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Das Geheimnis des Wassereises im Weltall: Neue Erkenntnisse zur nanokristallinen Struktur

Das Geheimnis des Wassereises im Weltall: Neue Erkenntnisse zur nanokristallinen Struktur

2025-07-08
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Hintergrund: Das Rätsel des Wassereises im All

Wasser gilt als elementarer Baustein des Lebens und spielt eine entscheidende Rolle bei zahlreichen kosmischen Prozessen. Trotz seiner Alltäglichkeit überrascht Wasser Wissenschaftler immer wieder mit ungewöhnlichen Eigenschaften. Auf der Erde kennen wir Eis in seiner bekannten, kristallinen Form – die geordnete Molekularstruktur lässt sich unter anderem an der perfekten Symmetrie von Schneeflocken ablesen. Seit Langem gehen Astronomen jedoch davon aus, dass die extremen Bedingungen des interstellaren Raums – eisige Temperaturen und fehlender Atmosphärendruck – dazu führen, dass Wasserdampf direkt in eine unstrukturierte, sogenannte amorphe Eisform übergeht. Dabei wird Wasser ohne Zwischenstufe flüssig, sondern lagert sich unmittelbar als Eisschicht an kalten Oberflächen ab.

Wassereis ist jedoch alles andere als simpel: Bis heute haben Forscher mindestens 20 verschiedene Phasen von Eis identifiziert – je nach Druck und Temperatur. Dadurch zählt Wasser zu den vielseitigsten und rätselhaftesten Stoffen des Universums. Zu verstehen, wie genau Wasser unter Weltraumbedingungen gefriert, ist nicht nur von theoretischer Bedeutung. Dies hat weitreichende Auswirkungen auf die Planetenentstehung, den Materiekreislauf in Galaxien und die Suche nach lebensfreundlichen Umgebungen auf anderen Himmelskörpern.

Forschungsmethoden: Simulation und Experiment zu extraterrestrischem Eis

Um die mikroskopische Struktur von Wassereis im All zu untersuchen, kombinierte ein Forscherteam der University College London und der University of Cambridge leistungsstarke Computersimulationen mit Laborversuchen. Ihr Ziel war es festzustellen, ob kosmisches Eis tatsächlich völlig ungeordnet ist oder ob sich unter der Oberfläche doch eine verborgene Ordnung findet.

Mittels Molekulardynamik-Simulationen wurden virtuelle Wasserbehälter auf Tiefsttemperaturen bei etwa -120°C eingefroren. Durch variierende Abkühlungsraten konnten sowohl kristalline als auch amorphe Eisformen erzeugt werden. Langsames Abkühlen ermöglichte es, dass sich die Moleküle in regelmäßigen Gittern anordneten, während schnelles Gefrieren größere Unordnung erzeugte. Frühere Studien nutzten Röntgenstreuung zur Strukturanalyse von amorphem Eis. In den aktuellen Versuchen jedoch stimmten simulierte und beobachtete Strukturen am besten überein, wenn das Eis aus etwa 20 % kristalliner und 80 % amorpher Anteile bestand – ein eindeutiger Hinweis darauf, dass selbst scheinbar ungeordnetes Eis nanostrukturierte Kristallinseln enthält.

Um die Eisbildung im All nachzustellen, deponierten die Forscher auch Wasserdampf auf ultrakalten Oberflächen – wie es auch auf interstellaren Staubkörnern oder Planetenoberflächen geschieht. Verdichtete amorphe Eisvarianten stellten sie durch Komprimierung und weiteres Abkühlen her. Ein wichtiger Schritt war die vorsichtige Erwärmung der Proben, um das Entstehen kristalliner Muster zu beobachten – ein Nachweis, dass bereits zuvor eine gewisse geordnete Struktur existierte, selbst wenn sie zunächst verborgen blieb.

Zentrale Entdeckungen: Verborgene Kristalle in kosmischem Eis

Entgegen bisherigen Annahmen zeigte sich, dass im All entstandenes Wassereis keineswegs vollständig amorph ist. Stattdessen liegen in der amorphen Matrix winzige, nanometergroße Kristallbereiche eingebettet. Diese Kristallinseln entstehen, obwohl die Temperaturen im Weltraum eigentlich zu niedrig erscheinen, damit sich Moleküle regelmäßig anordnen. Diese Entdeckung fordert das klassische Verständnis von Weltraumeis heraus und bestätigt, dass Wasser selbst unter extremen Bedingungen zu lokalen Strukturbildungen fähig ist.

„Wir können nun erstmals auf atomarer Ebene beschreiben, wie das häufigste Eis im Universum aufgebaut ist“, erklärt Dr. Michael Benedict Davies. „Das ist entscheidend, denn Eis beeinflusst maßgeblich, wie Planeten und Galaxien entstehen und wie Materie durch das Universum wandert.“

Die Erkenntnisse reichen über die Astrophysik hinaus. Da Wasser frühere kristalline Muster speichert, könnten amorphe Materialien in der Technik – wie Glasfasern in der Datenübertragung – ebenfalls versteckte Kristalle enthalten. Dies kann Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit moderner Technologien haben und ist insbesondere für Materialwissenschaften und Faseroptik von Bedeutung.

Ausblick und Bedeutung für Wissenschaft und Technik

Diese Forschung verändert nicht nur unser Bild von interstellarem Eis, sondern wirft auch neue Fragen zum Verhalten amorpher Materialien generell auf. Diese Stoffklasse umfasst nicht nur Eissorten, sondern auch Gläser, Polymere und technische Keramiken, die für unzählige Anwendungen relevant sind. Dr. Christoph Salzmann von der UCL betont: „Auf der Erde ist Eis besonders durch seine geordnete Kristallstruktur geprägt. Anderswo im Universum galt es bislang als vollständig ungeordnet. Unsere Arbeit zeigt, dass diese Annahme nicht zutrifft.“

Wenn amorphe Materialien wie Weltraumeis oder Glasfasern tatsächlich Nanokristalle beherbergen, könnten künftige Forschungsvorhaben neue Methoden zur Erkennung und gezielten Steuerung dieser Strukturen entwickeln. Dies könnte die Eigenschaften von Materialien, die auf amorphen Feststoffen basieren, deutlich verbessern. Die Studie legt nahe, dass nanoskalige Kristalldomänen eine weit verbreitete Eigenschaft von kosmischem Eis sind – mit Implikationen, die von der Astrochemie bis in die moderne Materialtechnologie reichen.

Fazit

Die Entdeckung, dass Wassereis im All nicht ausschließlich amorph ist, sondern komplexe Nanokristalle aufweist, wirft ein neues Licht auf das Verhalten von Wasser unter extremen Bedingungen. Dieses detaillierte Bild erweitert unser Verständnis der Entwicklung von Planeten und Galaxien und eröffnet gleichzeitig neue Möglichkeiten zur Optimierung amorpher Materialien in der Spitzentechnologie. Während die wissenschaftliche Erforschung weiter voranschreitet, könnten diese Erkenntnisse helfen, die Vielfalt des häufigsten Eises im Universum ebenso zu erklären wie die essenziellen Werkstoffe unserer digitalen Welt.

Quelle: sciencealert

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