4 Minuten
Das Sauerstoffzeitalter der Erde: Ein vorübergehender Zufluchtsort
Sauerstoff zählt zu den wichtigsten Ressourcen der Erde und ermöglicht seit Milliarden von Jahren das Überleben komplexer Lebensformen. Neuere Forschungen deuten jedoch darauf hin, dass diese sauerstoffreiche Phase keineswegs dauerhaft ist. Wissenschaftler prognostizieren, dass die Erdatmosphäre innerhalb der nächsten Milliarde Jahre einen drastischen Wandel erleben könnte: Sie würde wieder einen Zustand annehmen, der von Methan dominiert und extrem sauerstoffarm ist – mit gravierenden Folgen für das Leben auf der Erde.
Atmosphärischer Wandel: Rückkehr zu urzeitlichen Bedingungen
Die heutige Zusammensetzung der Atmosphäre, reich an Sauerstoff und arm an Methan, existiert geologisch gesehen erst seit relativ kurzer Zeit. Laut einer Studie aus dem Jahr 2021 steuert unser Planet darauf zu, seine sauerstoffreiche Luft wieder zu verlieren, was die Bedingungen vor dem Großen Oxidationsereignis (GOE) vor etwa 2,4 Milliarden Jahren widerspiegeln würde. Damals war die Atmosphäre der Erde für komplexes Leben ungeeignet; lediglich anaerobe Organismen konnten existieren.
Hauptursachen für diesen bevorstehenden Wandel sind die allmählich zunehmende Helligkeit der Sonne sowie das komplexe Wechselspiel des globalen Karbonat-Silikat-Kreislaufs. "Seit Jahrzehnten wird die Lebensdauer der Biosphäre der Erde im Zusammenhang mit der steigenden Sonnenintensität und den geochemischen Kreisläufen des atmosphärischen CO2 diskutiert," erklärt Dr. Kazumi Ozaki, Umweltwissenschaftler an der Toho-Universität in Japan. Mit zunehmender Sonnenstrahlung beschleunigt sich der Abbau von Kohlendioxid – ein zentrales Element für die Photosynthese –, was zu einem dramatischen Rückgang des Sauerstoffgehalts in der Atmosphäre führen wird.
Zeitrahmen und Mechanismen des Sauerstoffverlusts
Diese drastische Veränderung soll geologisch gesehen relativ schnell eintreten – vermutlich noch bevor das Oberflächenwasser der Erde ins All entweicht oder ein feuchter Treibhauseffekt einsetzt. Umfangreiche Computermodelle, die nahezu 400.000 verschiedene Szenarien berücksichtigen, zeigen eine Zukunft, in der der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre auf Werte wie im Archaikum fällt – möglicherweise eine Million Mal niedriger als heute. Geowissenschaftler Chris Reinhard vom Georgia Institute of Technology betont gegenüber dem New Scientist: „Dieser Einbruch ist äußerst extrem – etwa eine Million Mal weniger Sauerstoff als heute.“
Mit dem Zusammenbruch des Sauerstoffniveaus wird das Überleben sauerstoffabhängiger Arten, darunter nahezu aller Tiere und Pflanzen, unmöglich. Auch die Photosynthese wird massiv eingeschränkt, sodass Mikroorganismen und anaerobe Lebensformen, die ohne Sauerstoff auskommen, die Erde bevölkern werden, lange nachdem komplexes Leben verschwunden ist.

Auswirkungen auf das Leben und die Suche nach bewohnbaren Welten
Obwohl dieser atmosphärische Wandel erst in etwa einer Milliarde Jahren zu erwarten ist, reichen seine Bedeutung und Konsequenzen weit über die Erde hinaus. Die Erkenntnisse sind bedeutsam für die Astrobiologie und die laufende Suche nach bewohnbaren Exoplaneten. Heutige Methoden zur Suche nach außerirdischem Leben konzentrieren sich meist auf sogenannte Biosignaturen wie molekularen Sauerstoff. Die Studie zeigt jedoch, dass Planetenatmosphären zwischen bewohnbaren und lebensfeindlichen Zuständen wechseln können und dass Sauerstoff allein kein dauerhafter Hinweis auf Leben sein muss.
Mit immer leistungsfähigeren Weltraumteleskopen – etwa jenen im Rahmen von NASAs NExSS-Projekt (Nexus for Exoplanet System Science) – sammeln Astronomen immer detailliertere Daten und überdenken die Interpretation atmosphärischer Signaturen. Die Arbeiten von Ozaki und Reinhard verdeutlichen, dass Planeten ihre sauerstoffreiche Phase lange vor dem Aussterben jeglichen Lebens verlieren können. Daher sollten auch weitere Biosignaturen wie Methan oder Stoffwechselprodukte anaerober Organismen bei der Suche nach Leben im All berücksichtigt werden.

Wie sieht die Erde nach dem Sauerstoff aus?
Wenn sich die Erdatmosphäre letztlich verändert, wird sie durch hohe Methankonzentrationen, niedrigen Kohlendioxidgehalt und das völlige Fehlen der schützenden Ozonschicht gekennzeichnet sein. Ozaki erläutert: „Die Atmosphäre nach der großen Deoxygenisierung weist erhöhtes Methan, wenig CO2 und keine Ozonschicht auf. Das Erdsystem wird wahrscheinlich von anaeroben Lebensformen beherrscht werden.“ Dieser Wandel markiert nicht nur das Ende des menschlichen und tierischen Lebens, sondern auch eine Rückkehr zu den Bedingungen, die der Entstehung komplexer Organismen vorausgingen.
Fazit
Das allmähliche Verschwinden des atmosphärischen Sauerstoffs stellt ein zentrales Kapitel in der Zukunft der Biosphäre dar. Angetrieben durch die natürliche Entwicklung der Sonne und geochemische Prozesse, wird dieser bevorstehende Wandel das Zeitalter sauerstoffabhängigen Lebens beenden und hat entscheidende Auswirkungen auf unser Verständnis planetarer Bewohnbarkeit – sowohl auf der Erde als auch im gesamten Universum. Durch die Ausweitung der Suche auf verschiedene Biosignaturen wollen Wissenschaftler künftig noch genauer bestimmen, wo Leben – in Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft – wirklich existieren könnte.
Quelle: smarti
Kommentare