern und betonen die Notwendigkeit kontrollierter klinischer Studien, um interferonbasierte Präventionsstrategien zu bewerten.
Expertinnen‑ und Experteneinschätzung
Dr. Elena Park, eine Kinderinfektiologin (fiktiv), kommentiert: „Diese Studie hilft, klinische Beobachtungen zu erklären, die wir seit 2020 machen: Kinder haben tendenziell mildere COVID‑19‑Verläufe, und gleichzeitig zirkulierende Atemwegsviren können Übertragungsmuster beeinflussen. Diese Erkenntnisse in sichere, kurzfristige prophylaktische Mittel zu übersetzen — zum Beispiel lokale Interferonmodulatoren — könnte Risikogruppen während Wellen schützen. Aber sorgfältige Tests sind entscheidend, denn eine Überstimulierung der Interferonwege kann auch Entzündungen auslösen.“
Fazit
Die aus HEROS abgeleitete Analyse verknüpft eine kürzliche Rhinovirus‑Infektion und erhöhte Interferon‑Signalgebung mit einer verringerten kurzfristigen Anfälligkeit für SARS‑CoV‑2, insbesondere bei Kindern. Obwohl diese heterologe Virusinterferenz aufschlussreiche biologische Einsichten und mögliche Interventionswege bietet, ist sie temporär und kein Ersatz für etablierte COVID‑19‑Präventionsmaßnahmen wie Impfung, Maskentragen in Risikosituationen und gute Belüftung. Weitere Forschung ist nötig, um zu klären, ob eine gezielte Modulation der antiviralen Abwehr in den Atemwegen zu sicheren, wirksamen Interventionen für gefährdete Personen entwickelt werden kann.
Quelle: sciencedaily
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