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Physiker an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg haben den weltweit kleinsten lichtemittierenden Pixel demonstriert und damit den Weg für extrem kompakte Displays geebnet, die sich in Brillenfassungen, Kontaktlinsen oder kaum sichtbaren tragbaren Projektoren integrieren lassen. Diese Entwicklung in der Nanophotonik und bei organischen Leuchtdioden (OLED) könnte die nächste Generation von Mikrodisplays und AR-Optiken stark beeinflussen.
Ein Pixel so groß wie ein Sandkorn – und überraschend hell
Durch die Kombination von organischer Leuchtdioden-Technologie (OLED) und gezielt konstruierten optischen Antennen hat das Team aus Würzburg einen funktionierenden orange-emittierenden Pixel hergestellt, der nur 300 × 300 Nanometer misst. Trotz seiner winzigen Fläche erreicht dieses Nanopixel eine ähnliche Helligkeit wie ein konventioneller OLED-Pixel der Größe 5 × 5 Mikrometer. Um die Größenordnung zu veranschaulichen: Millionen dieser Nanopixel würden in eine Fläche passen, die kleiner als ein Quadratmillimeter ist – theoretisch ließe sich eine vollständige 1920 × 1080-Auflösung auf einen winzigen Punkt kondensieren, wenn Skalierung, Treiber und Optik entsprechend gelingen.
Die Forschungsleiter, Professoren Jens Pflaum und Bert Hecht, erklären, dass der Durchbruch darauf beruht, die elektrische Strominjektion mit lokaler optischer Verstärkung zu kombinieren. Ein metallischer Kontakt übernimmt hierbei zwei Funktionen: Er führt den elektrischen Strom zur organischen aktiven Schicht und dient gleichzeitig als optische Antenne, welche die Lichtauskopplung aus dem nanoskaligen Emitter erheblich steigert. Dieses Design erhält die Vorteile selbstleuchtender OLEDs – tiefe Schwarztöne und lebendige Farben ohne Hintergrundbeleuchtung – und macht sie für Größenbereiche nutzbar, die zuvor als unpraktisch galten.
Die Arbeit integriert Schlüsselbegriffe der Display-Technologie wie Nanopixel, OLED, optische Antenne, Nanophotonik und Mikrodisplay-Design. Solche Nanopixel eröffnen neue Möglichkeiten für hochauflösende, energieeffiziente Bildgeber in Augmented-Reality-(AR-)Brillen, Mixed-Reality-Headsets und anderen Wearables und könnten mittelfristig die Basis für unsichtbare, in die Geometrie eines Geräts integrierte Displays bilden.

Warum man eine konventionelle OLED nicht einfach verkleinern kann
Die Miniaturisierung ist nicht einfach ein Prozess des Hochskalierens der vorhandenen Designs in kleinem Maßstab. Wenn Elektroden und aktive Bereiche Abmessungen erreichen, die mit der Wellenlänge des sichtbaren Lichts vergleichbar sind, ändern sich elektrische und optische Eigenschaften grundlegend. Wie Pflaum beschreibt, übernimmt die metallische Antenne eine Rolle ähnlich einem Blitzableiter: Ströme konzentrieren sich an Ecken und Kanten, wodurch lokal sehr starke elektrische Felder entstehen.
Solche intensiven Felder können Metallatome – typischerweise Gold oder andere edle Metalle, die als Kontakte verwendet werden – in der Elektrode mobilisieren und deren Migration in die dünnen organischen Schichten begünstigen. Das Ergebnis ist die Bildung leitfähiger Filamente innerhalb der organischen Schichten, die weiterwachsen, bis sie das Bauelement kurzschließen und unbrauchbar machen. Anschaulich: Je kleiner ein Standard-OLED gemacht wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es unter Betriebsspannung durch solche elektromigrationsbedingten Defekte versagt.
Darüber hinaus treten bei nanoskaligen Strukturen vermehrt Effekte wie plasmonische Kopplungen, veränderte lokale Dichten von optischen Zuständen (LDOS) und erhöhte Joule-Erwärmung auf. Diese Effekte beeinflussen Rekombinationsraten, Emissionsspektrum und Lebensdauer der organischen Emitterschichten. Deshalb sind zusätzliche Material- und Struktur-Engineering-Schritte erforderlich, um Nanopixel zuverlässig und mit praktikabler Lebensdauer zu bauen.
The Würzburg-Trick: gezielte Isolation und eine winzige Apertur
Das Team löste diese Probleme durch das Hinzufügen einer maßgeschneiderten Isolationsschicht, die den größten Teil der optischen Antenne abdeckt und nur eine zentrierte kreisförmige Öffnung von lediglich 200 Nanometern Durchmesser freilässt. Diese Apertur unterbindet die Injektion an Kanten und Ecken, zwingt den Strom durch einen kontrollierten zentralen Bereich und verhindert damit das seitliche Wachstum leitfähiger Filamente. Das Ergebnis ist ein stabiles Nanopixel: Die ersten Geräte arbeiteten unter Umgebungsbedingungen zuverlässig für mindestens zwei Wochen ohne erkennbare Ausfälle.
Gegenwärtig erreichen die Bauteile etwa 1 % externe Effizienz (External Quantum Efficiency, EQE) und emittieren im orangen Spektralbereich. Die Forscher planen, die Effizienz zu steigern und zusätzlich rote, grüne und blaue Emitter zu entwickeln, um vollfarbige RGB-Displays zu ermöglichen. Solche Weiterentwicklungen würden die Grundlage für wirklich miniaturisierte, hochauflösende AR-Headsets, Mixed-Reality-Brillen und andere optische Wearables legen.
Technisch gesehen kombiniert der Ansatz mehrere Disziplinen: organische Halbleitermaterialien, Nanofabrikation (etwa E-Beam-Lithographie und Nanoimprint-Technik), plasmonische Antennen-Design und die Entwicklung von treiberelektronischen Schaltungen für die Ansteuerung extrem dichter Pixelarrays. Jede dieser Komponenten muss optimiert werden, um die Skalierbarkeit und Fertigungsfähigkeit für den industriellen Einsatz zu erreichen.
Wissenschaftlicher Kontext: OLED-Grundlagen und optische Antennen
Konventionelle OLEDs beruhen auf Stapeln organischer Halbleiter, die zwischen Kontakten eingeschlossen sind. Wenn Elektronen und Löcher injiziert werden und innerhalb der aktiven organischen Schicht rekombinieren, entspannen sich angeregte Moleküle und emittieren Photonen. Da jeder Pixel selbstleuchtend ist, benötigen OLEDs keine separate Hintergrundbeleuchtung und erzielen hohe Kontraste sowie potenziell bessere Energieeffizienz für tragbare Displays.
Optische Antennen sind nanoskalige Metallstrukturen, die elektromagnetische Felder konzentrieren und lenken. Im Würzburger Nanopixel fungiert der Metallkontakt zugleich als solche Antenne: Er formt die lokale optische Zustandsdichte (LDOS) und unterstützt die Kopplung der Molekül-Emission in den Freiraum. Diese Kopplung ist entscheidend, um aus einer Fläche, die kleiner als eine Wellenlänge ist, dennoch helle Emission zu erhalten. In der Fachsprache wird hier oft von plasmonischer Verstärkung, Nahfeldkopplung und modifizierter Strahlungsrate gesprochen, Aspekte, die in der Nanophotonik und in der Erforschung von Mikro- und Nanodisplays intensiv untersucht werden.
Zusätzlich spielt das Management der Wärmeabfuhr eine wichtige Rolle: Bei dichter Pixeldichte können lokale Erwärmungen die Lebensdauer organischer Materialien beeinträchtigen. Fortschritte im Wärmemanagement, in der Stabilisierung organischer Schichten und in der Verwendung geeigneter Barrierematerialien gegen Feuchtigkeit und Sauerstoff sind zentrale Elemente, um die Lebensdauer und Zuverlässigkeit von Nanopixeln in kommerziellen Anwendungen sicherzustellen.
Was das für Wearable-Displays und AR bedeutet
- Miniaturisierte Projektion: Ein hochdichtes Nanopixel-Array könnte in die Bügel von Brillen integriert werden und Bilder auf Waveguides in den Gläsern projizieren, so dass Displays praktisch unsichtbar werden. Diese Waveguide-Kopplung ist ein aktiver Forschungsbereich, in dem Nanopixel als kohärente, punktförmige Lichtquellen dienen könnten, um Wellenleiter effizient zu beleuchten.
- Gewinn bei Energieverbrauch und Kontrast: Selbstleuchtende Nanopixel bewahren die Vorteile von OLEDs – tiefe Schwarztöne und potenzielle Energieeinsparungen gegenüber Systemen, die große Hintergrundbeleuchtungen oder zusätzliche Optiken benötigen. Für mobile AR-Anwendungen, bei denen begrenzte Batterie-Reserven kritisch sind, ist dies ein bedeutender Vorteil.
- Fertigungstechnische Herausforderungen: Der Übergang von Laborprototypen zu vollfarbigen, effizienten Arrays erfordert neue Fertigungsprozesse, präzise Nanopositionierung, langlebige RGB-Stacks und zuverlässige Treiber-Elektronik für die Nanoansteuerung. Hoher Ausbeutegrad in der Produktion und robuste Prozessfenster sind nötig, damit die Technologie wirtschaftlich wird.
Abseits der Unterhaltungselektronik könnten solche Nanopixel auch in medizinischen Mikroprojektoren, in tragbaren Sensoren mit integrierter visueller Rückmeldung oder in kompakten Head-up-Displays für Fernarbeit und Feldoperationen eingesetzt werden. In der Medizintechnik ermöglichen extrem kleine, gerichtete Lichtquellen beispielsweise präzise Bildgebung oder fokussierte Beleuchtung in minimalinvasiven Systemen.
Expert Insight
„Dieses Ergebnis ist eine elegante Kombination aus Nanophotonik und Materialtechnik,“ sagt Dr. Maya Singh, eine Ingenieurin für optische Systeme mit Erfahrung im Design von AR-Displays. „Durch die Kontrolle sowohl des Stromflusses als auch der Lichtkopplung hat das Würzburger Team die Ausfallmodi vermieden, die praktische Nanopixel bisher verhindert haben. Die nächsten Herausforderungen sind die Integration von RGB-Emittern und Ansteuerschemata, die den Energieverbrauch im Betrieb niedrig halten.“
Dr. Singh ergänzt, dass die kommerzielle Einführung zwar weitere Optimierungen erfordert, das Konzept aber den Gestaltungsraum verändert: Displays müssen nicht länger großflächige Module sein; sie können in die kleinsten Bauteile tragbarer Geräte integriert werden, etwa in den Bügeln von Brillen, in Armbändern oder in schmalen Streifen entlang von Textiloberflächen.
Bis zur Marktreife bleiben technische Hürden: die Steigerung der externen Quanteneffizienz von derzeit rund 1 % auf Werte, die mit Micro-OLED- oder MicroLED-Technologien konkurrieren können; die zuverlässige Fertigung von stabilen RGB-Stapeln im Nanomaßstab; sowie die Entwicklung von treiberelektronischen Lösungen mit hoher Ausbeute. Zudem sind Langzeitstabilität, Umwelteinflüsse und die Integration in optische Systeme wie Waveguides und Linsen zentrale Forschungsfragen. Doch das prinzipielle Demonstrationsprinzip ist erbracht – ein entscheidender Schritt in Richtung unsichtbarer, hochauflösender Displays, die klein genug sind, um direkt auf oder in der Nähe des menschlichen Körpers eingesetzt zu werden.
Zusammenfassend zeigt die Würzburger Forschung, wie Nanopixel-Technologie in Verbindung mit optischen Antennen und gezielter Material- und Strukturtechnik die Grenzen bisheriger OLED-Designs verschiebt. Die Kombination aus Nanophotonik, Materialwissenschaft und Mikroelektronik ist der Schlüssel, um kommende Generationen von AR-Displays, Mikroprojektoren und Wearable-Interfaces zu realisieren. Für Entwickler von AR-Systemen, Display-Herstellern und Forschergruppen bietet diese Arbeit wichtige Einblicke in die notwendigen Designprinzipien, Fertigungsanforderungen und möglichen Anwendungsszenarien.
Quelle: scitechdaily
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