Längere Spaziergänge senken Risiko für Herz und Leben

Eine große UK‑Kohortenstudie zeigt: Längere, zusammenhängende Gehphasen (10–20 Minuten) sind bei inaktiven Erwachsenen mit geringerem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und niedrigeren Sterberaten verbunden.

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Längere Spaziergänge senken Risiko für Herz und Leben

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Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass nicht alle Schritte gleichwertig sind: Wie man geht, kann genauso wichtig sein wie die Gesamtanzahl der Schritte. Eine große Kohortenstudie aus Großbritannien fand heraus, dass Erwachsene, die ihre täglichen Schritte in längere, kontinuierliche Gehphasen konzentrierten, ein geringeres Risiko für Sterblichkeit und kardiovaskuläre Erkrankungen hatten als jene, deren Schritte in kurze, fragmentierte Abschnitte aufgeteilt waren.

Wie die Studie durchgeführt wurde und wer untersucht wurde

Die Forschenden analysierten Beschleunigungsmesserdaten (Accelerometer) von 33.560 Erwachsenen, die in der UK Biobank registriert sind. Der Schwerpunkt lag auf Personen mit vergleichsweise niedriger körperlicher Aktivität – im Mittel weniger als 8.000 Schritte pro Tag. Anstatt nur die Schrittzahl zu betrachten, ordnete das Team die Teilnehmenden nach der typischen Dauer ihrer Gehphasen: unter 5 Minuten, 5 bis <10 Minuten, 10 bis <15 Minuten und 15 Minuten oder länger.

Im Durchschnitt legten die Teilnehmenden etwa 5.165 Schritte pro Tag zurück. Fast 43 % sammelten den Großteil ihrer Schritte in Gehphasen von weniger als 5 Minuten, 33,5 % in 5–10-minütigen Abschnitten, 15,5 % in 10–15-minütigen und nur rund 8 % in Gehphasen von 15 Minuten oder länger. Die Forschenden verfolgten anschließend Sterblichkeits- sowie kardiovaskuläre Ereignisse (CVD) über einen Zeitraum von annähernd 9,5 Jahren und passten die Analysen an die Gesamtschrittzahl und weitere Risikofaktoren an.

Die Methodik berücksichtigte mehrere Kontrollvariablen, darunter Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index, Raucherstatus, bestehende chronische Erkrankungen und sozioökonomische Faktoren. Durch die Nutzung objektiver Bewegungsdaten aus Accelerometern konnten Messfehler vermieden werden, die bei selbstberichteten Aktivitätsangaben häufig auftreten.

Zentrale Ergebnisse: Längere Gehphasen sind mit geringerem Risiko verbunden

Die Ergebnisse zeigten ein klares Muster: Teilnehmende, die ihre Bewegung in längeren, kontinuierlichen Spaziergängen konzentrierten, wiesen deutlich geringere Risiken sowohl für Sterblichkeit aus allen Ursachen als auch für kardiovaskuläre Erkrankungen auf als Personen, deren Aktivität vorwiegend aus kurzen Gehabschnitten bestand. Nach 9,5 Jahren betrug das Risiko für die Gesamtmortalität 4,36 % in der <5-Minuten-Gruppe, im Vergleich zu 1,83 % bei 5–10 Minuten, 0,84 % bei 10–15 Minuten und 0,80 % bei Gehphasen von 15 Minuten oder mehr.

Die Unterschiede waren für kardiovaskuläre Endpunkte sogar noch deutlicher. Das kumulative Risiko für CVD nach 9,5 Jahren sank von 13,03 % in der <5-Minuten-Gruppe auf 11,09 % (5–10 Min), 7,71 % (10–15 Min) und 4,39 % bei Personen, deren Schritte überwiegend in Gehphasen von 15 Minuten oder länger stattfanden. Die Assoziationen waren besonders ausgeprägt bei den am inaktivsten Teilnehmenden (weniger als 5.000 Schritte pro Tag), was darauf hindeutet, dass strukturierte Gehphasen für Menschen mit niedrigem Aktivitätsniveau besonders vorteilhaft sein könnten.

Die Analyse berücksichtigte zudem Sensitivitätsanalysen, um Reverse-Kausalität zu prüfen (also dass bereits bestehende Krankheiten kürzere Gehphasen bedingen könnten). Nachdem Fälle in den ersten Jahren der Nachverfolgung ausgeschlossen wurden, blieben die Effekte weitgehend stabil, was die Robustheit der Ergebnisse unterstützt.

Warum das Muster des Gehens die Herzgesundheit beeinflussen könnte

Gehverhalten ist mehr als nur eine Zählgröße: Die Länge einer Gehphase beeinflusst Herzfrequenz, Blutdruck, Stoffwechselreaktionen und die Scherkräfte an der Gefäßwand (vascular shear stress). Längere, kontinuierliche Gehphasen führen eher zu einer Erhöhung und Aufrechterhaltung der Herzfrequenz, verbessern die Durchblutung und fördern günstige Effekte auf Glukose- und Lipidstoffwechsel im Vergleich zu vielen kurzen, fragmentierten Bewegungen.

Physiologisch können anhaltende Gehphasen Entzündungsmarker senken, die Insulinsensitivität verbessern und die endothelialen Funktionen stärken. All diese Mechanismen sind plausibel mit einem verminderten Risiko für Atherosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall verbunden und erklären, warum längere Gehphasen in dieser Kohorte mit geringerer Sterblichkeit und niedrigeren CVD-Raten assoziiert waren.

Außerdem beeinflusst die Gehgeschwindigkeit (Intensität) die physiologischen Wirkungen. Selbst moderate Erhöhungen der Gehgeschwindigkeit über einen Zeitraum von 10–20 Minuten können metabolische Vorteile erzeugen, die über die reine Schrittzahl hinausgehen. Damit sind Dauer und Intensität von Bedeutung — nicht nur die aggregierte Schrittzahl.

Praktische Empfehlungen für den Alltag

Für Menschen mit niedrigem Aktivitätsniveau liefert die Studie eine leicht umsetzbare Erkenntnis: Planen Sie gezielte, kontinuierliche Gehphasen in Ihren Tagesablauf ein. Wenn Ihr Alltag überwiegend aus kurzen Wegen zwischen Räumen oder schnellen Erledigungen besteht, versuchen Sie, diese in ein oder zwei zusammenhängende Spaziergänge von 10–20 Minuten zu bündeln.

Konkrete Vorschläge:

  • Ein zügiger 15-minütiger Spaziergang nach dem Mittagessen kann sowohl die Verdauung als auch die Blutzuckerregulation unterstützen.
  • Ein entspannter 20‑minütiger Abendspaziergang hilft, Stress zu reduzieren und die Herzfrequenz variabel zu halten.
  • Zwei separate 10‑minütige Strecken (morgens und nachmittags) können die gleiche Gesamteffektivität haben, wenn sie bewusst und kontinuierlich durchgeführt werden.

Wichtig ist die Regelmäßigkeit: Mehrere nachhaltige Gehphasen über die Woche verteilt (z. B. an den meisten Tagen 10–20 Minuten) können kardiovaskuläre Vorteile bieten. Für Menschen, die bereits regelmäßige Schritte machen, kann die Schwerpunktverlagerung hin zu zusammenhängenden Gehphasen zusätzlichen Nutzen bringen.

Die Studienautoren betonen, dass diese Ergebnisse die öffentliche Gesundheitsbotschaft verfeinern: Neben der Gesamtzahl täglicher Schritte sollte auch die Länge der Gehphasen in Empfehlungen berücksichtigt werden — besonders bei Personen mit geringer Alltagsaktivität.

Welche Bedeutung hat die Forschung für künftige Leitlinien?

Die Studie unterstützt eine Weiterentwicklung körperlicher Aktivitätsempfehlungen, die Intensität, Dauer und Muster der Bewegung — nicht nur aggregierte Schrittzahlen — berücksichtigen. Künftige randomisierte Studien und Leitlinien-Updates könnten gezielte Empfehlungen prüfen: Für wenig aktive Erwachsene könnten mehrere anhaltende Spaziergänge (z. B. 10–20 Minuten) über die Woche empfohlen werden, um das kardiovaskuläre Risiko zu senken und die Lebenserwartung zu verbessern.

Solche Empfehlungen wären einfach und kostengünstig umzusetzen: Ein zügiger 15‑minütiger Spaziergang nach dem Essen, ein entspannter 20‑minütiger Abendspaziergang oder zwei verteilte 10‑minütige Einheiten können wirksame Strategien sein, um die Herzgesundheit zu schützen.

Für Fachkräfte im Gesundheitswesen und Gesundheitskommunikatoren bedeutet das: Kommunikation und Interventionen sollten die Qualität der Bewegung (Dauer und Muster) neben der Quantität (Schritte) hervorheben. Programme zur Verhaltensänderung, digitale Gesundheitsanwendungen und Beratungsgespräche könnten von dieser präziseren Botschaft profitieren, um inaktiven Personen konkrete, leicht realisierbare Ziele zu bieten.

Stärken, Limitationen und offene Fragen

Stärken der Analyse sind die große Stichprobe, die objektive Bewegungsmessung durch Accelerometer und die lange Nachbeobachtungszeit. Trotzdem gibt es Einschränkungen: Beobachtungsdesigns können Kausalität nicht endgültig nachweisen, und residuale Confounding‑Effekte sind möglich. Zudem liefert die Studie nur begrenzte Informationen zu Kontextfaktoren wie Gelände, Untergrund, Wetterbedingungen oder gesellschaftlichen Barrieren, die Gehverhalten beeinflussen können.

Offene Forschungsfragen umfassen unter anderem:

  1. Welche minimale Gehphase (Dauer) ist erforderlich, um metabolische und vaskuläre Verbesserungen zu erzielen?
  2. Wie interagieren Gehgeschwindigkeit (Intensität) und Dauer bezüglich des kardiovaskulären Nutzens?
  3. Welche verhaltensökonomischen Interventionen sind am effektivsten, um inaktive Personen zu längeren, zusammenhängenden Gehphasen zu motivieren?

Zukünftige randomisierte Studien sollten spezifische Interventionsdauern, Intensitäten und Häufigkeiten vergleichen und dabei auch patientenrelevante Endpunkte wie kardiovaskuläre Ereignisse und Mortalität messen. Zusätzlich wären Untersuchungen zu Subgruppen (ältere Menschen, Personen mit Typ‑2‑Diabetes, Menschen mit körperlicher Behinderung) wichtig, um individualisierte Empfehlungen ableiten zu können.

Fazit und praktische Schlussfolgerungen

Diese Daten aus der UK Biobank ergänzen die vorhandene Evidenz, dass nicht nur die Anzahl der Schritte, sondern auch das Muster des Gehens für die Gesundheit relevant ist. Für Menschen mit geringer Alltagsaktivität können kurze, zusammenhängende Gehphasen von 10–20 Minuten eine effiziente, leicht zugängliche Maßnahme zur Verbesserung der Herz-Kreislauf-Gesundheit sein.

Gesundheitsexperten sollten erwägen, in Beratungsgesprächen und öffentlichen Empfehlungen neben der Schrittzahl auch die Gehphasenlänge zu betonen. Ein pragmatischer, evidenzbasierter Rat könnte lauten: Streben Sie an den meisten Tagen der Woche eine oder mehrere Gehphasen von jeweils 10–20 Minuten an — schon diese moderaten, regelmäßigen Veränderungen des Bewegungsverhaltens können das kardiovaskuläre Risiko senken und die Lebenserwartung verbessern.

Die Ergebnisse wurden in den Annals of Internal Medicine veröffentlicht und tragen dazu bei, die öffentliche Gesundheitsberatung nuancierter zu gestalten. Sie bieten einen praktikablen, kostengünstigen Ansatz für Prävention und Gesundheitsförderung, der besonders für Personen mit niedrigem Aktivitätsniveau relevant ist.

Schlüsselbegriffe für Leser und Fachleute: Gehphasenlänge, Schrittanzahl, kardiovaskuläre Gesundheit, Sterblichkeitsrisiko, UK Biobank, Accelerometer, körperliche Aktivität, Gehtraining.

Quelle: scitechdaily

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