Auflandige Auftriebszonen verstärken Ozeanversauerung

Neue Forschung zeigt: Küstenauftriebszonen verstärken die Ozeanversauerung lokal stärker als gedacht. Die Studie verbindet Korallenarchive mit regionalen Ozeanmodellen und warnt vor Risiken für Fischerei, Aquakultur und Küstenökonomien.

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Auflandige Auftriebszonen verstärken Ozeanversauerung

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Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass küstennahe Auftriebszonen die Ozeanversauerung weit über die globalen Mittelwerte hinaus beschleunigen und damit Fischerei, marine Ökosysteme und Küstenwirtschaften ernsthaft bedrohen. Durch die Kombination von jahrhundertelangen Korallenarchiven mit regionalen Ozeanmodellen warnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass einige Küstenregionen einen schnelleren Abfall des Meerwasser-pH erleben werden als bisher prognostiziert, wenn der atmosphärische CO2-Gehalt weiter steigt.

Wissenschaftler haben festgestellt, dass große Auftriebssysteme die Ozeanversauerung schneller verstärken als erwartet, was die Risiken für Meeresleben und Küstenökonomien erhöht.

Warum Auftrieb wie ein Verstärker der Versauerung wirkt

Auftrieb (engl. upwelling) ist ein natürlicher ozeanischer Prozess, bei dem kaltes, nährstoffreiches Tiefenwasser an den Kontinentalhängen an die Oberfläche gelangt. Dieses Tiefenwasser enthält von Natur aus höhere Mengen an gelöstem CO2, weil im Tiefenmeer organisches Material absinkt und von Mikroorganismen abgebaut wird. Bei diesem Abbau wird organischer Kohlenstoff in gelöstes anorganisches CO2 umgewandelt, was lokal die Karbonatchemie verändert und die Wasserstoffionenkonzentration erhöht – also die Säurestärke.

Wenn diese CO2-reichen Tiefenwässer an die Oberfläche treten, kommen sie in direkten Austausch mit der Atmosphäre. Der anthropogene Anstieg des atmosphärischen CO2 erhöht den Partialdruck von CO2 an der Luft-Wasser-Grenzfläche und reduziert damit zusätzlich die Carbonat- und pH-Werte im Oberflächenwasser. Vereinfacht gesagt: Küstenauftrieb beginnt mit bereits säurehaltigerem Wasser, und steigende Atmosphären-CO2-Werte machen dieses Wasser noch korrosiver für Organismen, die Kalkschalen oder Skelettstrukturen aus Calciumcarbonat bilden.

Auf diesen physikalischen und biogeochemischen Mechanismen beruhen die Beobachtungen, dass Auftriebssysteme als lokale Verstärker der globalen Ozeanversauerung fungieren. Die Begriffe Ozeanversauerung, pH-Änderung und Aragonit-Sättigungszustand (Ωarag) sind dabei eng verknüpft: ein geringerer pH-Wert ist meist mit niedrigeren Ωarag-Werten verbunden, was für kalkbildende Arten kritische biologische Grenzen erreicht oder überschreitet.

Wie Wissenschaftler ein Jahrhundert des Wandels rekonstruierten

Das Forschungsteam der University of St Andrews nutzte Korallen-Skelettfragmente als natürliche Archive der vergangenen Meerwasserchemie. Korallen sind in dieser Hinsicht wertvolle Paleoproxys: Beim Wachstum integrieren Steinkorallen Elemente und Isotope in ihr Aragonit-Skelett, darunter auch Bor-Isotope, deren Verhältnis (delta11B) in empirischer Beziehung zum Umgebungs-pH steht. Durch Messung dieser Bor-Isotopen-Signaturen in Korallenproben, die über das 20. Jahrhundert datieren, ließen sich pH-Trends über Dekaden rekonstruieren und regionale Schwankungen quantifizieren.

Diese paleochemischen Datensätze wurden dann mit einem hochaufgelösten regionalen Ozeanmodell gekoppelt, das speziell auf den Kalifornischen Strom (California Current) – ein typisches östliches Randauftriebssystem – ausgerichtet war. Das Modell integrierte physikalische Prozesse wie Strömungen, vertikalen Transport und Oberflächenaustausch sowie biogeochemische Prozesse, um zu projizieren, wie sich Versauerungssignale unter anhaltenden CO2-Emissionen im 21. Jahrhundert entwickeln könnten. Das zentrale Ergebnis: Auftriebssysteme spiegeln nicht nur globale Trends wider, sondern verstärken lokale Versauerungsepisoden durch die wiederholte Zuführung CO2-reicher Tiefenwasser-Massen.

Methodisch beruhten die Rekonstruktionen auf multiproxy-Ansätzen und Kalibrierungen gegenüber instrumentellen Messreihen, wo verfügbar. Unsicherheiten ergeben sich aus Faktoren wie Korallenwachstumsraten, biologischer Diagenese, räumlicher Heterogenität der Auftriebsmuster und Modellparametern. Trotzdem liefern die kombinierten Proxy- und Modelldaten konsistente Hinweise auf eine beschleunigte lokale Abnahme des pH und auf abnehmende Aragonit-Sättigungswerte, die für kalkbildende Organismen relevant sind.

Auswirkungen auf Fischerei, Ökosysteme und Küstengemeinden

Auftriebzonen gehören zu den biologisch produktivsten Bereichen der Ozeane und tragen erheblich zur globalen Fischerei und zum Nahrungsangebot bei. Sie fördern hohe Primärproduktion und unterstützen komplexe Nahrungsnetze. Beschleunigte Ozeanversauerung bedroht insbesondere kalzifizierende Organismen — dazu zählen Muscheln, Austern, bestimmte Planktongruppen wie pteropoden und Foraminiferen sowie koralline Algen — die als Nahrungsgrundlage, Habitat-Strukturgeber oder Larvenverlust-Filter fungieren.

Die Folgen sind kettenartige Effekte: Wenn Schalenbildung reduziert wird oder das Wachstum verlangsamt, entstehen direkte Produktionsverluste in gezielten Arten der kommerziellen Fischerei und Aquakultur. Niedrigere Überlebensraten von Larven und juvenilen Stadien können die Rekrutierung schwächen, Bestandsgrößen reduzieren und damit langfristig Fangmengen und wirtschaftliche Erträge vermindern. Aquakulturbetriebe, die z. B. auf Austern oder Muscheln spezialisiert sind, melden bereits heute saisonale Probleme bei Larvenaufzucht, die mit kurzzeitigen Versauerungsereignissen korrelieren.

Ökonomisch sind Regionen besonders verletzlich, deren lokale Volkswirtschaft stark von Küstenfischerei, Garnelen- und Muschelanbau oder Tourismuseinnahmen abhängt. Verstärkte Ozeanversauerung tritt oft gleichzeitig mit anderen Stressoren wie Erwärmung, Sauerstoffarmut (Hypoxie), veränderten Strömungsmustern und vermehrten Extremereignissen auf. Solche multiplen Belastungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit von ökologischen Kipp-Punkten und wirtschaftlichen Schocks, wodurch Resilienz und Anpassungsfähigkeit von Küstengemeinschaften und -industrien gefordert sind.

Politik und Lösungen: Warum CO2-Reduktion weiterhin zählt

Da die Ozeanversauerung unmittelbar mit dem atmosphärischen CO2-Gehalt verknüpft ist, bleibt die Reduktion von Treibhausgasemissionen die wirkungsvollste langfristige Maßnahme. Maßnahmen zur Emissionsminderung – etwa der Ausbau erneuerbarer Energien, Effizienzsteigerungen, Elektrifizierung des Verkehrs und klimafreundliche Gebäudetechnik – reduzieren gleichzeitig den Treiber für globale Erwärmung und Versauerung. Technologische Strategien wie emissionsarme Energiesysteme, intelligente Netze und Industrieumstellungen sind deshalb zentral für die langfristige Stabilisierung der Meereschemie.

Parallel dazu sind regionale und lokale Anpassungsmaßnahmen nötig, um Zeit zu gewinnen und akute Schäden zu begrenzen. Praktiken in der Aquakultur wie selektive Zucht toleranter Stämme, optimierte Wasseraufbereitung in Aufzuchtanlagen (gepufferte oder kontrollierte Hatcheries), saisonale Betriebsanpassungen und Investitionen in robuste Infrastruktur können kurzfristig Verluste minimieren. Frühwarnsysteme, die pH, Aragonit-Sättigung und andere chemische Parameter in Echtzeit überwachen, helfen Betrieben, empfindliche Phasen zu umfahren.

Politische Instrumente sollten integrierte Ansätze verfolgen: kombinierte Klimapolitik mit Meeresmanagement, Schutz von Lebensräumen (z. B. Seegraswiesen, Mangroven), anpassungsfähige Fischereimanagementsysteme und soziale Sicherungsmechanismen für betroffene Gemeinden. Forschungs- und Überwachungsprogramme, die regionale Variabilität quantifizieren, sind für fundierte Entscheidungsprozesse unerlässlich. Wie eine der Studienautorinnen betonte, ist die Herausarbeitung der natürlichen Variabilität gegenüber dem menschlichen Signal entscheidend, um verlässliche Vorhersagen und robuste Managementmaßnahmen zu entwickeln.

Küstennahe Ozeane werden saurer als bislang angenommen — mit Folgen für Ökosysteme und Wirtschaft.

Bedeutung für den globalen Kontext

Obwohl die Studie schwerpunktmäßig den Kalifornischen Strom untersucht hat, liefern die Ergebnisse eine warnende Blaupause für andere bedeutende Auftriebssysteme weltweit: den Humboldt-Strom vor Südamerika, den Benguela- und Canary-Strom vor Westafrika, sowie ähnliche Küstenzonen in Südostasien und Ozeanien. In all diesen Systemen sind die Grundprinzipien vergleichbar: wiederkehrender Zufluss CO2-reicher Tiefenwässer kombiniert mit lokal variabler atmosphärischer Anreicherung führen zu regional verstärkter Versauerung.

Für die globale politische Debatte bedeutet dies, dass nationale und regionale Anpassungsstrategien stärker auf die räumliche Heterogenität der Ozeanchemie eingehen müssen. Internationale Klimapolitik bleibt zwar zentral, doch die operative Umsetzung von Anpassung, Monitoring und Forschung muss lokal verankert sein. Regionen mit stark auf Auftrieb angewiesenen Fanggründen sollten daher Priorität in der Überwachung, in finanziellen Hilfen und in Kapazitätsaufbauprogrammen erhalten.

Experteneinschätzung

Dr. Elena Morris, eine Meeresbiogeochemikerin, die an der Studie nicht beteiligt war, kommentiert: „Diese Arbeit erinnert uns eindrücklich daran, dass regionale ozeanische Prozesse die Aussage globaler Mittelwerte verändern können. Für Küstengemeinden werden lokale Überwachung und anpassungsfähiges Fischereimanagement ebenso wichtig sein wie globale Emissionsreduktionen.“

Eine fundierte Kenntnis lokaler Versauerungstrends liefert Entscheidungsträgern und Ressourcenmanagern die evidenzbasierte Grundlage, um Interventionen zu priorisieren, Monitoring gezielt auszurollen und Branchen mit erhöhtem Risiko gezielt zu unterstützen. Die Kombination aus historischen Proxydaten und regionaler Modellierung erhöht die Aussagekraft von Projektionen und verbessert damit die zeitliche und räumliche Planungssicherheit für Adaptationsmaßnahmen.

Langfristig sind interdisziplinäre Ansätze gefragt: Biologen, Chemiker, Ozeanographen und Modellierer müssen zusammenarbeiten, um die komplexen Rückkopplungen zwischen physikalischer Ozeanographie, mariner Biologie und sozioökonomischen Systemen zu verstehen. Nur so lassen sich robuste, kontextspezifische Antworten entwickeln, die sowohl ökologisch effizient als auch sozial gerecht sind.

Quelle: scitechdaily

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