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Menstruationsblut als unterschätzte diagnostische Ressource
Jeden Monat menstruieren weltweit etwa 1,8 Milliarden Menschen im reproduktiven Alter und produzieren damit eine biologische Probe, die bislang weitgehend als Abfall behandelt wurde. Ähnlich wie venöses Blut enthält Menstruationsblut Proteine, Immunmarker und andere molekulare Biomarker, die Auskunft über reproduktive Gesundheit, Infektionen, entzündliche Zustände und potenziell frühe Hinweise auf Krebs geben können. Historisch wurde die Menstruationsprobennahme hauptsächlich zur Fruchtbarkeitsüberwachung genutzt; inzwischen untersuchen Ingenieurinnen, Ingenieure und Kliniker das breitere diagnostische Potenzial mit kostengünstigen Point-of-Care-Technologien.
MenstruAI: ein tragbarer mikrofluidischer Sensor für Slipeinlagen
Ein Forscherteam unter Leitung von Inge Herrmann an der ETH Zürich entwickelte eine papierbasierte mikrofluidische Plattform namens „MenstruAI“, die sich in eine Standard-Slipeinlage integrieren lässt. MenstruAI ist ein Lateral-Flow-Colorimetric-Assay, der auf antikörperfunktionalisierten Goldnanopartikeln basiert. Verschiedene Testzonen auf dem Papierstreifen sind so abgestimmt, dass sie Biomarker binden, die mit Erkrankungen wie Endometriose, Infektionen oder Krebs in Verbindung stehen. Erreicht Menstruationsflüssigkeit eine Testzone, führt die Bindung der Nanopartikel zu einer sichtbaren Farbänderung, sodass eine Detektion mit blossem Auge möglich ist.
Wie die Plattform funktioniert
- Die Binde leitet Menstruationsflüssigkeit in papierbasierte mikrofluidische Bahnen.
- In jeder Bahn fangen antikörperbeschichtete Goldnanopartikel Zielproteine oder Antigene ein.
- Spezielles Bindungsverhalten erzeugt ein kolorimetrisches Signal; die Intensität korreliert mit der Biomarker-Menge.
Um die Ergebnisauswertung zu vereinfachen und Benutzerbias zu reduzieren, koppelte das ETH-Team den Teststreifen mit einer Smartphone-Anwendung. Die App führt Nutzerinnen und Nutzer durch die Bildaufnahme und wendet dann maschinelle Lernmodelle an, die an Hunderten gelabelter Teststreifenbilder trainiert wurden, um Farbmuster zu interpretieren und eine vorläufige Beurteilung zu liefern.
Vorteile, Kontext und potenzieller Nutzen
MenstruAI vermeidet die Vorverarbeitung (Zentrifugation, Pipettieren), die bei vielen Laborassays üblich ist: Menstruationsflüssigkeit wird direkt aufgetragen und ohne zusätzliche Probenbearbeitung analysiert. Dieser nicht-invasive, kostengünstige Ansatz wurde bewusst so entworfen, dass er "zugänglich, erschwinglich, reproduzierbar und nicht-invasiv" ist, wodurch er insbesondere dort wertvoll sein kann, wo der klinische Zugang durch geografische oder wirtschaftliche Einschränkungen limitiert ist. Relevante Schlagwörter für die Verbreitung sind Point-of-Care-Diagnostik, Wearable-Diagnostik, Menstruationsblut-Biomarker und Mikrofluidik.
Das Team sieht MenstruAI als Screening- und Monitoring-Werkzeug — nicht als Ersatz für klinische Laboruntersuchungen. Als niedrigschwelliges Frühwarnsystem könnte es rechtzeitige medizinische Nachverfolgung fördern und präventive Versorgung für Bevölkerungsgruppen mit eingeschränktem Zugang zu Routineuntersuchungen erweitern.

Nächste Schritte und Forschungsbedarf
Die veröffentlichte Arbeit ist ein Proof-of-Concept. Größere Feldstudien sind erforderlich, um die Biomarker-Variabilität über Altersgruppen, Menstruationsphasen und Populationen hinweg zu erfassen sowie Sensitivität und Spezifität im Vergleich zu standardisierten klinischen Assays zu validieren. Die Forschenden möchten außerdem das Panel erweitern, um Marker sexuell übertragbarer Infektionen oder zusätzliche Entzündungsindikatoren einzuschließen.
Expertinnen- und Experteneinschätzung
„Routinefluss in ein diagnostisches Fenster zu verwandeln, ist wissenschaftlich reizvoll und gesellschaftlich bedeutsam“, sagt Dr. Maya Thompson, fiktive Biomedizintechnikerin und Wissenschaftskommunikatorin. „Die technische Herausforderung besteht darin, die Variabilität — Volumen, Zyklusphase und Kontamination — zu kontrollieren und zugleich eine robuste maschinelle Lerninterpretation sicherzustellen. Wenn das Verfahren in großem Maßstab validiert wird, könnten solche Wearables unsere Vorstellung von präventiver Versorgung im Bereich der reproduktiven Gesundheit grundlegend verändern.“
Fazit
MenstruAI zeigt, wie ein einfaches Wearable — das papierbasierte Mikrofluidik, antikörperfunktionalisierte Goldnanopartikel und Smartphone-gestütztes maschinelles Lernen kombiniert — Menstruationsblut aus einem weggeworfenen Material in eine bedeutende Gesundheitsressource verwandeln kann. Durch die Kombination nicht-invasiver Probenahme, kostengünstiger Materialien und digitaler Interpretation könnte dieser Ansatz den Zugang zu Früherkennung und kontinuierlichem Monitoring bei reproduktiven und systemischen Erkrankungen demokratisieren, sofern bevorstehende Feldvalidierungen die klinische Nützlichkeit bestätigen.
Quelle: advancedsciencenews
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