7 Minuten
Von Sant'Agata's LM002 bis zu einer neuen Sterrato‑Perspektive
Lamborghinis Verbindung zur Geländetauglichkeit reicht über Jahrzehnte zurück. Der LM002 — ein SUV mit Countach‑Motor, enormen Reifen, einem zweistufigen Verteilergetriebe und rund 295 mm Bodenfreiheit — bewies, dass der Stier schon lange vor dem SUV‑Boom robustes Gelände bewältigen kann.
Ein moderneres Kapitel begann mit dem Urus, Lamborghinis Hochleistungs‑SUV, der auf der MLB Evo Architektur des Volkswagen Konzerns basiert und sich Plattformkomponenten mit dem Audi Q8, Porsche Cayenne und Bentley Bentayga teilt. Obwohl der Urus ein von Audi geprägtes Allradsystem mit Torsen‑Mittendifferenzial nutzt und nicht den klassischen Hardcore‑Geländeeinsatz zum Konzept hat, zeigt er dennoch beachtliche Fähigkeiten abseits befestigter Straßen.

Warum die Sterrato‑Idee immer wieder auftaucht
Im Jahr 2022 überraschte Lamborghini den Markt mit dem Huracán Sterrato — einer auf Geländeeinsatz ausgelegten Variante, die kurz nach Porsches 911 Dakar vorgestellt wurde. Ob Zufall oder strategische Abstimmung innerhalb des Volkswagen‑Konzerns: Der Sterrato zeigte Lamborghinis Absicht, Supersportwagen‑Dynamik mit leichter Offroad‑Fähigkeit zu verbinden.
Wesentliche Eckdaten des Huracán Sterrato:
- Produktionszahl: 1.499 Einheiten
- Antriebsstrang: Haldex‑Kupplung zur Verteilung des Drehmoments vorn‑nach hinten
- Zusätzliche Technik: mechanisches Sperrdifferenzial an der Hinterachse und für Sterrato abgestimmte LDVI‑Drehmomentverteilung

Diese Hardware‑Entscheidungen erlaubten es dem Huracán Sterrato, ein rallyeähnliches Verhalten zu zeigen — besonders im Rally‑Modus, in dem das Fahrzeug das Antriebsdrehmoment auf rutschigen Untergründen aktiv steuert, um kontrolliertes Übersteuern zu fördern. Solche Einstellungen verbinden Fahrspaß auf losem Untergrund mit einer Spur technologischer Raffinesse: Drehmomentverteilung, Sperren und Traktionskontrolle arbeiten zusammen, um Stabilität und gleichzeitig Agilität zu bieten.
Temerario: neue Plattform, geplante Langlebigkeit
Der kommende Temerario ersetzt den Huracán und wurde rund um einen hochdrehenden Flat‑Plane‑V8 entwickelt, der mindestens zwei Modellgenerationen abdecken soll. Paolo Racchetti, Produktlinien‑Direktor des Temerario, deutete gegenüber The Drive an, dass Lamborghini Raum sieht, das Sterrato‑Konzept in den kommenden Jahren auszuweiten: „Wir sprechen über Jahre von jetzt an,“ sagte er und implizierte damit, dass ein offroad‑fähiger Temerario später im Modellzyklus denkbar ist.
Dieser Zeithorizont spiegelt sowohl technische als auch strategische Realitäten wider. Die aktuelle Urus‑Baureihe nutzt in früheren und aktuellen Varianten Porsches EA825 Cross‑Plane‑V8. Racchetti wies darauf hin, dass die Urus‑Architektur erhebliche Umbaumaßnahmen bräuchte, um einen Flat‑Plane‑V8 wie im Temerario aufzunehmen, sodass Plattformentscheidungen stark beeinflussen, welche Lamborghini‑Modelle sich für eine Sterrato‑Behandlung eignen. Technisch betrachtet sind Motoraufhängungen, Getriebe‑Integration, Kühlsysteme und die Antriebsstrang‑Topologie zentrale Faktoren bei einer solchen Umstellung.
Aus Entwickler‑ und Produktionssicht ist die Entscheidung für oder gegen eine Sterrato‑Variante nicht nur eine Frage der Fahrwerksabstimmung, sondern betrifft auch Karosserieintegration, Korrosionsschutz, Unterbodenverkleidung und die Zulassung für verschiedene Märkte. All diese Faktoren bestimmen Zeitplan, Kosten und potenzielle Stückzahlen einer solchen Sonderversion.

Welcher Lamborghini trägt am ehesten Sterrato‑Kit?
Trotz der Attraktivität, Sterrato‑Modifikationen auf Flaggschiffe wie den Revuelto anzuwenden, spielt Packaging eine große Rolle. Radstand‑Zahlen erläutern, warum:
- Urus: 3.003 mm (118,2 in)
- Revuelto (V12): 2.779 mm (109,4 in)
- Temerario: 2.658 mm (104,6 in)
Ein langer Radstand kann auf engen, unebenem Gelände ein Nachteil sein: Er kann Anfahr‑, Überfahr‑ und Abfahrtswinkel einschränken und das Manövrieren in technischem Gelände erschweren. Deshalb ist eine Sterrato‑Version des Revuelto weniger praktikabel als die Anpassung des Urus oder die Entwicklung eines spezifischen Temerario‑Sterrato später im Lebenszyklus des Modells. Zusätzlich zum Radstand beeinflussen Spurbreite, Bodenfreiheit, Federweg und Unterbodenlayout die Geländegängigkeit in entscheidendem Maße.
Hinzu kommen ergonomische und sicherheitsrelevante Aspekte: Stoßfänger‑Konstruktion, Unterfahrschutz und die Lage von Kraftstoff‑ und Batteriesystemen müssen für Offroad‑Einsätze geprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Auch Fahrerassistenzsysteme und Sensoren brauchen spezielle Kalibrierungen, damit ADAS‑Funktionen in rauer Umgebung zuverlässig bleiben.

Urus‑Offroad‑Fähigkeiten heute
Stand November 2025 bietet Lamborghini ein Off‑Road‑Paket für den Urus SE Plug‑in‑Hybrid an. Zu den Highlights gehören zusätzlicher Unterbodenschutz, bis zu 248 mm Bodenfreiheit und zwei speziell für Geländeeinsatz programmierte ANIMA‑Modi: Terra und Sabbia. Diese Modi verändern Dämpfercharakteristik, Motoransprechverhalten, Gaspedalkennlinien und Antriebsverteilung, um den Urus für Schotter, Sand oder unbefestigte Wege zu optimieren.
Technisch gesehen umfasst das Paket typischerweise robustere Unterfahrschutzplatten aus Aluminium oder Verbundwerkstoffen, verstärkte Karosseriepunkte für Abschlepp‑ und Bergungsgeräte sowie optionale Reifen‑ und Felgenkombinationen, die Schläge und raues Terrain besser abfedern. Elektronische Fahrhilfen wie Bergabfahrhilfe und spezifische Traktionskontroll‑Abstimmungen ergänzen die mechanischen Maßnahmen.
Zitat zum Nachdenken:
- Jim Farley, CEO von Ford, hat öffentlich seine Bewunderung für den Huracán Sterrato ausgedrückt und vorgeschlagen, dass ein „gewisser Offroad‑Supersportwagen“ eine Überlegung wert sei — ein Zeichen, dass die Idee auch außerhalb des direkten Lamborghini‑Umfelds Resonanz findet.
Was das für Käufer und den Markt bedeutet
Ein zukünftiger Temerario Sterrato würde Lamborghini wettbewerbsfähig halten, während Käufer zunehmend nach leistungsstarken Fahrzeugen mit größerer Vielseitigkeit suchen. Für Enthusiasten eröffnet sich die verlockende Vorstellung eines Supersportwagens, der Schotter oder Sand bewältigen kann, ohne seine Rennstrecken‑Qualitäten vollständig aufzugeben.
Aus Marktperspektive spricht ein Sterrato‑Angebot sowohl Sammler als auch aktive Fahrer an. Limitierte Auflagen schaffen Exklusivität und Sammlerwert, während technisch ausgefeilte Offroad‑Varianten das Nutzungsspektrum moderner Supersportwagen erweitern. Hersteller können dadurch neue Kundenkreise erschließen — von Abenteuer‑Orientierten bis zu Jägern nach einzigartigen Erlebnisfahrzeugen.
Für Käufer bedeutet das: erhöhte Kosten für Entwicklung und Individualisierung, aber auch deutlich gesteigerte Nutzbarkeit. Wer heute einen Supersportwagen nur auf der Rennstrecke nutzen möchte, hat andere Prioritäten als ein Kunde, der gelegentlich offroad fahren will. Handelsstrategien, After‑Sales‑Service und Garantiebedingungen müssen daher fein justiert werden, um den Anforderungen von Offroad‑Einsätzen gerecht zu werden.

Wenn Lamborghini den Schritt wagt, ist zu erwarten:
- Eine spezifische Abstimmung von Traktionskontrolle und Drehmomentverteilung (inklusive LDVI‑Mapping) für lose Untergründe
- Verstärkter Unterboden‑ und Stoßschutz, teilweise mit modularen Schutzplatten
- Vergrößerter Federweg und angepasste Achsgeometrie für rauen Untergrund
Unabhängig davon, ob der nächste Sterrato als modifizierter Temerario, als maßgeschneiderte Urus‑Derivat oder als späte Sonderedition erscheint — das Konzept hat bereits die Wahrnehmung der Marke verändert. Lamborghini hat bewiesen, dass es exotisches Design mit nutzbarer Geländetauglichkeit verbinden kann — und das Sterrato‑Emblem bleibt eine der faszinierendsten Möglichkeiten, diese Verbindung zu zeigen.
Technisch betrachtet bietet eine Sterrato‑Variante interessante Forschungsfelder: die Integration von Hybrid‑Performance mit Offroad‑Anforderungen, die Wärmeableitung unter rauen Bedingungen, und die Frage, wie Active‑Aerodynamics mit erhöhter Bodenfreiheit harmoniert. Ebenso relevant sind Fragen zur Haltbarkeit von Luxusinterieurs bei staubigen Einsätzen und zu Servicezyklen nach Offroad‑Nutzung.
Langfristig könnte die Existenz von Sterrato‑Modellen auch Einfluss auf die Lieferkette haben: Robuste Komponenten, spezialisierte Reifenlieferanten und verstärkte Fahrwerkskomponenten sind nötig, was Zuliefernetzwerke beeinflussen kann. Die Bilanz zwischen Serienfertigung und Low‑Volume‑Spezialproduktion bleibt eine ökonomische Schlüsselentscheidung für die Marke.
Abschließend lässt sich sagen: Das Sterrato‑Konzept verknüpft Technik, Marke und Erlebnis. Es fordert Ingenieure heraus, bewahrt aber zugleich das emotionale Versprechen eines Lamborghini — die Kombination aus Leistung, Exklusivität und purer Fahrfreude, jetzt erweiterbar um die Fähigkeit, abseits asphaltierter Wege zu bestehen.
Quelle: autoevolution
Kommentar hinterlassen