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Einleitung: Ein Designer, der Ikonen und Alltagshelden prägte
Am 3. August 2025 verlor die Automobilwelt einen ihrer herausragenden Gestalter: Ercole Spada. Während Nachrufe häufig auf seine mythischen Zagato-Einzelstücke wie den Aston Martin DB4 GT Zagato, den Alfa Romeo Giulia TZ2 oder den Lamborghini 3500 GTZ fokussieren, reichte Spadas Einfluss weit über diese einzigartigen Modelle hinaus. Sein Wirken hinterließ bleibende Spuren auch bei Serienfahrzeugen für Millionen Autofahrer, die bis heute unser Verständnis von Raumaufteilung, Proportion und Wert im modernen Automobildesign prägen.
Vermächtnis bei Zagato und darüber hinaus
Es ist nachvollziehbar, dass Spadas Schaffensperiode bei Zagato große Aufmerksamkeit erhält: Diese Fahrzeuge sind heute gesuchte Sammlerstücke und museale Exponate. Doch auch seine Zeit nach Zagato prägte die automobile Kultur entscheidend. Nach Stationen bei BMW wechselte er zum I.DE.A Institute, wo er sich vor allem auf Fahrzeuge für den Massenmarkt konzentrierte. So bewies er, dass sein Talent von exklusiven, maßgeschneiderten Sportwagen bis hin zu praktischen Familienautos reichte, die er mit klarem Design und effizienter Raumnutzung gestaltete.
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BMW E32 und E34: Premium-Linien gelangen in die Serie
Die Fans der zweiten 7er-Generation (E32) und der dritten 5er-Reihe (E34) schätzen besonders deren ausgewogene, sachliche Gestaltungsweise, für die Spada verantwortlich war. Obwohl Spada BMW bereits 1983 verließ und der 7er erst 1986, der 5er 1988 debütierte, macht dies die langen Entwicklungszeiten im Automobildesign deutlich. Spada sorgte für Grundproportionen und den Charakter der Modelle; ab Ende 1984 wurden Details und Technik von den Teams finalisiert.
Design und Raumaufteilung
Der E32 vermittelte durch seine breite Spur, klare Flächenführung und hohe Fensterlinie Präsenz und Stilbewusstsein. Später wurde das Fahrwerk um 40 Millimeter verbreitert, unter anderem um Platz für einen V12 zu schaffen – doch Silhouette und Flächengestaltung blieben klar Spadas Handschrift. Der E34 profitierte von einem strafferen, fahrerorientierteren Profil, behielt aber die für BMW typische Eleganz, die sportliche und praktische Elemente meisterhaft verband.
Leistung und technische Daten (repräsentativ)
Im Top-Modell des E32 arbeitete ein BMW V12, während die E34-Palette vom sparsamen Vierzylinder bis zum kräftigen Sechszylinder reichte. Beide Baureihen punkteten mit ausgewogener Fahrwerksabstimmung und Motoren, die komfortbetonte Langstreckenreisen ebenso ermöglichten wie dynamisches Fahren.
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Fiat Tipo: Verpackungskunst auf kompaktem Raum
Nach seinem Wechsel zum I.DE.A Institute feierte Spada mit dem 1988 eingeführten Fiat Tipo einen großen Erfolg im Massenmarkt. Dieser Kompaktwagen setzte dank großzügigem Innenraum bei kompakten Außenmaßen neue Maßstäbe und verkaufte sich europaweit fast zwei Millionen Mal bis ins Jahr 2000. Dieses kommerzielle Ergebnis beweist, wie Spadas Design-Ansatz praktischen Nutzen und Popularität verbinden konnte.
Technische Daten und Marktpositionierung
Der Tipo wurde als familientauglicher Kompakthatchback mit durchdachter Ausstattung und wählbaren Motorisierungen angeboten und richtete sich an preisbewusste Käufer, die Platz, Wirtschaftlichkeit und zeitgemäßes Design suchten. Hier zeigt sich erneut, wie äußeres Erscheinungsbild den wahrgenommenen Wert eines Alltagsmodells erhöhen kann.
Lancia: Dedra, Delta II und Kappa
Auch bei Lancia trug Spada zu mehreren wichtigen Projekten bei. Der Dedra (1989) basierte auf einer verlängerten Plattformarchitektur, die flexibel für verschiedene Antriebskonzepte, auch Allrad, ausgelegt war. Zwar erfüllte der Dedra nicht alle Erwartungen im Wettbewerb mit deutschen Premiumherstellern, doch blieb er als gut proportionierte Limousine seiner Zeit erhalten.
Delta II und Kappa
Beim 1993 vorgestellten Delta II kamen die technischen Grundlagen des Tipo Due zum Einsatz, wobei ein sportliches, kompaktes Design die Rallye-Tradition von Lancia widerspiegelt und alltagstauglichen Charakter bewahrt wurde. Spadas letztes Lancia-Projekt, der Kappa (1994), teilte sich technische Basis mit dem Alfa Romeo 166, verkaufte sich jedoch in den sechs Produktionsjahren nur etwa 117.216 Mal. Diese Beispiele machen deutlich: Selbst herausragendes Design allein garantiert keinen Verkaufserfolg, wenn Markenstrategie und Markttrends nicht harmonieren.
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Weitere Alltagsgrößen: Tempra, Alfa 155 und Nissan Terrano II
Spadas Handschrift zeigte sich auch an ganz unterschiedlichen Alltagsmodellen. So war die Tempra-Limousine (auf Tipo-Basis) besonders in Ländern wie der Türkei ein großer Erfolg – dort wurden über eine Million Fahrzeuge produziert. Der Alfa Romeo 155 führte trotz der Abkehr vom Hinterradantrieb, was viele Alfa-Enthusiasten kritisierten, zu fast 196.000 verkauften Einheiten und wurde dank durchdachtem Packaging und sportlicher Attitüde geschätzt.
Nissan Terrano II (R20)
Eine der weltweit am meisten verbreiteten Arbeiten Spadas war der Nissan Terrano II, der regional auch als Mistral oder Ford Maverick vertrieben wurde. Dieses vielseitige Offroad-Fahrzeug wurde bis 2005 gebaut, bediente unterschiedlichste Kundengruppen und unterstreicht Spadas Vielseitigkeit – vom Luxusmodell bis hin zum Geländewagen.
Vergleiche und Markteinfluss
Der Vergleich zwischen Spadas exklusiven Zagato-Kreationen und seinen Großserienentwürfen zeigt zwei zentrale Stärken: das Gespür für die richtige Proportion und einen pragmatischen Zugang zur Raumgestaltung. Während die von Zagato gebauten Fahrzeuge für Extravaganz und Exklusivität stehen, beweisen Modelle wie Tipo oder E32, wie kluge Linienführung und funktionales Denken auch Alltagswagen aufwerten können. Während Lancia im Wettbewerb mit den deutschen Herstellern in puncto Absatz oft hinter den Erwartungen blieb, profitierten Fiat und Nissan deutlich von Spadas Kompetenz, Stil und Serientauglichkeit zu vereinen.
Fazit: Vom Traumwagen bis zum Alltagskönner – eine prägende Karriere
Ercole Spada verdeutlichte mit seiner Laufbahn, dass bedeutendes Automobildesign nicht nur visuelle Exklusivität meint. Seine Einflüsse reichen von legendären Sammlerstücken bis zu alltagstauglichen Modellen, die in Millionenauflage gebaut wurden. Wer Spadas Werke betrachtet, erkennt, wie Form, Funktion und der richtige Zeitpunkt in der Autogestaltung zusammenspielen. Damit reiht er sich ein in die Liste der großen Gestalter des 20. Jahrhunderts – sein Wirken lebt weiter, sei es in Museen, auf Oldtimertreffen oder auf Straßen, wo auch heute noch Spuren seiner Kunst zu finden sind.
Quelle: autoevolution
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