Neuer „Supercool“-Zement kühlt Gebäude passiv und reduziert Klimatisierungsbedarf

Neuer „Supercool“-Zement kühlt Gebäude passiv und reduziert Klimatisierungsbedarf

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Ein Durchbruch bei passiver Kühlung

Wenn die Außentemperaturen steigen, erhöhen die meisten Menschen die Klimaanlage – eine wirksame, aber energieintensive Reaktion. Forscher unter der Leitung von Wei She an der Southeast University in China haben einen neuen Zement entwickelt, der Gebäudeflächen passiv kühlt und so die Abhängigkeit von mechanischer Kühlung verringern könnte. Ihre Ergebnisse, veröffentlicht in Science Advances, beschreiben einen Zement, der eintreffendes Sonnenlicht reflektiert und Wärme als Infrarotstrahlung abgibt, sodass Dächer und Wände kühler als die Umgebungsluft bleiben.

Wie das Material funktioniert: Reflexion und thermische Abstrahlung

Traditioneller Zement absorbiert leicht solare Infrarotstrahlung und speichert diese Energie als Wärme, wodurch Innenräume erwärmt werden. Um dieses Verhalten umzukehren, haben die Forscher die Zementchemie und die Mikrostruktur neu gestaltet. Sie haben die Oberfläche mit nanoskaligen, hochreflektierenden Kristallen des Minerals Ettringit versehen. Diese Kristalle erhöhen die Sonnenspiegelung – sie wirken wie ein Spiegel für Sonnenlicht – und verbessern gleichzeitig die thermische Abstrahlung im mittleren Infrarotbereich, sodass die Oberfläche Wärme effektiv abgeben kann.

Das Material wird aus üblichen Zementbestandteilen hergestellt. Das Team mahlte Pellets aus Kalkstein, Gips und verwandten Mineralien zu einem feinen Pulver, mischte das Pulver mit Wasser und goss die Paste in eine perforierte Silikonform. Die Löcher in der Form bildeten Mikrovertiefungen, in denen während des Abbindeprozesses Ettringitkristalle wuchsen und eine strukturierte Oberfläche erzeugten, die sowohl für die Reflexion von Sonnenlicht als auch für die thermische Abstrahlung optimiert ist. Die Autoren beschreiben das Endprodukt als gleichzeitig Spiegel und Strahler.

Feldtests und Leistung

Der Supercool-Zement wurde auf einem Dach der Purdue University im Feld getestet. Bei starker Mittagssonne war die Zementoberfläche 5,4 Grad Celsius kühler als die umgebende Luft – ein wichtiger Nachweis passiver Kühlung unter realen Bedingungen. Neben der optischen Leistung durchlief das Material mechanische, umweltbezogene und optische Dauerhaftigkeitstests, um seine Eignung für Bauanwendungen zu bewerten.

Abziehen der recycelbaren und wiederverwendbaren PDMS-Folie von der Supercool-Zementoberfläche. Credit: Science Advances (2025). DOI: 10.1126/sciadv.adv2820

Ein direkter Erstarrungszeit-Test. Er zeigte die schnellabbindende Gestaltbarkeit des Supercool-Zements, die nicht direkt durch den traditionellen Vicat-Nadel-Test bewertet werden kann. Bereits 6 Minuten nach der Hydratation hatte der Supercool-Zement genügend Steifigkeit entwickelt, um den Einschlag einer 200-g-Eisenkugel zu überstehen, was nur zu einer kleinen Delle führte. Credit: Science Advances (2025). DOI: 10.1126/sciadv.adv2820

Umwelt- und Industrieimplikationen

Über die unmittelbare Kühlung hinaus bewertete das Team Lebenszyklus- und Klimaauswirkungen mithilfe von Machine Learning. Ihre Analyse deutet darauf hin, dass das Material über eine 70-jährige Lebensdauer eines Gebäudes einen netto-negativen CO2-Fußabdruck erreichen könnte – bei großflächiger Anwendung und realistischen Herstellungsbedingungen. Dies ergibt sich aus reduziertem Betriebsenergiebedarf (weniger Klimaanlage) kombiniert mit dem Potenzial, den Zement mit vergleichsweise geringen Änderungen an bestehenden Produktionsprozessen herzustellen.

„Wir haben Zementmaterialien innovativ von Wärmeabsorbern in Wärmereflektoren umgewandelt, und zwar mit einem Bottom-up-Ansatz“, schreiben die Forschenden. „Dieser Durchbruch hat das Potenzial, die schwere Zementindustrie in ein System mit negativen CO2-Emissionen zu verwandeln, wobei Supercool-Zement eine entscheidende Rolle bei der Förderung einer energieeffizienten, kohlenstofffreien Zukunft der Bauwirtschaft spielen könnte.“

Gebäude machen etwa 40 % des weltweiten Energieverbrauchs und rund 36 % der CO2-Emissionen aus. Wenn sich Supercool-Zement skalieren und großflächig einsetzen lässt, könnte die Technologie die städtische Erwärmung verringern, den Strombedarf senken und Emissionen aus der Kühlung reduzieren – besonders wertvoll in heißen Klimazonen und dichten Städten, in denen Klimaanlagen Spitzenlasten verursachen.

Verwandte Technologien und zukünftige Perspektiven

Supercool-Zement ergänzt andere passive Kühlstrategien wie reflektierende Dachbahnen, „cool paints“ und radiative Kühlbeschichtungen, die Wärme in den Himmel abgeben. Die Integration in Strukturbeton, Dachziegel oder Fassadenverkleidungen könnte eine breite Anwendung ermöglichen, ohne große Änderungen am Gebäudedesign. Wichtige nächste Schritte sind die Skalierung der Herstellungsverfahren, Langzeit-Witterungstests in verschiedenen Klimazonen und Verträglichkeitsprüfungen mit Bewehrungs- und Abdichtungssystemen.

Expertenmeinung

Dr. Leila Moreno, Materialwissenschaftlerin mit Schwerpunkt nachhaltige Bauweisen, kommentiert: „Diese Arbeit ist bemerkenswert, weil sie übliche Zementchemie mit einem cleveren mikrostrukturellen Ansatz kombiniert, um radiative Kühlung zu erreichen. Die 5,4 °C Oberflächenkühlung in Feldtests ist überzeugend – wenn die Leistung über Jahreszeiten und verschiedene Installationen hinweg stabil bleibt, könnte dies ein kostengünstiges, wartungsarmes Mittel zur Reduzierung von Kühllasten werden. Die Hauptaufgaben werden darin bestehen, die Dauerhaftigkeit zu verifizieren und sicherzustellen, dass die Produktion von der Zementindustrie ohne große Emissionen oder Kostensteigerungen übernommen werden kann.“

Fazit

Supercool-Zement stellt einen vielversprechenden Schritt hin zu passiver Kühlung in der gebauten Umgebung dar. Durch die Kombination reflektierender Ettringitkristalle mit gezielt gestalteter Oberflächentopographie reflektiert das Material Sonnenlicht und strahlt Wärme ab, sodass es unter der Umgebungstemperatur bleiben kann. Wenn es sklierbar und langlebig ist, könnte diese Innovation den Bedarf an Klimaanlagen reduzieren, städtische Hitze mindern und zur Dekarbonisierung eines CO2-intensiven Bausektors beitragen. Laufende Tests und Kommerzialisierungsbemühungen werden zeigen, ob diese Labor-zu-Dach-Lösung breit eingesetzt werden kann, um Städte und Gebäude mit weniger Energie kühler zu halten.

Quelle: techxplore

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